„Mon Plaisir“ ist wieder zu sehen, zumindest ein kleiner Teil. Eine Interimsausstellung zeigt, was aus der weltweit einmaligen Puppenstadt werden könnte, die gerade restauriert und neu konzipiert wird. Doch bis es soweit ist, muss noch einiges passieren. Vor allem ist noch viel Geld nötig, um diesem nationalen Kulturerbe die internationale Geltung zu verschaffen, die es verdient.
Kürzlich fand am Victoria and Albert Museum in London eine internationale Konferenz statt, die sich auch mit Puppenhäusern beschäftigte. Jedes große Museum der Welt hat solche Häuser, besonders im Barock waren sie in Adelskreisen als Sammlerstücke äußerst beliebt. Die Experten diskutierten unter anderem, ob es irgendwo ein Puppenhaus mit Ledertapeten gibt. „Gibt es nicht“, so die einhellige Antwort. Und ein Puppenhaus mit funktionierenden Türen zwischen den Stuben? Ebenfalls Fehlanzeige, befanden die Fachleute vom Amsterdamer Rijksmuseum bis zu den Londoner Gastgebern, der ersten Adresse für Design und Kunsthandwerk überhaupt.
Doch es gibt eine ganze Puppenstadt mit Ledertapeten und Türen, die funktionieren. „Wir haben das alles“, sagt Gabriella Szalay, seit Ende 2024 Direktorin des Arnstädter Schlossmuseums, „es ist nur viel zu wenig bekannt“.
„Mon Plaisir“ ist in mehrfacher Hinsicht ein Juwel der Superlative. Die Puppenstadt ist mit 82 Szenen und 3551 Gegenständen riesig, sie hat viele Details, die andere Puppensammlungen auch in renommierten Museen nicht haben, und sie ist durch ihre Konzeption einmalig. Hier wurden nicht einfach Puppen und Häuser zusammengesammelt, ob sie nun zusammenpassen oder nicht, hier wurde eine ganze Stadt geplant und gebaut. Bis auf wenige Ausnahmen (zum Beispiel das Schlosstheater) folgen alle Stuben samt Bewohnern und Interieur einem klaren Konzept, dem der Fürstin Auguste Dorothea. Die einzelnen Szenen sind 3-D-Bilder des höfischen und städtischen Lebens in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Und wenn man durch sie spazierenschaut, kann man auch noch in die Welt von Johann Sebastian Bach eintauchen. Der Musiker kam etwa zur gleichen Zeit nach Arnstadt, als die Fürstin hier mit ihrer Mammutarbeit begann.
Seit 1930 steht diese Einmaligkeit im Arnstädter Schlossmuseum und hat sich seitdem kaum verändert. Dass sie dringend restauriert werden musste, war bis zuletzt für den Laien kaum zu erkennen. Es war überhaupt nicht sehr viel zu erkennen, in den Stuben war es zu duster. Beleuchtung ginge nicht, wegen der empfindlichen Stoffe, hieß es immer. Außerdem war kein Geld da, bis vor wenigen Jahren war Arnstadt noch ziemlich arm. Doch dann kam 2022 ein unverhoffter Geldsegen: „Mon Plaisir“ wurde als nationales Kulturgut eingestuft, von Bund und Land gab es für die Sanierung und die Beleuchtung eine Förderzusage über 245 000 Euro. Die Sanierung sollte bei laufendem Betrieb vorgenommen werden, versprach die damalige Museumschefin. „Damit wir nicht die Puppenstadt jahrelang den Besuchern entziehen müssen, werden wir schrittweise restaurieren“.
2025 sollte die Restaurierung abgeschlossen sein, hieß es damals. Aber als 2025 begann, war „Mon Plaisir“ vollständig weg. Schon im Vorjahr verschwand eine Puppenstube nach der anderen, wurden Räume geschlossen, bis nichts mehr da war. Und auch noch nichts wieder fertig. Die Besucher erfuhren davon im Vorfeld nichts, die Enttäuschung im Museum war dann umso größer. Wann die Sammlung je wieder zu sehen sein würde, darauf wollte sich keiner festlegen.
Es war die Zeit, als die neue Museumsdirektorin ihr Amt antrat. Gabriella Szalay fand: Arnstadt auf unbestimmte Zeit ohne „Mon Plaisir“ – das geht gar nicht. Sie, die eigentlich des Porzellans wegen nach Arnstadt kam, hat sich schnell in die Puppenstadt verliebt, auch wenn sie mit der Bezeichnung hadert: Für Gabriella Szalay ist „Mon Plaisir“ eine „Wunderkammer“, die nichts mit einer normalen Puppensammlung zu tun hat. Die gibt es schließlich zuhauf, „Mon Plaisir“ ist einmalig.
Nun gibt es eine Interimsausstellung, mit einer beleuchteten Stube, vielen Figuren und Gegenständen und interessanten Details über Erkenntnisse aus der bisherigen Restaurierung. So stellte sich heraus, dass die Zahl der Puppen wesentlich größer ist, statt den bisher angenommenen 391 sind es in Wirklichkeit 472.
Bis man alles wieder sehen kann, wird wohl noch einige Zeit vergehen. Die Konzeption für die neue Dauerausstellung ist in Arbeit, aber noch in einer frühen Phase. Klar ist aber schon jetzt: das Fördergeld von Bund und Land wird nicht reichen. Es wird schwierig werden, weitere Mittel zu bekommen, wenn von dem Objekt, für das sie gedacht sind, nur ein kleines Stück zu sehen ist. Eine Möglichkeit, die Gabriella Szalay sieht, ist die Forschung. Es gibt so vieles an ihrer Wunderkammer, was es noch zu ergründen gilt. Wenn es gelänge, renommierte Experten dafür zu gewinnen, könnte das die Bekanntheit der Puppenstadt und die Bereitschaft fördern, in dieses Juwel zu investieren.
Es ist eine schöne Vision: Auf einer internationalen Tagung über Puppenhäuser irgendwann irgendwo auf der Welt kommt bei einer speziellen Nachfrage die Antwort: Das gibt es fast nirgends. Aber in Arnstadt.