Das Arnstädter Möbelwerk hat sich wieder am Markt etablieren können und zählt jetzt 30 Beschäftigte. Von den Mitarbeiterzahlen vor der Insolvenz ist man noch ein ganzes Stück entfernt. Aber es geht offenbar aufwärts in der Fabrik, die sich DDR-Zeiten ihre Kunden noch aussuchen konnte.
In der Woche vor Pfingsten gab es einen Anruf aus den alten Bundesländern im Werk in der Stadtilmer Straße in Arnstadt. Eine Klinik wollte Möbel bestellen, aber nicht für irgendwann, sondern der Lkw sollte am Folgetag um 12 Uhr vom Hof rollen. »Da bin ich eben in die Fertigung gegangen«, sagt Matthias Heinemann, »und ehe die Auftragsbestätigung raus war, hatten die Leute schon ihre Zeichnungen auf dem Tisch«.
Heinemann ist Geschäftsführer der »Arnstädter Möbelwerk GmbH«, gemeinsam mit Raymond Arndt leitet er die Firma offiziell seit 2007. Im Betrieb ist er aber schon viel länger. Angefangen hat er zu DDR-Zeiten im Betriebsteil Gräfenroda, zur Wende war er Arbeitsvorbereiter in Arnstadt. »In der DDR waren unsere Möbel Mangelware«, sagt Heinemann, »da konnten wir uns die Kunden aussuchen«. Und auch nach der Wende lief es zunächst sehr gut. Die Firma Ceka Alsfeld übernahm das für DDR-Verhältnisse sehr moderne Werk – und Büromöbel wurden in den neuen Ländern überall gebraucht.
Doch dann kam das Jahr 2003. Alle, die neue Möbel brauchten, hatten schon welche – und die Alsfelder kein Interesse mehr an der »verlängerten Werkbank« in Arnstadt. 88 Mitarbeiter, darunter acht Lehrlinge, erhielten die Kündigung und wurden in eine Auffanggesellschaft überführt. Als diese nicht mehr zahlen konnte, folgte zwangsläufig die Insolvenz. Mit dem Ende wollte sich die Belegschaft aber nicht abfinden. Die Nachwende-Zeit hatte bewiesen: Es gibt einen Bedarf nach den Qualitätsmöbeln aus Arnstadt. Und im Nachhinein erscheint es als großer Glücksfall, dass es viele Partner gab, die dabei halfen. Ein rühriger Insolvenzverwalter, Vertriebspartner auch im Westen, die die Qualität aus Arnstadt zu schätzen wussten, eine verständnisvolle Gewerkschaft und ein Arbeitsamt, das kein Interesse an noch mehr »Kundschaft« hatte, sondern gute Ideen für die Weiterführung. Sie alle halfen beim Neuanfang 2004, der schließlich 2007 zur GmbH-Gründung führte – mit den beiden ehemaligen Mitarbeitern Heinemann und Arndt an der Spitze. »Wir haben angefangen in einem Büromöbelwerk ohne Möbel und ohne Telefonanlage, die ersten Aufträge haben wir mit dem Privathandy zusammentelefoniert«, erinnert sich Matthias Heinemann.
Ganze 7000 Euro betrug der Umsatz im ersten Monat, aber danach ging es kontinuierlich wieder aufwärts. An die »alten Zeiten« kann man quantitativ noch nicht wieder anknüpfen. Aber aus den 12 Mitarbeitern beim Neustart sind mittlerweile wieder fast 30 geworden, konnten die beiden Geschäftsführer in dieser Woche beim Betriebsbesuch von Bürgermeister Hans-Christian Köllmer (Pro A), Vertretern der Stadtmarketing GmbH und der Wirtschaftsförderung des Landkreises berichten. Und das Sortiment umfasst nicht mehr nur reine Büromöbel, sondern auch Halbfabrikate für Hausdämmungen oder Flaschenpfand-Automaten. Im Programm sind zum Beispiel ganze Möbelsortimente für Studenten- oder Altenwohnheime, zu sehen in einem neuen Musterraum im 2. Obergeschoss im Werk in der Stadtilmer Straße. »Wir fertigen nach Kundenwunsch«, sagt Raymond Arndt, »und in der Flexibilität und Qualität sind wir nicht zu schlagen«. Deshalb hat die Firma auch nie mit dem Billig-Sortiment geliebäugelt. Was aus Arnstadt kommt, ist kein Möbel-Puzzle wie vom Discounter, sondern fertig zusammengebaut, geprüft und kann sich sehen lassen. Wer ins Arnstädter Rathaus kommt, kann sich davon überzeugen. Denn die Büroausstattung nach der Sanierung hat das hiesige Möbelwerk übernommen.
Was den Möbelwerkern nach wie vor zu schaffen macht, ist die Unkalkulierbarkeit der Aufträge. »Langfristige Planung ist fast nicht möglich«, sagt Raymond Arndt, »wenn sich eine Firma überlegt, dass sie neue Möbel braucht, will sie die möglichst übermorgen haben«. Ein Nachteil, den die Arnstädter aber zu ihrem Vorteil zu nutzen versuchen. Die Branchenriesen können auf solche Anforderungen kaum reagieren, bei einer flachen Hierarchie aber geht das.
Im Falle der Klinik in der Woche vor Pfingsten zum Beispiel wurde abends später aufgehört und morgens früher angefangen. Und alle zogen mit. Der Lkw mit den neuen Möbeln rollte pünktlich um 12 Uhr vom Hof.