Der ehemalige Stadtrat und Linke-Politiker Frank Kuschel ist bekannt für seine Hartnäckigkeit bei der Realisierung von Stadtratsbeschlüssen. Bei der jüngsten Kommunalwahl hat er es nicht wieder in den Stadtrat geschafft. Aber seine Beschlüsse und Anfragen wirken weiter.
Im Juni 2007 stimmte der Arnstädter Stadtrat einem Antrag der Linke-Fraktion zu. Mit nur 3 Gegenstimmen wurde beschlossen:
„Ab dem 1. Januar 2008 wird die Stadt für jedes Neugeborene einen Baum pflanzen. Über die Pflanzung ist ein öffentliches Register zu führen. Eine namentliche Kennzeichnung der gepflanzten Bäume ist mit Zustimmung der Eltern möglich. Baumpatenschaften sind anzustreben. Der Bürgermeister unterbreitet dem Stadtrat bis zum 30. September 2007 Standort- und Gestaltungsvorschläge für den künftigen Bürgerwald.“
Es gibt immer solche Anträge auf Weltfriedens-Niveau, denen man die Zustimmung kaum verweigern kann, obwohl Zweifel an der Sinnhaftigkeit durchaus angebracht sind. Das Wildtierverbot zum Beispiel, das Zirkusse mit Tierdarbietungen aus der Stadt verbannen sollte. Es wurde zwar verabschiedet, ist aber so löchrig, dass kürzlich ein Zirkus mit allerlei Tieren in Rudisleben mit behördlicher Genehmigung gastieren konnte. Die Tiere, die dort gezeigt wurden, standen nicht auf der Verbotsliste.
Fast alle Beschlüsse, in denen das Wort „Nachhaltigkeit“ vorkommt, gehören dazu. Sie führen meist nur zur Bildung von Arbeitsgruppen, erhöhtem Berichtsbedarf und spätem Feierabend. Gerade schwebt wieder ein solches Ufo in den Stadtrat ein: Die Entwicklung Arnstadts zur „Smart City“ wurde heute beantragt. Wobei der Antragsteller selbst nicht genau sagen konnte, was das eigentlich ist.
Gewöhnlich verenden solche Anträge und Beschlüsse irgendwann in irgendwelchen Ausschüssen. Es sei denn, sie stammen von Frank Kuschel. Freunde sagen, er ist halt gewissenhaft. Seine Feinde vermuten, er mache es auch aus alter Feindschaft zu dem gerade amtierenden Bürgermeister. Egal, wer das gerade ist.
Die erste Nachfrage nach dem Bürgerwald kam im Herbst 2007 im Finanzausschuss. „In Arbeit“ antwortete der damalige Beigeordnete Ulrich Böttcher, in der Diskussion sei „das Areal hinter der Bachschleife“.
Als zwei Jahre später der Bebauungsplan für das Gewerbegebiet an der Bachschleife aufgestellt wurde, erinnerte sich kein Mensch mehr an den Bürgerwald. Außer Frank Kuschel. Ulrich Böttcher, der 2007 die Idee mit der Bachschleife in die Welt gesetzt hatte, machte einen unbestimmtem Rückzieher: Man wolle den Bürgerwald an lieber an einer Stelle realisieren, „an der es zukünftig sowieso Grün geben soll“. Also irgendwo anders.
2012 wechselte der Bürgermeister, 2013 gab es noch einen kurzen Bürgerwald-Vorstoß, dann war zunächst Ruhe. Erst 2016 taucht das Thema wieder in einer Stadtratssitzung auf: „Der Bürgermeister Herr Dill teilt mit, dass die Anfrage von Herrn Kuschel zum
Sachstand Umsetzung Projekt Bürgerwald zu einem späteren Zeitpunkt beantwortet werde.“ Die Antwort kam dann schriftlich und enthielt folgenden Satz: „Aufgrund der gegenwärtigen Haushaltssituation ist eine Umsetzung des Projektes und damit die Einstellung in den lnvestitionshaushalt in absehbarem Zeitraum nicht angedacht.“ Mehr Begräbnis für einen Antrag geht eigentlich nicht.
Es gab dann einige tiefgreifende Veränderungen. Zuerst wurde Bürgermeister Dill nicht wiedergewählt, dann Stadtrat Frank Kuschel. Keine guten Voraussetzungen für den Bürgerwald-Antrag und die armen Kinder, die seit 2008 auf ihren personengebundenen Baum so sehnlich warten. Wer sollte sich nun um beides kümmern?
Doch heute, in der Fragestunde im Stadtrat, stellte den neue Fraktionschef der Linken, Thomas Schneider, die entscheidende Frage an den jetzigen Bürgermeister Frank Spilling: Was denn aus dem Stadtratsbeschluss von 2007 geworden sei, für jedes Neugeborene einen Baum zu pflanzen?
Einige Stadträte ließen klar erkennen, dass sie davon noch nie gehört hatten. Der Bürgermeister, dem es offenbar ebenso ging, versprach wie seine Vorgänger, die Antwort schriftlich nachzureichen. Und hinten unter den Besuchern saß Frank Kuschel und grinste.