Bummelstreik im Atomlabor?

Cover des Spektrum-HeftsWas ist an der These mit den vergrabenen Atombomben im Jonastal dran? Ein   Kernphysiker vertritt dazu eine interessante These: Die Wissenschaftler im dritten Reich waren überhaupt nicht so weit, um eine Bombe zu bauen. Und eigentlich wollten sie das auch nicht.

In der Titelgeschichte der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift „Spektrum der Wissenschaft“ wertet der Wissenschaftsmanager und Kernphysiker Manfred Popp „Geheimberichte“ aus britischen und US-amerikanischen Beständen vor allem unter fachlichen Gesichtspunkten aus und kommt zu dem Schluss, dass die deutschen Wissenschaftler wichtige Parameter der Wirkungsweise einer Atombombe noch nicht kannten oder sie falsch ansetzten. Sie konzentrierten sich zudem hauptsächlich auf die Entwicklung eines Atomreaktors, der sich aber technologisch sehr stark von einer Bombe unterscheidet.

Popp wartet mit vielen technische Details auf, um diese Behauptung zu untermauern. Aber der Aufsatz enthält noch eine andere These, warum die 1933 noch unangefochten an der Spitze der weltweiten Atomforschung stehende deutsche Wissenschaftselite bis zum Kriegsende keine Bombe zustande brachte: Die Physiker wollten den Erfolg nicht. Sie waren froh, in vielen kleinen Gruppen Mittel für Experimente zu bekommen, hatten aber sowohl Angst vor dem Misserfolg – als auch dem Erfolg. Im Falle eines nachgewiesenen Misserfolgs wären wohl alle an die Front geschickt worden. Aber auch im Erfolgsfall, wenn die Bombe wirklich in Reichweite gekommen wäre dann doch nicht funktioniert hätte, wäre das Schicksal der Entwickler besiegelt gewesen. So war es nach Popps Deutung für alle Beteiligten klüger, sich möglichst lange, aber nicht sehr intensiv mit der Atombombenforschung zu beschäftigen: Was man nicht weiß, braucht man nicht zu verschweigen. Glühende Nazis waren die meisten Forscher ohnehin nicht, Werner Heisenberg, der Bekannteste von ihnen, war noch 1937 von einem SS-Kampfblatt als „weißer Jude“ beschimpft worden, weil er Einsteins Relativitätstheorie unterstützte. Das galt bei den Nazis als „undeutsch“. Aber diese „undeutsche“ Theorie war nun einmal die Grundlage der Kernspaltung.

Der Aufsatz von Werner Popp wird Verfechter der Theorie, die Nazis hätten doch über Atombomben verfügt, nicht umstimmen. Als ehemaligen Abteilungsleiter im Bundes-Energieministerium und hessischen Staatssekretär kann man dem Kernphysiker leicht „Systemnähe“ und Zugehörigkeit zum „Schweigekartell“ vorwerfen. Doch für alle, die an einer unaufgeregten Aufarbeitung des Themas interessiert sind, lohnt sich die Lektüre des Beitrags. Denn er geht fachlich in die Tiefe und beleuchtet Aspekte, die bisher kaum in die Debatte eingeflossen sind.

Das Dezember-Heft „Spektrum der Wissenschaft“ ist  im Zeitschriftenhandel erhältlich – oder über diese Website.

UPDATE

Auf der Spektrum-Seite ist jetzt ein Text frei online, der zwar nicht dem im Heft entspricht, aber Popps Intentionen gut wiedergibt.

 

 

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