Es gab da gerade so eine eigenartige Bürgerbefragung zum künftigen Standort des Bismarckbrunnens. Ich habe versucht zu verstehen, was da passiert ist. Und bin auf Rosenkohl gekommen.
Wenn eine Familie überlegt, was es zu essen geben könnte, geht das selten ohne Konflikte ab. Vater mag Fleisch, Mutter Fisch, das eine Kind Nudeln mit roter, das andere mit brauner Soße (Erwachsene sagen Bolognese dazu). Die große Tochter macht gerade Diät und seit einiger Zeit mag der Kleinste plötzlich Rosenkohl.
Rosenkohl kann Menschen auseinanderbringen. Kaum einer steht dem Gemüse emotionslos gegenüber. Entweder man mag es leidenschaftlich – oder leidenschaftlich nicht. Und deshalb entsteht am Familientisch ein großes Palaver, wenn das Nesthäkchen wieder mal seinen Rosenkohl einfordert.
Der Vater, eher weniger Rosenkohl-affin, aber wegen seiner Minderheiten-Stellung in der Familie essensmäßig duldsam, macht daraufhin einen Vorschlag: Es wird abgestimmt. Jeder schreibt auf einen Zettel, ob er Rosenkohl möchte – oder lieber irgendwas anderes. Weil das salomonisch klingt, wird der Vorschlag angenommen.
Beim Zettelausfüllen allerdings offenbart sich die ganze Hinterhältigkeit des Ansinnens. Die Rosenkohl-Gegner neigen natürlich dazu, „irgendwas anderes“ anzukreuzen. Aber das eine Kind denkt dabei an Nudeln mit roter, das andere mit brauner Sauce. Papa an Fleisch, Mutter an Fisch und die große Tochter an gar nichts. Allerdings, so der bei allen aufgehende Seifensieder, könnte „was anderes“ auch Sellerie sein. Oder Brokkoli! Dann lieber „Schiebung“ auf den Zettel schreiben. Oder ihn heimlich aufessen.
So kommt es, dass die Abstimmung vom einzigen positiven Rosenkohl-Votum entschieden wird. Die Gesichter der anderen kann man sich vorstellen.
Allerdings hat der Vater noch ein Ass im Ärmel. „Natürlich kriegst du deinen Rosenkohl“, sagt er zum Nesthäkchen, „wenn du uns das Geld dafür gibst“. Der Kleine rennt in sein Zimmer, schaut in seine Sparbüchse und kommt heulend zurück.
Die Rosenkohl-Frage ist damit bis zur nächsten Taschengelderhöhung von der Familien-Tagesordnung gestrichen. Wann die stattfindet, entscheidet der Vater. Zu essen gibt es bis dahin Nudeln ohne Soße. Das ist das einzige, worauf sich alle einigen können.