Ich mach drei Kreuze

Am kommenden Sonntag wird gewählt. Jeder bekommt bis zu vier Stimmzettel, auf denen er unterschiedlich viele Kreuzchen machen und manchmal sogar etwas draufschreiben oder streichen kann. Aber nicht auf allen.  Weil das so kompliziert ist, ngibt’s hier eine kleine Wahlhilfe.

Kommunal Wählen ist ähnlich schwierig wie das Ergattern einer Bratwurst in der Arnstädter Innenstadt, wenn nicht gerade Dienstag ist. Jeder hat drei Stimmen, die er „kumulieren und panaschieren“ kann, was eher nach einer bratenvorbereitenden Küchenarbeit als nach einer Wahlhandlung klingt. Deshalb machen nicht nur die Wahlhelfer drei Kreuze, wenn die Ergebnisse endlich feststehen. Auch Sie sollten drei Kreuze machen – in der Wahlkabine. Dann wird’s auch was mit dem neuen Stadtrat. Aber der Reihe nach.

Hilfe! Wo ist eigentlich meine Wahlbenachrichtigung?

Wahrscheinlich da, wo sie immer Ihre Wahlbenachrichtigung hinlegen. Falls sich das gute Stück aber tatsächlich nicht mehr auffinden lässt, können Sie auch einfach mit Ihrem Personalausweis ins Wahllokal gehen und wählen. Wer nicht weiß, wo das ist oder auf Nummer sicher gehen will, kann ja vorher (zu den Dienstzeiten) im Rathaus unter 03628/745 852 oder 03628/745801 anrufen.

Was wird eigentlich gewählt?

Das Europäische Parlament, der Kreistag des Ilmkreises und der Arnstädter Stadtrat. In den Arnstädter Ortsteilen geht es auch noch um die Wahl des Ortsteilbürgermeisters.

Die Stadtratswahl

Jeder Wähler hat drei Stimmen, die er nach Herzenslust auf die Kandidaten verteilen kann. Man kann also einem Kandidaten alle drei Stimmen geben, seine drei Stimmen auf drei verschiedene Kandidaten (auch von unterschiedlichen Wahlvorschlägen) verteilen oder auch einem Kandidaten zwei und einem anderen eine Stimme geben.

Das klingt eigentlich einfach, kompliziert wird es allerdings, weil man auch ganze Wahlvorschläge ankreuzen kann. Wen man aber CDU, SPD, Bürgerprojekt, Linke, Grüne, AfD, FDP  oder Pro Arnstadt als Liste wählt, darf man nur noch ein Kreuzchen machen. Die drei Stimmen die jeder hat, werden dann auf die ersten drei Kandidaten auf der Liste verteilt. Man darf sogar einen oder mehrere dieser drei Spitzenkandidaten streichen, wenn sie einem nicht passen – dann gehen die drei Stimmen in der Listenreihenfolge an die Bewerber, die nicht gestrichen sind.  Das birgt aber immer eine gewisse Gefahr, dass man den Wahlzettel ungültig macht.

Deshalb mein ganz persönlicher Rat:
Wählen Sie keine Listen! Wählen Sie Menschen! Geben Sie dem Kandidaten Ihres Vertrauens alle drei Stimmen oder teilen Sie die Stimmen auf bis zu drei Kandidaten auf. Die Bewerber dürfen dabei durchaus auf unterschiedlichen Listen stehen.
Das ist einfacher und bei einer Kommunalwahl meines Erachtens auch sinnvoller. Schauen Sie sich schon vor dem Gang ins Wahllokal in aller Ruhe die Liste der Kandidaten an.   Es sind insgesamt 157, da müsste es doch mit dem Teufel zugehen, wenn nicht einer, zwei oder drei darunter sind, die Sie kennen und denen Sie zutrauen, Ihre Belange im Stadtrat zu vertreten. Ich finde, ein Stadtratsmitglied sollte engagiert, offen, freundlich und ein bisschen redegewandt, aber auch kompromissbereit sein. Griesgrämige Selbstdarsteller sind aus meiner Sicht weniger geeignet für einen Stadtrat, in dem voraussichtlich acht Fraktionen sitzen werden und in dem eine Mehrheitsfindung schwierig werden könnte. Nicht so entscheidend ist es, ob ein Kandidat schon Erfahrungen in der Kommunalpolitik gemacht hat. Das kann hilfreich sein, aber manchmal ist ein bisschen frischer Wind auch nicht schlecht.

