Gallien an der Gera

Kann sich Arnstadt einer Volkszählung widersetzen, die auf europäischer Ebene angeregt und vom Bund beschlossen wurde? Natürlich nicht. Aber man kann ja mal im Stadtrat darüber reden. Es gibt ja sonst nichts zu tun.

Volkszählungen können die Welt verändern. Das weiß jeder, der mal was von der Geschichte mit dem Tischler aus Nazareth gehört hat, der mit seiner hochschwangeren Frau vom römischen Kaiser wegen einer Volkszählung nach Bethlehem beordert wurde. Spätestens seit dieser Zeit tobt ein Streit über die Sinnfälligkeit von Volkszählungen. In Arnstadt zum Beispiel staunt man zum Stadtfest immer wieder darüber, wie viele Leute hier eigentlich wohnen sollen. Und man fragt sich, wo sie das restliche Jahr verbringen. In der Innenstadt jedenfalls nicht.

Man weiß nicht, ob die Europäische Kommission und die Bundesregierung das Arnstädter Stadtfest im Blick hatten, als sie beschlossen, wieder einmal eine Volkszählung zu veranstalten. Vielleicht war es ja auch die Hoffnung auf einen neuen Messias, der das Innenstadt-Problem endlich löst, ohne die Liebfrauenkirche zum Parkhaus umzubauen und die Schlossgarten-Toilette als City-Kaufhaus aufzuwerten. Jedenfalls steht Arnstadt seit Donnerstag im Mittelpunkt der globalen Auseinandersetzungen um Volkszählungen und ihre Folgen – dank der Links-Fraktion im Stadtrat.
Deren Antrag, der wegen der Rücknahme des Haushalts zu einer Art ideologischem Höhepunkt der jüngsten Stadtratssitzung aufrückte, lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen: Egal, was die Bürokraten und die Volksvertreter weiter oben beschließen, Arnstadt macht einfach bei der Volkszählung nicht mit. Das hat Medienpotenzial: Man stelle sich nur die Verfilmung des Stoffes in Hollywood vor. Mit Arnstadt als gallisches Dorf. Und für die Besetzung von Asterix, Obelix und Miraculix fallen einem auch sofort Arnstädter Darsteller ein. Aber auch Jesus sollte unbedingt mitspielen.

Nun gibt es gewisse rechtsstaatliche Grundsätze, nach denen zum Beispiel eine Kommune nicht einfach weiter oben beschlossene Gesetze ignorieren darf. Aber Linke-Fraktionschef Steffen Dittes hatte Argumente, warum man es doch versuchen sollte: Die Volkszählung kostet (wahrscheinlich) die Stadt Geld und bindet (wahrscheinlich) städtisches Personal. Genau weiß man das zwar noch nicht, weil das entsprechende Landesgesetz noch nicht verabschiedet ist, aber es wird gemunkelt.
Aber darf die Stadt alles per Beschluss ablehnen, was städtisches Geld kostet und städtisches Personal bindet? Es wäre schön. Denn dann hätte man im Stadtrat längst auch das Ende dieses ewigen Winters beschließen können. Leider verabsäumten die Stadtratsmitglieder bisher einen solchen Beschluss. Aber es ist ja noch nicht aller Winter Abend.
Was der Stadtrat auch nicht tat: Dem Antrag der Links-Fraktion zuzustimmen. Nun hat ein anderer Ort die Chance, als einziger gegen die Volkszählung zu stimmen. Man soll ja nicht orakeln, aber nach dem Stadtrat fuhr Frank Kuschel gleich nach Liebenstein.

Trotzdem war die Debatte nicht umsonst: Die Juristen im Stadtrat konnten beweisen, dass es keine einheitliche Juristenmeinung gibt. Und trotz vieler ausgefallener Tagesordnungspunkte muss kein Stadtrat fürchten, das Sitzungsgeld umsonst bekommen zu haben. Und sei es als Schmerzensgeld.

Die Sache mit der Volkszählung sollte man trotzdem nochmal überdenken. Denn wahrscheinlich hat sie Google längst im Internet durchgeführt. Es hat bloß noch keiner gemerkt.

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