Klöße wie 1842

Wie hat man in Arnstadt um 1842 gekocht? Und würde das heute noch schmecken? Auf solche theoretischen Fragen wurde am Donnerstag im Gast- und Logierhaus Goldene Henne in Arnstadt eine praktische Antwort gegeben. Das Henne-Team hatte nach alten Rezepten gekocht und gebacken.
Johanne Leonhard wurde 1821 geboren und ist nur 34 Jahre alt geworden. Aber die Arnstädterin hat, beginnend mit dem 21. Lebensjahr, ein handschriftliches Rezeptbüchlein geführt, das vor einigen Monaten in den Besitz der Wirtsleute der Arnstädter Henne überging. Im Juni soll das Buch, kommentiert und mit zahlreichen Anmerkungen, als Reprint erscheinen. Aber in der Henne gab es am Donnerstag schon einen Vorgeschmack im wahrsten Sinne des Wortes. Nicht nur Klöße – obwohl die Tatsache, dass es zwei Rezepte dieser Thüringer Spezialität in dem alten Büchlein gibt, sicher eine besondere Aufmerksamkeit verdient. Schließlich ist es der älteste Eintrag dieser Art in einem Thüringer Kochbuch.

Aber neben den Klößen hatte sich Hausherrin Sabine Becker besonders den Kuchen-Rezepten gewidmet. In ungewohnter Weise, wie sie zugab: Sonst wandele ich Rezepte immer ein wenig nach Gefühl ab. Diesmal habe ich mich klar an die Originale gehalten. Was unter anderem deshalb nicht einfach war, weil es im Büchlein der Johanne Leonhard keine Bilder gab, dafür aber ungewohnte Mengenangaben. Bei einem Kuchen waren 20 Eier für zwei Bleche vorgesehen. Da denkt man doch, dass der hochgehen müsste. Aber der ging nicht hoch!. Fast einen ganzen Tag hat Sabine Becker an den sechs verschiedenen Kuchen gebacken. Alle hatten eines gemeinsam: Sie enthielten Kartoffeln. Die Bäckerin mutmaßt, dass das mit der damaligen Knappheit von Mehl zu tun gehabt haben könnte. Kartoffeln hingegen waren auch schon um 1840 genügend im Angebot.

Zur Verkostung der Ergebnisse hatten die Beckers gemeinsam mit dem Verleger Michael Kirchschlager, der die Produktion der Reprint-Ausgabe übernommen hat, Vertreter von Wirtschaft, Kultur und Politik aus der Region eingeladen. Und um vergleichen zu können, gab es auch Klöße nach heutigem Rezept – und zum Beispiel auch einen Kartoffelkuchen aus der DDR.

Die Gäste zeigten sich überrascht, dass zum Beispiel der Kloß von 1842 gar nicht so weit von heutigen Essgewohnheiten entfernt ist. Zwar wurde damals neben rohen Kartoffeln auch Grieß verwendet, aber Martin Winter, Geschäftsführer der Firma Carpenter fand: Der Eigengeschmack nach Grieß ist so dezent, dass man den Kloß durchaus als Delikatesse sehen kann. Fachmännisch fasste er Charakter des Kloßes zusammen: Hohe Dichte, aber soßenfreundlich.

Nicht ganz so begeistert war Vizelandrat Rainer Zobel. Der Geschmack sei zwar interessant, aber meins ist so ein Grießkloß wohl eher nicht. Ute Wall von der Stadt- und Kreisbibliothek war hingegen des Lobes voll vor allem über die Kuchen: Der Kartoffelkuchen mit Haselnüssen und Schokoguss hat mich besonders beeindruckt.

Ob es eine Fortsetzung dieses Kuchen-Angebots in der Henne gibt, ist derzeit eher unwahrscheinlich. Der Aufwand ist einfach zu groß. Aber die rohen Klöße der Johanne Leonhard (mit Grießanteil) finden sich ab April auf der regulären Speisekarte der Henne, sagte deren Wirt Jörg Becker.

Aber Nachkochen und -backen kann man ab Juni, wenn das kleine Rezeptbuch erscheint, auch Zuhause. Wobei das Büchlein nicht nur für Kochfans interessant ist: Außer der Besitzerin haben zahlreiche Arnstädterinnen dazu Rezepte beigesteuert. Das Büchlein wurde herumgereicht, sagt Michael Kirchschlager, so wie ein Poesiealbum.

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