Bernhard Vogel ist gestorben, ein Mann, der wie kein anderer für die schwierige Anfangszeit Thüringens nach der Wende stand. Von 1992 bis 2003 war er hier Ministerpräsident. „Der Alte“, wie ihn viele in der CDU nannten, prägte das Land in dieser Zeit entscheidend mit. Ihm ist es zu verdanken, dass der ICE nach München über Erfurt fährt und das Bundesarbeitsgericht nach Thüringen kam. Nun ist er endgültig gegangen. Er wurde 92 Jahre alt.
Manchmal hatte Bernhard Vogel komische Ideen, zum Beispiel die mit dem „Heringsessen“. Die Faschingszeit, in der er nun gestorben ist, hatte für ihn als ehemaligen Regierungschef von Rheinland-Pfalz eine besondere Bedeutung. Und so führte er auch in Thüringen am Aschermittwoch ein „Heringsessen“ für Journalisten ein. An sich eine nette Sache, man hätte sich zum Faschingsausklang im Keller der Staatskanzlei in netter Runde treffen, Saures essen und mit dem Regierungschef zwanglos plaudern können. Wäre nur die Uhrzeit nicht gewesen: Das Heringsessen begann um 7.30 Uhr.
Ein Albtraum für jeden Journalisten, der in der Regel bis spätabends arbeiten musste und deshalb morgens gern ausschlief. Der frühe Beginn hatte aber einen einfachen Grund: Aschermittwoch war nicht nur Faschingsende, sondern auch Mittwoch. Und Mittwochs tagte um 9 Uhr die CDU-Fraktion, die man als CDU-Ministerpräsident keine Sekunde aus den Augen lassen durfte (das wusste Bernhard Vogel seit seinem leidvollen Abschied aus Rheinland-Pfalz). Und so dauerte das Heringsessen nur eine Stunde, die meist für das ausführliche Eingangsstatement des redseligen Bernhard Vogel draufging. Dann verabschiedete er sich höflich, schließlich müsse er der Fraktion seine Aufwartung machen, entschwand und ließ die Journalisten mit ihrem Hering allein.
Wahrscheinlich hat er sich immer köstlich amüsiert, wenn er die verschlafenen Journalisten derart foppen und zugleich die CDU-Fraktionäre enttäuschen konnte, die natürlich damit gerechnet hatten, dass er zumindest zu spät kommt – wenn überhaupt. Er liebte solche Späße. Denn im Grunde – so sehe ich das heute – war er ein Schalk, der aus Versehen in die Politik geraten war.
Aber er ließ sich eben auch in die Pflicht nehmen, das war seine andere Seite. Und wurde so, für ihn selbst überraschend, Thüringens Ministerpräsident. Was das für ihn und das Land bedeutete, spiegeln vielleicht drei Beiträge am besten wider, die ich damals als Journalist geschrieben habe: Zu seinem 70. Geburtstag, zu dem Parteitag, auf dem er seinen Abschied bekanntgab und zum Abschied selbst in der Staatskanzlei.
Leider habe ich ihn in den letzten Jahren kaum gesehen, aber öfter an ihn gedacht, zuletzt zu seinem 92. Geburtstag im Dezember. Ich werde ihn in Erinnerung behalten als einen bescheidenen und ehrlichen Menschen, der so herrlich verschmitzt sein konnte.
Er ist es auch als Politiker geblieben. Das schafften nur wenige. Danke, Bernhard Vogel.
Beiträge über Bernhard Vogel:
Abschied von der Staatskanzlei
Glückwunsch zum 92. Geburtstag