Was sollte man in Arnstadt gesehen haben? Für eine Broschüre zum Stadtrechtsjubiläum habe ich dazu einige Texte geschrieben. Auf jeden Fall gehört das Schlossmuseum dazu.
Wenn sich das Eingangstor öffnet, steht man im 18. Jahrhundert. In der kopfsteingepflasterten Kutscheneinfahrt warteten die Pagen und öffneten die Wagenschläge. Wenn die Herrschaften ausgestiegen waren, fuhren die Kutschen weiter zum Marstall. Ein Treppenaufgang führt direkt in die Gemächer. Da stehen und sitzen sie noch, die fürstliche Familie und ihr Hofstaat. Man kann der Fürstin bei der Morgentoilette zusehen und den Marktweibern beim Tratschen. Hier ist die Zeit stehengeblieben. Wie bei Dornröschen, nur ein bisschen kleiner. Man steht staunend davor und fragt sich, wann dieses Schloss im Schlosse wohl aufwacht. Lange kann es nicht mehr dauern.
„Mon Plaisir“ nennt sich die weltweit einmalige vergnügliche Wunderkammer mit fast 400 Figuren. Sie ist ein guter Einstieg für einen Besuch im Arnstädter Schlossmuseum. Aber sie ist nur ein kleiner Teil dessen, was dieses Schatzkästchen an einem der schönsten Plätze der Stadt zu bieten hat.
Als das Haus erbaut wurde, war das Schicksal Arnstadts als Residenzstadt gerade besiegelt worden. Der letzte Fürst auf Schloss Neideck war gestorben, der neue Herrscher residierte in Sondershausen. Alles, was für Arnstadt blieb, war die Erinnerung an bessere Zeiten – und als Trostpflaster ein neues Palais als Witwensitz für die Gattin des Fürsten. Weil das Schlösschen gleich gegenüber vom ehemaligen Schloss aber recht hübsch geraten war, wollte die Fürstin mit dem Einzug nicht bis zum Ableben des Gatten warten. Sie machte aus dem „Neuen Palais“ eine Nebenresidenz für das Schwarzburg-Sondershäuser Herrscherhaus. Man empfing hier Gäste, veranstaltete Feste und brachte allerlei edle Sammelstücke unter. Was eben so zusammengekommen war in den langen Jahren, als Arnstadt noch Residenz war.
Der Saal, in dem damals gefeiert wurde, ist liebevoll restauriert worden. Und das fürstliche Sammelsurium bildet heute den Grundbestand des Schlossmuseums. Es sind einmalige flämische Affenteppiche darunter, ein vollständig erhaltenes Porzellankabinett mit Stücken aus China, Meißen und der einheimischen Manufaktur im Dorotheental, Möbel, Bilder und andere Kunstwerke. Dazu kam später die Figurensammlung „Mon Plaisir“ und vor ein paar Jahren die Ausstellung über Johann Sebastian Bach in Arnstadt, unter anderem mit dem Original-Spieltisch „seiner“ Orgel aus der Bachkirche.
Viele andere Schätze warten noch in den Depots, denn das Palais ist eine alternde Diva mit allerlei Wehwehchen. Kaum ein Arnstädter erinnert sich, es je ohne Gerüst gesehen zu haben. Gerade ist der gesamte Nordflügel in der Kur, Museumsdirektorin Antje Vanhoefen spricht deshalb vom „schönsten halben Schloss der Welt“. Man steht staunend vor dem bezaubernden, aber teilverhüllten Gebäude und fragt sich, wann dieses Dornröschenschloss wohl in seiner ganzen Schönheit aufwacht und seine Reichtümer angemessen präsentieren kann. So schnell wie im Märchen geht es wohl nicht.
(zu meinen „Arnstädter Perlen“ gehören auch das Rathaus, die Bachkirche und der Spittel)