Als Joachim Günsel die Anerkennungsurkunden für die Gründungsmitglieder der „Stiftung Stadtilm“ überreichte, tat er dies nicht als Stadtilmer Bürgermeister, sondern als Vorstandsvorsitzender. Denn die Stiftung, die durch eine Veröffentlichung im „Thüringer Staatsanzeiger“ ihre offizielle Bestätigung erfahren hat, ist keine kommunale Institution – auch wenn sie die Entwicklung der Kommune zum Ziel hat. „Das ist eine rein private Initiative“, sagt Günsel, „von den 25.000 Euro Gründungskapital stammt kein Euro aus dem Haushalt der Stadt“.
Über die Gründung einer solchen Stiftung wird in Stadtilm schon lange geredet. Dass sie nun vollzogen werden konnte, ist sicher in erster Linie der Partnerschaft zwischen dem Bürgermeister und dem Jenaer Juristen Olaf Werner zu verdanken. Denn der Professor im (Un-)Ruhestand ist Stiftungsexperte. Sein Abbé-Institut für Stiftungswesen half schon so mancher regionalen Initiative auf die Beine, gegenwärtig ist Werner nach eigenen Worten mit der Gründung von über 40 Stiftungen beschäftigt. „Als ich Joachim Günsel kennenlernte, wusste ich sofort: Der gehört zu denen, die so etwas durchziehen können“, sagt Werner, der ebenfalls zur offiziellen Gründungsveranstaltung nach Stadtilm gekommen war.
Natürlich sind 25.000 Euro nicht genug, um eine Stiftung zu betreiben. Denn deren Prinzip besteht ja darin, das Kapital unangetastet zu lassen und nur dessen Erträge für die Arbeit einzusetzen. Aber der Anfang ist gemacht – und die Gründer hoffen auf möglichst große Resonanz, nicht nur in Stadtilm. Denn in anderen ähnlichen Fällen ist es schon oft vorgekommen, dass kinderlose Ehepaare ihr Vermögen an eine Stiftung vererben oder sich frühere Bürger ihrer Heimatstadt erinnern und größere Beträge stiften. „Aber man kann sich auch mit einem kleinen Betrag engagieren oder ehrenamtlich für die Stiftung arbeiten“, sagt Günsel, „zu tun gibt es in Zukunft wohl genug“.
Der Zweck der Stiftung ist so breit gefasst, dass praktisch alle Dinge realisiert werden könnten, die der Verbesserung der Lebensqualität dienen. Ob nun Investitionen in erneuerbare Energien oder Baumaßnahmen zur Barrierefreiheit, die Stiftung könnte es möglich machen. Und noch dazu unkomplizierter als eine Kommune, die sich an Haushaltspläne, Abstimmungen oder Vorgaben halten muss. Bei der Stiftung genügt ein Beschluss.
Als erste Projekte sollen die Umgestaltung des Quartiers um das ehemalige Amtsgericht und die erweiterte Nutzung von Solarenergie in Angriff genommen werden. Im Quartier „St. Marien“ ist im ersten Abschnitt die Einrichtung von altersgerechten Wohnungen geplant. Das muss am Ende gar nicht viel Geld kosten, wenn alle Fördermöglichkeiten klug ausgeschöpft werden und die Möglichkeit genutzt wird, Unterstützung von anderen Stiftungen zu erhalten. Bei den Photovoltaikanlagen ist vorgesehen, städtische Gebäude mit in das Stiftungsvermögen einzubringen. Allerdings mit der Klausel, dass sie bei Auflösung der Stiftung wieder an die Stadt zurückfallen würden, sagt Günsel. Das gilt aber nur für den kommunalen Besitz.
Über die Erlöse aus der Solarstromproduktion und aus den Mieten für die Wohnungen könnten weitere Projekte finanziert werden, hoffen die Gründer. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass sich die finanzielle Situation der Kommunen in den nächsten Jahren eher verschlechtert“, sagt Günsel, „da ist es gut, eine Stiftung zu haben, die bei freiwilligen Leistungen einspringen kann“.
Ob das Modell auf Dauer funktioniert, weiß im Augenblick noch niemand. Denn zumindest in Thüringen wird damit völliges Neuland betreten, sagt der Stiftungsprofessor Olaf Werner, „aber wir sind allesamt Optimisten“. Es gibt schon Anfragen von Kommunen, die es ähnlich machen möchten.
Nach der Sommerpause soll die Stiftung in Stadtilm noch einmal ausführlich in einer Versammlung vorgestellt werden. Denn natürlich braucht sie die Bürger, um wachsen zu können. Und, da sind sich alle einig, einen langen Atem.