Das Alter der Thüringer Klöße

Kleiner Schatz: Rezepte aus der Küche der Ur-Urgroßmutter

Wer wann die Thüringer Klöße erfunden hat, darüber gibt es viele Behauptungen – auch im Netz. Aber wenig Beweise. In Arnstadt will man der Sache jetzt wissenschaftlich auf den Grund gehen . Anlass ist ein handgeschriebenes Rezeptebuch von 1842, das der Wirt eines Traditionshauses jetzt erwerben konnte.

Auch vor 150 Jahren kamen schon „Bröckchen“ in die Klöße. Man muss Brötchen klein schneiden und die Würfel braten, das Ergebnis werde dann in jeden Kloß  „inwendig hineingedrückt“, schrieb I. Leonhardt nach 1842 mit der Hand in ein kleines Büchlein.

Wer I. Leonhardt war, weiß der neue Besitzer noch nicht genau. „Wir gehen davon aus, dass es eine Hausfrau aus gehobenen Kreisen sein könnte“, sagt Jörg Becker., der das Büchlein vor kurzem von einem Arnstädter erworben hat. Der Wirt des Gasthauses zu Goldenen Henne weiß, dass er damit ein Dokument in der Hand hält, das mehr ist als nur ein Kochbuch. Denn es sagt viel aus über die Gewohnheiten der damaligen Zeit aus.
Zum Beispiel, dass es schon Zitronen zu kaufen gegeben haben muss, denn die sind als Zutat für „Schnittchen“ aufgeführt. So nennt man die hier als Schittchen bekannten Weihnachts-Backwerke noch heute in Südthüringen und Franken. Was aber auch deutlich macht, dass es sich um Rezepte nicht nur aus der Arnstädter Gegend handelt. „Wir wissen noch nicht genau, wo das Büchlein
her kommt“, sagt Becker. Um das herauszufinden, hat er sich mit dem Historiker Michael Kirchschlager verbündet, der nun den Inhalt wissenschaftlich untersucht. Das schließt eine „Übersetzung“ ins Hochdeutsche ein, denn die in Sütterlin aufgeschriebenen Rezepte sind auch für den nicht immer zu verstehen, der die alte Schrift lesen kann.
Dabei geht es nicht nur um die Herkunft des Buches und die Identität der Verfasserin, sondern auch um Sitten und Bräuche jener Zeit. „Was da aufgeschrieben wurde, hat man auch gekocht“, sagt Jörg Becker und zeigt zum Beweis auf den Eintrag hinter einem Rezept: „Schmeckt nicht“, steht dort vernichtend kurz. Wahrscheinlich wurde die Speise nur ein Mal ausprobiert.
Was das Buch so wertvoll macht: Es beschreibt die Alltags-Küche. Überlieferungen zur Esskultur kommen oft aus Klöstern oder Adelshäusern, aber was die „Bürgerlichen“ auf dem Teller hatten, ist selten festgehalten.

Insofern interessieren sich Becker und Kirchschlager auch besonders für die beiden Kloßrezepte im Buch. Eines klingt wie das heutige Rezept für Thüringer Klöße, für das andere finden sich auch Milch und Gries unter den Zutaten.“Es sind auf jeden Fall mit die ältesten Alltags-Rezepte für Klöße im Thüringer Raum“, vermutet Kirchschlager. Mehr will er nicht sagen, denn es gibt zwar viele Behauptungen über ältere Kloßrezepte, aber die Quellenlage ist oft unklar.

Deshalb wird zunächst geforscht, danach könnte es eine vielleicht Reprint-Ausgabe des Büchleins geben. „Auf jeden Fall werden wir einiges davon nachkochen“, kündigt Jörg Becker an. Ob das Rezept mit dem Nachtrag „Schmeckt nicht“ dabei ist, bleibt aber bisher noch offen.

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