Arnstädter Zeitreisen

Eine Auswahl der beliebten Bildvergleiche zwischen früher und heute von Reinhard Pahl sind nun erstmals als Buch erschienen, ergänzt durch Texte von Peter Unger. Es ist eine Mischung aus Bildband und geführtem Stadtspaziergang durch Arnstadts Vergangenheit und Gegenwart geworden.

War früher eigentlich alles besser? Reinhard Pahl, Arnstädter und Fotograf aus Leidenschaft, hat in den vergangenen Jahren seine eigene Art gefunden, mit dieser viel diskutierten Frage umzugehen. Er nimmt alte Fotos, stellt sich an den gleichen Ort, an dem damals der Fotograf gestanden haben muss – und fotografiert die gleiche Szene noch einmal. Seine „Früher-heute-Vergleiche“ aus Arnstadt erfreuen sich großer Beliebtheit in der Facebook-Gruppe „Arnstadt Bilder früher, heute und überall“ und haben auch schon zu einer Ausstellung geführt, die im vergangenen Jahr in der Rosenstraße zu sehen war.

Reinhard Pahl beantwortet die Frage nicht, ob es damals besser war. Er bietet mit seinen Bildvergleichen nur ein Spannungsfeld an, der Rest ist Sache des Betrachters. Der kann mit seinen Erinnerungen, Erfahrungen  und vor allem Emotionen in die Bilder eintauchen und sie zum Gerüst seiner eigenen Geschichten machen. Der eine mag in dem kleinen Bedürfnishäuschen zwischen Jacobis Schmiede  und ehemaligem Südkrankenhaus nur eine überflüssige Bruchbude erkennen, wo es immer nach Urinstein stank. Für den anderen war es vielleicht der Ledergeruch beim Schuster Anacker, der den Charme dieses längst abgerissenen Gebäudes ausmachte.

Die Bilder von der Kreuzung am Längwitzer Tor befinden sich auf den Seiten 104 und 105 des Buches, das aus Reinhard Pahls Früher-heute-Vergleichen entstanden ist.  Peter Unger hat zu den beiden Bildern die Geschichte der Schmiede und des kleinen Häuschens aufgeschrieben. Eine gelungene Mischung aus Emotionen und Informationen, man kann sich in die Vergangenheit träumen und erfährt auch noch etwas, das man noch nicht wusste. Leider gelingt es dem Autor Peter Unger nicht bei allen Bildvergleichen, so nah an den Motiven zu bleiben und die Emotionen der Fotos zu unterstützen. Der Mann weiß einfach zu viel.  Ich hätte mir mehr Geschichten zu den Bildern gewünscht und weniger Fakten wie die Namen aller 16 Mahlgänge der ehemaligen Günthersmühle oder die exakte Spurweite der Oberweißbacher Bergbahn. Andererseits bieten die Texte von Peter Unger auch für einigermaßen geschichtsfeste Arnstädter einige interessante Neuigkeiten wie die Geschichte des „Salpetergartens“ in der Nähe des Wollmarkts.

Insgesamt 55 Bildpaare und Texte sind in dem neuen Buch von Reinhard Pahl und Peter Unger enthalten. Leider ist bei den alten Fotos nicht immer vermerkt, wann sie (wenigstens ungefähr) entstanden sind. Die meisten stammen aber aus der DDR-Zeit, Reinhard Pahl hat sie unter anderem von seinem Vater geerbt. Als Klammer wurde die Form eines Stadtspaziergangs gewählt, man kann also die Stationen nacheinander ablaufen. Man kann das Buch aber auch zu Hause durchblättern, am besten mit Freunden, die auch in Arnstadt groß geworden sind. Die Geschichten, die dann plötzlich wieder erzählt werden, verdanken wir Reinhard Pahl und seiner Superidee mit den bildlichen Früher-heute-Vergleichen.

Und war nun früher alles besser? Nach der Lektüre weiß man, dass es darauf keine einfache Antwort gibt. Es waren andere Zeiten. Schön, dass man sich mit dem Buch daran erinnern kann.

Reinhard Pahl, Peter Unger: Arnstadt Gestern & Heute
Verlag Sutton Heimat, 120 Seiten, 19,99 Euro

 

2 Gedanken zu „Arnstädter Zeitreisen“

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