Der Arnstädter Stadtrat hat heute den Haushalt für das laufende Jahr beschlossen. Er kann nicht alle Wünsche erfüllen, aber strahlt Stabilität und sogar ein wenig Optimismus aus. Und der Stadtrat selbst, so das Fazit der Debatte, scheint langsam der Pubertät zu entwachsen.
Einen Tag vor der Haushaltsdebatte im Stadtrat blies die Fraktion „Die Linke“ noch einmal zum Frontalangriff auf den Bürgermeister. Von „Skandal“ und „Schlag ins Gesicht der Sportvereine“ war in einem Facebook-Eintrag die Rede. Die Fraktion, besser ihr berufener Bürger Frank Kuschel, hatte herausgefunden, dass eine Fördersumme vom Land an die Stadt nicht vollständig an die Sportvereine weitergereicht werden sollte. Drohte die Haushaltsdebatte wieder, wie so oft, in eine nicht enden wollende Verbalauseinandersetzung auszuarten?
Die Befürchtung war grundlos. Denn dafür hatte der Bürgermeister den Haushalt zu gründlich vorbereitet. Nicht nur, was das eigentliche Zahlenwerk betrifft, sondern vor allem in der Kommunikation mit den Fraktionen. Deren Wünsche wurden ernst genommen, sie wurden diskutiert und kaum einer davon wurde wirklich verworfen. Das Zauberwort heißt „Prüfauftrag“: Es gibt zwar im aktuellen Haushalt kein Geld dafür, aber sie werden in den Ausschüssen weiter diskutiert. Und vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal.
So kam Arnstadt ohne großen Streit zu einem Haushalt, der ausgeglichen ist, den Bürgern keine neuen Belastungen aufbürdet und sogar einige Investitionen wie das neue Feuerwehrgerätehaus zulässt. Über einen solchen Haushalt würden sich viele Kommunen in Thüringen freuen.
Es war trotzdem keine Friede-Freude-Eierkuchen-Debatte. So machte nicht nur Markus Tempes (Bürgerprojekt) auf die enorm gestiegenen Personalkosten aufmerksam, die unter anderen durch die Einstellung gleich zwei neuer Beigeordneter entstand. So etwas wecke Erwartungshaltungen an die Stadtverwaltung. Das heißt: Es muss auch mehr geliefert werden für die Stadt. In der Vergangenheit wurden Fehler leichter verziehen, es war ja kaum einer da im Rathaus. Das wird sich wohl jetzt ändern.
Und noch eine Gefahr machte Tempes deutlich: Die städtischen Einnahmen sind stark von der Gewerbesteuer abhängig. Die kann immer mal wieder schwanken und auch über längere Zeit einbrechen. Das hat Arnstadt schon mehrfach erlebt. Und die Konjunktur wackelt gerade mächtig.
Auch die anderen Fraktionschefs hielten durchaus konstruktive Reden, die weitgehend frei von Schuldzuweisungen und ideologischem Überbau waren. Besonders wichtig war wohl, dass auch die Ortsteilbürgermeister mit dem Haushalt im Rahmen der Möglichkeiten zufrieden waren. Es war das erste Mal, dass es aus dem eingegliederten Wipfratal eine echte Rückmeldung gab, wie man dort mit der Fusion zufrieden ist. Offenbar mehr als vermutet. Es war eine ziemlich erwachsene Debatte, auch wenn es bei den Neu-Mitgliedern im Stadtrat noch Unsicherheiten über die Verfahrensweisen gibt. Man redet offenbar mehr mit- als übereinander. Das ist ungewohnt in Arnstadt, aber fühlt sich gut an. So ähnlich, als wenn man bei einem ziemlich lange pubertierenden Teenie plötzlich Anzeichen von Empathie und Verantwortungsbewusstsein entdeckt.
Es gab heute viel Lob für den Bürgermeister. Dabei hätte Frank Spilling in Zusammenhang mit dem Haushalt fast seinen ersten richtigen Stockfehler begangen. Da die Zeit drängte und die planmäßigen Stadtratssitzungen nicht jeden Monat stattfinden, hatte er ursprünglich geplant, den Haushalt in der Sitzung am 6. Februar gleichzeitig einzubringen und zu verabschieden. Die Stadträte hätten nicht einmal die Möglichkeit gehabt, richtig in die Zahlen hineinzuschauen. Aber er merkte rechtzeitig, dass dies kein sonderlich demokratisches Vorgehen gewesen wäre – und einigte sich mit allen Fraktionen auf die heutige Sondersitzung.
Auch wenn nicht alle Wünsche aus den Fraktionen und Ortsteilen im laufenden Jahr erfüllt werden können: Die gestellten Anträge sind auch so etwas wie eine Ideensammlung für ein lebenswertes Arnstadt. Manchmal musste man etwas schmunzeln, wenn jemand ein Projekt aus seiner Nachbarschaft oder aus dem eigenen sozialen Umfeld gefördert haben wollte, aber solange es Arnstadt insgesamt nutzt, sollte das egal sein. Schließlich erwartet man von einem Thüringer Bundestagsabgeordneten auch, dass er sich für eine Eisenbahnstrecke in Thüringen mehr einsetzt als für eine Windmühle in Schleswig-Holstein.
Mir jedenfalls haben Ideen zur Aufwertung der Zone um den Hopfenbrunnen und den Holzmarkt, der Ausbau des Prinzenhofs zum Vereinshaus oder eine Vitalisierung der städtischen Litfaßsäulen gefallen. Im Stadtrat sitzen eine ganze Menge Leute mit der Qualifikation zum City-Manager. Hoffentlich haben die, die da kommen sollen, auch eine solche.
Und was war nun eigentlich mit dem Skandal um die Sportförderung? Eigentlich gar nichts. Schon im Entwurf des Bürgermeisters für 2020 war mehr Geld als im Vorjahr vorgesehen. Denn in Arnstadt gilt seit Menschengedenken der alte Grundsatz: Solange Georg Bräutigam im Stadtrat sitzt, werden Sportvereine zwar nie genug, aber doch immer auskömmlich gefördert. Da muss sich die „Linke“ wohl eine andere Spielwiese suchen.