Wissenschaftler der Zeppelin Universität Friedrichshafen sind jetzt mit einer sensationellen Studie an die Öffentlichkeit getreten: Der 1989 von vielen so sehnlichst erwünschte Zusammenhang zwischen Stasi und Volkswirtschaft soll tatsächlich existieren. Leider aber nicht ganz so, wie es sich die Demonstranten vor den Stasi-Zentralen vorgestellt hatten. Die überraschende Erkenntnis: Wo damals mehr Spitzel waren, ist heute die Arbeitslosigkeit besonders hoch und die Bereitschaft zur Organspende geringer. Die Plattenverkaufszahlen der Puhdys und die Jahresmitteltemperatur in Ottendorf-Okrilla wurden dabei allerdings unberücksichtigt gelassen.
Seinerzeit, ich pflegte noch den Müßiggang eines Mathematikstudiums im schönen Ilmenau, gab es dort einen Spruch. Entweder es regnet, hieß es damals, oder die Schranke ist zu. Es war der witzige Versuch, zwei Dinge zusammenzubringen, die partout nichts miteinander zu tun haben konnten: das nicht sehr sonnige Klima dieses Ortes – und die Sicherheitsbestimmungen der Deutschen Reichsbahn, die den Fußweg vom Bahnhof zur damaligen TH unbotmäßig verlängerten, so dass manchmal das Bier im Klub schon alle war, wenn man oben ankam.
Die Zeiten haben sich seitdem radikal verändert. Die Schranke ist, dank der dynamischen und degressiven Streckenpolitik der Bahn, so gut wie niemals mehr geschlossen. Und mit dem Werbespruch „Ilmenau – himmelblau“ kämpft das Städtchen tapfer, wenn auch erfolglos, gegen das Schlechtwetter-Image an.
Viele Jahre später wurde mir nun allerdings schlagartig klar: Das mit dem Regen und der Schranke war womöglich gar kein Spruch. Es könnte eine wissenschaftliche Studie gewesen sein. Man hätte es wohl nur etwas verquaster formulieren müssen: „Die Niederschlagswahrscheinlichkeit korreliert mit dem negativen Verkehrsflussdurchlassquotienten“ oder so. Und schon wäre die Öffentlichkeit baff vor Staunen gewesen und die Forschungsmittel wären geflossen wie das Bier im BC (was in Wirklichkeit natürlich dank Jäcklein-Bräu nie ausging).
Nun also nicht mehr der Regen und die Schranke, sondern die Stasi und die Volkswirtschaft. Wie der Wirtschaftsforscher Marc Tyrell herausbekommen haben will, gibt es einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Stasi-Mitarbeiter vor 20 Jahren und den heutigen Indikatoren Arbeitslosigkeit, Organspende-Bereitschaft und Neigung zur Vereinsmitgliedschaft. Wohlgemerkt, nicht bei den Stasi-Mitarbeitern, sondern allen Leuten, die in den untersuchten Gegenden wohnen. Natürlich nicht als Kausalität, das wird nicht behauptet, aber als signifikante Korrelation, wie ich in Ilmenau zwischen dem Biertrinken lernte.
Was lehrt uns aber dieses?
Es gibt eben doch, um es mit Einstein zu sagen, eine „spukhafte Fernwirkung“ zwischen Dingen, die nichts miteinander zu tun haben. Warum wird in Großversuchen immer wieder bestätigt, das das Butterbrot immer auf die Butterseite fällt? Und warum tritt Ole von Beust gerade an dem Sonntag zurück, als es gerade mal etwas kühler war? Wie war denn das Wetter eigentlich beim Köhler-Abgang? Und war die Quersumme des Datums des Sieges von Lena nicht die einzige Primzahl, die durch „PI“ teilbar ist? Es wird noch viele Studien brauchen, um all diese offenen Fragen zu klären.
Auch wenn sie gar keiner gestellt hat.
Aber wie wäre denn das nun eigentlich gewesen, wenn man die Stasi damals wirklich in die Volkswirtschaft geschickt hätte?
Sie wäre wohl auch arbeitslos geworden, als die Volkswirtschaft verschwand. Und dann hätte die Studie aus Friedrichshafen wenigstens ein bisschen gestimmt. Aber nur bei Vollmond. Falls er nicht auf Rosenmontag fällt.