Auf welchem Platz ein Kandidat in der Liste steht, ist unwichtig. Wenn der Kandidat auf Platz 10 die meisten Stimmen bekommt, ist er innerhalb der Liste erste Wahl für den Stadtrat. Sie können sich also ohne Ansehen des Listenplatzes nur nach Sympathie und Vertrauen für einen Bewerber oder eine Bewerberin entscheiden – oder aber für mehrere. Hauptsache, sie machen drei Kreuze. Nicht mehr und nicht weniger. Ihr Wahlzettel ist zwar auch gültig, wenn Sie nur ein oder zwei Kreuze machen, aber dann hätten Sie nur Stimmen verschenkt.

Wie wichtig sind Wahlprogramme?

Nicht unwichtig, aber man muss sie lesen können. Manche Kandidaten haben eigene Ziele formuliert, die man auf Flyern findet. Die Wahlprogramme der Parteien und Wählervereinigungen standen schon in der Zeitung, sie gibt’s auch mehr oder weniger ausführlich auf Facebook (hier die Links zu SPD, CDUPro Arnstadt, AfD, Bürgerprojekt, Grüne, Linke und FDP, zum Teil werden dort auch Kandidaten vorgestellt).

Aber man sollte beachten, dass nicht alle in den Programmen geäußerten Wünsche durch einen Stadtrat erfüllbar sind. Ein Beispiel: Mehrere Programme enthalten die Forderung, die Arnstädter Polizeiinspektion aus der Diaspora am Mühlweg in die Innenstadt zu verlegen. Ich fände das auch toll, aber dafür ist das Land zuständig. Der Stadtrat und der Bürgermeister können darum zwar bitten, aber am Ende wird das nur passieren, wenn man den Innenminister überzeugt oder sich eine Mehrheit im Landtag dafür stark macht. Dieser Programmpunkt wäre also eher etwas für die Landtagswahl im Herbst.

Andere Wünsche betreffen gar die Bundes- und Europapolitik. Der Arnstädter Stadtrat kann weder den Weltfrieden herbeistimmen noch die Flüchtlingsfrage lösen. Und bei der Wahl zum Stadtrat kann es auch nicht darum gehen, denen „da oben“ einen Denkzettel zu verpassen. Schmollen kann man vielleicht in den größeren Parlamenten, im Stadtrat ist eher die Fähigkeit gefragt, gemeinsam mit dem Bürgermeister und mit den mit bescheidenen Möglichkeiten einer Kleinstadt etwas Sinnvolles zu gestalten. Also schauen Sie eher nach vertrauenswürdigen Kandidaten als nach gut klingenden Programmen.

Wie wirken sich meine Stimmen auf das Ergebnis aus?

Die Stimmen, die Sie Ihren Kandidaten gegeben haben, werden zunächst den Listen gut geschrieben, auf denen sie kandidieren. Aus der Gesamtheit dieser Stimmen wird dann berechnet, wie hoch der Anteil jeder Liste am Gesamtergebnis ist und wie viele Sitze die Listen im Stadtrat bekommen. Dann werden die Listen nach Stimmen neu sortiert. Wer die meisten hatte, steht vorn, die am wenigsten erfolgreichen Bewerber ganz hinten. Das ist völlig unabhängig vom ursprünglichen Listenplatz. Angenommen, auf die Liste „Nagelbrot für alle“ würden sechs Stadtratssitze  entfallen, dann zögen die sechs Kandidaten in den Stadtrat ein, die die auf der „Nagelbrot“-Liste die meisten Stimmen bekamen.

