Harald Lesch hat in Ilmenau über das Universum nachgedacht. Vor einem übervollen Hörsaal, der nicht einmal alle Interessenten fassen konnte. Denn Lesch ist eine Art Physik-Entertainer. Nach seinen Vorträgen brummt niemandem der Schädel, dafür sind die Lachmuskeln umso mehr strapaziert worden.
„Wenn wir in den Himmel schauen, sehen wir nur altes Zeug“, sagt Harald Lesch. „Das ist ein Drama, das geht weit über 34 Tage Südafrika hinaus“.
Eigentlich macht der Astrophysiker nur das, was jeder gute Lehrer in der Schule auch machen sollte: Er schafft Assoziationsketten zwischen dem, was die Leute bereits im Gehirn gespeichert haben – und dem, was er gern dort noch hinein haben will. Aber es gibt nur wenige Lehrer, die diese Technik beherrschen. Und Physiker schon gar nicht. Stephen Hawking ist einer, Harald Lesch einer der wenigen Deutschen. Seine Bekanntheit verdankt er eigenen Erklär-Sendungen im Fernsehen, die schon seit den Anfangszeiten bei „BR Alpha“ als Kult gelten. Neuerdings kann man ihn sogar in den Hauptprogrammen zur besten Sendezeit sehen. Und deshalb strömen Leute, die sich auch nur ein wenig für solche Sachen wie den Urknall, Schwarze Löcher oder Außerirdische interessieren, zuhauf in seine Veranstaltungen. Wie auch am Montag in den Röntgen-Hörsaal der TU Ilmenau. Man hätte, vom Ansturm her gesehen, wohl eher die Festhalle nehmen sollen. Wer zu spät kam, musste draußen bleiben. Das Interesse war, wie das Thema, galaktisch.
Die Quantenmechanik erklärt Lesch zum Beispiel so: „Ich bezahle meine Stromrechnung erst wieder, wenn die mir sagen, ob das Licht nun eine Welle oder ein Teilchen ist“. Und die Spuren des Urknalls findet er auch im Ilmenauer Hörsaal: „In jedem Quadratzentimeter dieses Raums sind 400 Protonen von der Hintergrundstrahlung“. Wobei er den Teilchen sogar recht menschliche Eigenschaften zubilligt. Ein Elektron zum Beispiel würde wegen der unendlichen Leere des Universums fast nie auf ein anderes Elektron treffen. Und wenn doch, dann würde es abgestoßen. Seine Schlussfolgerung: „Das Universum ist voll von angeödeten Elektronen“.
Leschs Art kommt an, nicht nur bei den Studenten. Es ist der spielerische Umgang mit seinen Themen, der ihn besonders macht. Natürlich gibt es Experten, die sich gewichtiger äußern und wissenschaftlich exakter. Aber ihnen hört, außer einem kleiner Kreis von Experten, keiner zu. Lesch hingegen lässt nur gelegentlich durchblitzen, dass er auch in der Liga der hehren Elfenbein-Wissenschaftler mitspielen kann. Aber er hat sein eigenes Spielfeld entdeckt: Das Astro-Entertainment. Und er bedient damit das umfangreiche Marktsegment der wissbegierigen Halbwissenden, die sich dessen aber nicht schämen. Man muss nicht die Allgemeine Relativitätstheorie verstanden haben, um sich die Frage nach dem Ursprung der Welt zu stellen. Aber selbst für die schwierige Frage, was denn die Gravitation wirklich ist, hat Harald Lesch zwei einprägsame Eselsbrücken: „Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen“. Und: „Wir haben in der Finanzkrise gelernt: Wo viel ist, kommt immer noch was hinzu“.
Er kann sich lustig machen über seine Kollegen und auch über sich selbst. „Glauben Sie mir kein Wort“, sagt er mitten im Vortrag, „wir irren uns auch nur empor“. Das ist bei den vielen Alleinvertretungs-Theorien in der Physik wohltuend. Und es zeigt, dass der Astrophysiker auf dem besten Wege ist, zum Philosophen zu werden. Einen entsprechenden Lehrstuhl hat er schon. Aber es bleibt die Hoffnung, dass er trotzdem weiter verständlich und selbstironisch bleibt. Todernste Physiker und Philosophen hat die Welt nun wirklich schon genug.
Zu gerne wäre ich bei dem Vortrag gewesen.
Danke für den Hinweis