Sehnsucht nach Veränderung

Michele Zimmermann verlässt, zumindest beruflich, die Region. Die junge Managerin prägte maßgeblich die Entwicklung im Industriegebiet am „Erfurter Kreuz mit, nicht nur als Geschäftsführerin von „Borg Warner“ in Arnstadt, sondern auch als Vorsitzende des Vereins „Initiative Erfurter Kreuz“, der gegenwärtig nicht nur der wichtigste Unternehmerverbund weit über die Kreisgrenzen hinaus ist, sondern von dem auch wesentliche Impulse für die Infrastruktur ausgehen.
Gespräche mit Michele Zimmermann erweitern den Horizont und machen auch noch Spaß.  Also nutzte ich gern die Gelegenheit, sie an einem der wohl letzten heißen Tage dieses Jahres bei einem kühlen Radler zu treffen.

 

Dr. Michele Zimmermann ist in England geboren und kam im Alter von 9 Jahren nach Bremen, wo sie zur Schule ging, Produktionstechnik studierte und in Werkstoffwissenschaften promovierte. Nach einer Tätigkeit bei New Venture Gear bei Leipzig ist sie seit 2006 Werkleiterin von Borg Warner Transmission Systems Arnstadt GmbH. Ab September 2011 übernimmt sie eine leitende Funktion im Programm-Management des Borg Warner-Konzerns in Ketsch (Baden-Württemberg)


Warum gehen Sie weg?
Ich bin 2006 nach Arnstadt gekommen, seitdem hat sich bei Borg Warner hier viel verändert. Es war die Zeit der großen Schritte, aber diese Zeit ist vorbei. Jetzt folgen die kleinen Schritte. Das ist eine Phase, die ich schon immer gern anderen überlassen habe. Und deshalb habe ich eine neue Herausforderung gesucht.

Was hat sich im Werk verändert, seit Sie kamen?
Die Produktionsfläche war halb so groß, es gab zwei Montagelinien und 130 Leute haben in zwei Schichten gearbeitet. Man hat damals 350 Kupplungen in einer Schicht produziert und war der festen Überzeugung, mehr geht nicht. Seitdem haben wir eine neue Halle gebaut und es arbeiten 420 Leute im Werk. Und wir stellen an einer Produktionslinie 700 Kupplungen in einer Schicht her, mit derselben Mannschaft und derselben Taktzeit.

Das klingt, als sei es immer bergauf gegangen. War das wirklich so?
Nein. Es gab eine Krise im ersten Halbjahr 2008, die zunächst gar nichts mit der Finanz- und Wirtschaftskrise zu tun hatte. Wir hatten neue Kunden gefunden und kamen mit den veränderten Anforderungen nicht klar. Wir waren ein junges Team und mit den Problemen, die auf uns einstürmten, zum Teil überfordert. Und dann setzte im zweiten Halbjahr auch noch die große Krise ein. Es war eine Situation, wo wir uns eingestehen mussten: Es hat nicht funktioniert, wir müssen vieles anders machen. Sonst wird es dieses Werk in ein paar Jahren nicht mehr geben.

Was haben Sie dann anders gemacht? 
Es waren viele Dinge, vom Bestandsmanagement über die Organisationsstruktur bis zu den Kontrollmechanismen. Wir haben es geschafft, weil das Team gut war. Alle haben dazugelernt und am Ende das Gesamtkonstrukt im Blick gehabt. Das heißt, nicht nur zu nehmen, sondern auch zu geben. Und Veränderung nicht zu scheuen.

Ist das nicht eine Selbstverständlichkeit in einem solchen Unternehmen?
Nein. Es hat sich mittlerweile bis in die Konzernleitung in den USA herumgesprochen, dass das Arnstädter Werk etwas Besonderes ist. Hier herrscht nicht so ein Besitzdenken. Es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass man nur erfolgreich sein kann, wenn man sich verändert. Das bringt auch immer neue Chancen.

Welche neuen Chancen warten künftig auf Sie?
Bisher war ich im operativen Geschäft, künftig werde ich mich mehr um das Strategische kümmern. Es ist eine Rolle im Programm-Management, wo es darum geht, wie die Werke in drei Jahren ausgelastet sind. Da geht es um die Koordination des Zusammenspiels ganz verschiedener Sparten mit dem Ziel eines optimalen Ergebnisses. Und es ist eine globale Verantwortung. Auch das war etwas, was ich mir gewünscht habe.

Wie global ist Ihre Aufgabe?
Ich bin für eine Produktlinie verantwortlich. Dazu gehören zwei Werke in Nordamerika, eines in Mexiko, drei in Europa, eines in Korea und eines in China. Und überall sitzen Programmmanager, mit denen ich zusammenarbeite.

Was war Ihr erster Eindruck, als Sie nach Arnstadt kamen?
Dass es Provinz ist. Ich kam aus England, habe in Bremen und Leipzig gelebt und überall gab es eine multikulturelle Szene, hier gibt es sowas nicht. Ich wohne auch noch auf dem Lande, wo es Leute gibt, die Nazi-Lieder grölen. Das finde ich ganz schlimm. Aber ich habe, gerade innerhalb der „Initiative Erfurter Kreuz“, viele Leute von hier kennengelernt, die sich austauschen wollen, die auch Einflüsse von außen bewusst suchen. Ob es nun die Bürgermeister Köllmer oder Möller sind oder viele einfache Menschen mit ihren Träumen und einer großen Geduld, sie umzusetzen. Das werde ich vermissen. Aber ich bleibe ja hier wohnen, auch wenn mein Arbeitsplatz woanders ist.


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