Das ist eigentlich ein einleuchtendes System, funktioniert aber komisch, wenn nicht genügend Kandidaten aufgestellt wurden. So gibt es auf der AfD-Liste nur vier Bewerber. Wenn die AfD zur Wahl mehr Stimmen bekommen würde als sie Kandidaten hat, dann blieben im Stadtrat Stühle leer. Viele AfD-Wähler brächten also nicht mehr AfD-Sitze, sondern würden nur den Stadtrat verkleinern. Ich hab das hier schon mal ausführlich erklärt (damals gab es noch 5 AfD-Bewerber, die Situation hat sich also noch zugespitzt).

Die Kreistagswahl

Die Kreistagswahl funktioniert im Grunde wie die Stadtratswahl, hier finden Sie die bestätigten Wahlvorschläge. Suchen sie sich einen bis drei Kandidaten aus, denen Sie vertrauen und die Sie gut finden. Und dann machen Sie drei Kreuze!

Die Ortsbürgermeister-Wahl

In den schon etwas älteren Arnstädter Ortsteilen Angelhausen/Oberndorf, Dosdorf/Espenfeld, Rudisleben und Siegelbach werden zusätzlich Ortsteilbürgermeister gewählt.  Außerdem wurden im Zuge der Eingemeindung des Wipfratals, das ja selbst aus vielen Orten bestand, neue Arnstädter Ortsteile  bestimmt. Einer besteht aus Branchewinda, Dannheim, Görbitzhausen und Roda, ein weiterer aus Ettischleben, Hausen und Marlishausen, der dritte aus Kettmannshausen, Neuroda, Reinsfeld, Schmerfeld und Wipfra. Auch in diesen Ortsteilen wird am Sonntag ein Ortsteilbürgermeister gewählt.

Die Kandidaten gibts hier (ziemlich weit unten). Die Bewerbersituation ist übersichtlich, es gibt mit einer Ausnahme nur einen Namen auf dem Wahlzettel.  Den kann man ankreuzen – oder selbst einen Kandidaten hinzufügen. Wer das vorhat, sollte aber vorbereitet sein: Der vorgeschlagene Bewerber muss im Ort wohnen und auch sonst die Wählbarkeitsbedingungen erfüllen. Außerdem fordert die Vorschrift, dass nicht nur Name und Vorname, sondern auch noch der Beruf des Vorgeschlagenen eingetragen wird.

In Siegelbach hat sich bisher überhaupt kein Bewerber für den Posten des Ortsteilbürgermeisters gefunden. Hier sind die Wähler also aufgefordert, selbst Kandidaten auf den Wahlzettel zu schreiben. Das ist gerade bei Ortsteilbürgermeistern nicht unüblich, der Job ist nicht sehr beliebt, aber wichtig.

Die Europawahl

Ja, und dann ist da noch die ganz große Politik, wir wählen am Sonntag auch die Abgeordneten für das Europaparlament. 40 Wahlvorschläge  stehen auf dem überlangen Wahlzettel, jeder Wähler hat nur eine Stimme. Man kann keine Personen ankreuzen, sondern nur Listen.

Wann gibt’s Ergebnisse?

Die Europawahl wird zuerst ausgezählt, dann die Ortsteilbürgermeister-Wahl (wo sie stattfindet), anschließend die Stadtratswahl und danach die Wahl für den Kreistag.  Weil das alles ziemlich kompliziert ist, wird es am Sonntag ziemlich spät und mit ziemlicher Sicherheit muss am Montag weiter gezählt werden. Ob es am Sonntag noch ein Stadtrats-Ergebnis gibt, ist nicht sicher. Kreistags-Ergebnisse kommen aber wohl erst am Montag.

Sollte man hingehen?

Unbedingt. Über die Bedeutung des Europäischen Parlaments kann man geteilter Meinung sein, aber bei der die Stadtrats- und Kreistagswahl wird darüber entschieden, wer künftig über die Buspreise und -Fahrpläne, die Höhe der Gewerbesteuer oder die Zahl der Kindergartenplätze entscheidet. Elementare Dinge also, die jeden angehen.

Ich jedenfalls mach drei Kreuze. Sogar dreifach: Drei für den Stadtrat und drei für den Kreistag. Und nochmal drei, wenn die Wahlplakate wieder aus der Stadt verschwinden.

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