Kürzlich schrieb die Volontärin Roya Hedayati im Internet-Auftritt der „Arnstädter Allgemeinen“ einen Beitrag über die Facebookgruppe „Tratschtanten Arnstadt original“ und nannte sie „nicht nur Kommunikationsmittel, sondern auch ein wichtiges Werkzeug für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“. Was sie übersehen hat: In Arnstadt ist der Zusammenhalt ziemlich gespalten, denn es gibt zwei konkurrierende Tratschtanten-Gruppen bei Facebook. Und die originale ist jene ohne das „Original“ im Namen.
Die „Tratschtanten“, die Plastik des Künstlers Volker Beier vor dem Burgkeller, hat schon immer die Fantasie der Arnstädter beflügelt. Von 2006 bis 2016 standen Margit Jasch, Marina Weise und Ilka Zacher von Narrhalla in jeder Faschingssaison als Tratschtanten auf der Bühne und begeisterten das Publikum mit ihren scharfsinnigen Analysen zur Arnstädter Weltlage. Ins Internet wanderten die geschwätzigen Weiber dann 2013, als Katja Hartung die Facebookgruppe „Tratschtanten von Arnstadt“ gründete, mit Beyers Plastik als Titelbild.
Die Idee war einfach und genial: ein Podium schaffen für Neuigkeiten und ein bisschen Tratsch, so dass sich der gemeine Arnschter dort wiederfinden und Antworten auf seine Fragen bekommen konnte. So wie früher an den Brunnen der Stadt oder später in der Zeitung, die aber immer weniger Leute lesen. Die Idee wurde schnell angenommen, der Zuspruch wuchs, die Mitgliederzahlen schossen in die Höhe. Aber damit wuchsen auch die Probleme.
Denn die Gründung der Seite fiel genau in jene Zeit, als das öffentliche Debattenklima, gerade in den sozialen Medien, an Schärfe zunahm. Auch in der „Tratschtanten“-Gruppe wurde „wirklich jeder Mist gepostet und fast jede Diskussion ist ausgeartet oder wurde beleidigend“, sagt Ireen Döbber, die als eine der Administratorinnen die Gruppe noch heute betreut. Die Betreiber entschlossen sich deshalb dazu, die Gruppe nicht mehr öffentlich, sondern privat zu betreiben. Was bedeutet: Jeder, der mitmachen will, muss vorher drei Fragen beantworten, um sicherzustellen, dass es sich um einen Menschen und nicht um einen Roboter handelt. Nur Mitglieder können andere Gruppenmitglieder und deren Beiträge sehen. Und jeder Beitrag, der gepostet werden soll, muss von einem Administratoren geprüft und freigegeben werden. Damit soll vermieden werden, dass Fake-News auf die Seite gelangen oder Beleidigungen gepostet werden. Das ist gut fürs Klima, hat aber auch Nachteile: Manchmal dauert es eben etwas, bis ein Beitrag im Internet erscheint – und manche Mitglieder sind sauer, wenn ein Beitrag oder ein Kommentar von ihnen zurückgewiesen wird.
Zu den Unzufriedenen gehörten auch die „Tratschtanten“-Mitglieder Torsten Warnsloh, Ines Henning und Sylke Beitlich. „Wir waren alle 3 in der anderen Tratschtanten Gruppe. Aber dort haben sich die Admins aufgespielt wie die Internetpolizei, und wenn man daraufhin was sagte, wurde man sofort gesperrt“ sagt Sylke Beitlich. Die Angesprochenen Admins der ursprünglichen Tratschtanten sehen das natürlich anders: „Die Drei haben sich nicht an die Regeln gehalten und sind deshalb der Reihe nach rausgeflogen“, sagt Ireen Döbber. „Und dann sind sie auch noch beleidigend geworden“.
Die drei Hinausgeworfenen wollten das nicht so einfach hinnehmen und gründeten 2020 ihre eigene Facebook-Gruppe: Tratschtanten Arnstadt Original.
Warum „Original“, wo das Original doch eigentlich die andere Gruppe ist? Sylke Beitlich: „Weil wir eben originale Arnstädter sind. Zumindest meine Schwester und ich.“ Originale Arnstädter seien sie auch, kontert Ireen Döbber von den ursprünglichen Tratschtanten.
Die jüngere Gruppe ist öffentlich, jeder, der bei Facebook unterwegs ist, kann alle Beiträge sehen. Aber es gibt auch Regeln. Sie lauten: „Sei freundlich und höflich“, „keine Hassrede oder Mobbing“, „Keine Werbung oder Spam“. Nur wer zustimmt, kann Mitglied werden. Aber eine zusätzliche Prüfung durch die Admins gibt es nicht. „Beiträge werden oft abgelehnt, wenn es um Verkäufe geht. Wir sind keine Verkaufsseite“, sagt Sylke Beitlich. Was politische Themen betrifft: Die werden „ab und an zugelassen und die Kommentarfunktion deaktiviert, da das auch meist zu Stress führt“.
Dadurch, dass es einfacher ist, Mitglied der neuen Tratschtanten zu werden, wuchs die Gruppe schneller als die alte. Als dieser Beitrag entstand, waren knapp 5000 Leute dabei. Die ältere Tratschtantengruppe zählt etwa 3750 Mitglieder. Kontakte zwischen den Betreibern der Gruppen gibt es keine. Aber die „Tratschtanten von Arnstadt“ bleiben bei ihrem Konzept. Und außerdem sind sie das Original.