Wechselspiele

In Erfurt gibt es gerade etwas Aufregung wegen gewisser Durchlässigkeiten zwischen den Fronten von SPD und AfD. Als Arnstädter kann man da nur mit den Schultern zucken. Hier geht es personell schon lange drunter und drüber. Auch heute im Stadtrat.

Arnstadt isWohnen an der Weißet, wenn ein Beisitzer des CDU-Ortsvereins die Pressearbeit für die „Linke“ macht. Arnstadt ist, wenn man bei „Pro Arnstadt“ anruft und erstmal fragen muss, ob vielleicht ein zukünftiger AfD- oder ein früherer SPD-Stadtrat dran ist.  Arnstadt ist, wenn bei der CDU  die eine Hälfte  mit den Linken und „Pro Arnstadt“ im Schützengraben sitzt und  die andere Hälfte Klimmzüge macht, um endlich wieder nach oben zu  kommen. Doch so ganz stimmt das nun nicht mehr. Denn Pro Arnstadt hat sich heute im Stadtrat aus dem gemeinsamen Schützengraben davongemacht. Zum Austreten.

Mit einem „Weiter so“-Antrag für das Wohngebiet „An der Weiße“, der den Kurs der Wohnungsbaugenossenschaft zum veränderten  Sanierungsablauf und damit den Kurs des Bürgermeisters stützte, hat „Pro Arnstadt“ die komfortable Mehrheit  der Bürgermeistergegner verlassen.  Da SPD, Bürgerprojekt und FDP-Stadtrat den Antrag nicht nur stützten, sondern ihm sogar beitraten, fand er eine sehr deutliche Mehrheit. Selbst aus der CDU gab es nur eine Gegenstimme, der Rest enthielt sich. Zuvor hatte Linke-Fraktionschef Frank Kuschel noch vergeblich versucht, über einen Änderungsantrag doch noch für den Stadtrat die Lufthoheit über das Bauprojekt  zu sichern. Vergeblich.

Was bedeutet das nun?

Dass an der Weiße wohl im kommenden Frühjahr endlich saniert wird. Zunächst nur ein Stückchen, aber in ausschließlicher Regie der WBG. Kuschels Versuche, den Stadtrat mit „seiner“ Mehrheit zum Ober-Aufsichtsrat umzufunktionieren, sind doppelt gescheitert: Die Mehrheit ist weg und das Projekt ist klar an die WBG delegiert worden,  der Stadtrat wird nur noch „informiert“. Wie es an der „Weiße“ insgesamt weiter geht, soll ebenfalls im Aufsichtsrat der WBG beschlossen werden.  Heute deutete sich an, dass es dabei durchaus auch um die Einbeziehung  privater Bauträger gehen könnte, zum Beispiel bei einem Parkhaus unterhalb des Rathauses, für das die Stadt kein Geld hat. Solche Entwicklungen müsste natürlich irgendwann der Stadtrat beschließen. Aber bis dahin ist Ruhe mit dem Thema Weiße in der Stadtpolitik. Hoffentlich.

Außerdem ist offenbar die Zeit der Lagerkämpfe vorbei. Dass heute „Pro Arnstadt“, SPD und Bürgerprojekt gemeinsam abgestimmt haben, ist kein Zeichen für ein neues Lager, sondern für einkehrende Normalität in einem solch diffus besetzten Stadtrat: wechselnde Mehrheiten.

Das klingt vernünftig. Denn die bisherigen Lagerkämpfe schadeten nicht nur dem Bürgermeister, sondern auch „Pro Arnstadt“ und der CDU. In Zeiten einer erstarkenden AfD gibt es bei „Pro Arnstadt“ genügend Fliehkräfte, die den Bestand der Fraktion bedrohen. Und viele Arnstädter CDU-Mitglieder haderten nicht nur mit der treuen Gefolgschaft ihrer Stadtratsfraktion zu den „Linken“, sondern auch noch mit dem Kurs ihrer Kanzlerin. Es machten schon zahlreiche Austrittsgerüchte die Runde. In welche Richtung auch immer.

Wie die „Linken“ mit der neuen Situation klar kommen, bleibt abzuwarten. Auch sie müssten sich wohl wieder etwas bewegen, ob nun in Richtung Bürgermeister und SPD – oder wieder zur Fundamentalopposition, in der sie sich in den früheren Jahren auch gut zurechtfanden. Besonders ihrem Fraktionschef dürfte das schwerfallen.

Schwerfallen dürfte es auch Bürgermeister Alexander Dill, mit der neuen Lage klarzukommen. Er ist zwar auf den ersten Blick der Gewinner, weil ihm wechselnde Mehrheiten im Stadtrat viel bessere Chancen geben, seine Ideen durchzusetzen. Aber wechselnde Mehrheiten muss man sich verdienen und organisieren. Und Ideen kann man nur umsetzen, wenn man welche hat.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert