Missglückte Straßenumbenennungen

Auf einen Systemwechsel folgen Straßenumbenennungen, das war schon immer so, auch in Arnstadt nach dem 2. Weltkrieg. Aber während die meisten Änderungen von 1945 mindestens bis zum Ende der DDR Bestand hatten, gab es im Jahr 1950 eine neue Umbenennungswelle, die man mit Recht als eine Ansammlung von Pleiten, Pech und Pannen bezeichnen kann. 

Die ersten beiden Wellen

Im April 1945, noch unter amerikanischer Besatzung, verschwanden Adolf Hitler, Horst Wessel und einige andere heute zurecht vergessene Nazis wieder von den Straßenschildern, im Herbst 1945 folgten unter anderem Bismarck, Hindenburg und Moltke. Auf den neuen Schildern standen nun Karl Marx und Friedrich Engels, aber auch Mozart, Schubert, Thomas Mann und Richard Wagner. Manche Straßen erhielten wieder ihre früheren Namen zurück.

Dann war ein Jahr lang Ruhe mit Straßenumbenennungen. Erst im November 1946 gab es in der Gemeindevertreter-Versammlung einen Einzelantrag, die Katharinenstraße in „Oberbaurat-Acker-Straße“ umzubenennen. Schließlich hatte sich Anton Acker ab 1919 große Verdienste um die Stadtentwicklung nicht nur in der nun nach ihm benannten Straße, sondern auch im Fasanengarten und um die Rudolstädter Straße erworben, war später sogar Bürgermeister und nahm sich 1933 das Leben, weil er nach der Machtergreifung der Nazis denunziert und aus dem Amt gedrängt worden war. Es war einerseits eine gute Entscheidung, eine Arnstädter Straße nach Acker zu benennen. Andererseits erinnert seitdem keine Straße in Arnstadt mehr an die Gräfin Katharina von Nassau, die einst so viel Gutes für die Stadt und ihre Menschen getan hatte.

Der Antrag zur Umbenennung wurde einstimmig angenommen. Nach der Behandlung des Tagesordnungspunktes vermerkt das Protokoll der Sitzung noch eine interessante Wortmeldung: „Bei dieser Gelegenheit bringt Herr Baumgarten vor, dass nunmehr die Umbenennung von Straßen abgeschlossen sein soll. Dies wird zum Antrag gestellt, womit alle einverstanden sind“. Damit hatten die Gemeindevertreter im November 1946 beschlossen, keine weiteren Straßenumbenennungen mehr vorzunehmen.

Leider hielten sie sich nicht daran.

Weg mit den Rittern! (aber nur ein bisschen)

Zu Beginn des Jahres 1950 deutete sich in einer Stadtratsdebatte um die Schriftstellerin Marlitt eine weitere Umbenennung an: Oberbürgermeister Steudner verkündete, dass er aus der Marlitt-Straße eine „Karl-Zink-Straße“ machen möchte, was aber zunächst folgenlos blieb.

Im Februar stellte dann das Kreisbüro der Jungen Pioniere den Antrag, die Ritterstraße in „Straße der Jungen Pioniere“ umzubenennen, weil „gerade durch die Ritter und Feudalherren unsagbares Leid über unser Volk gebracht wurde“. Der Vorschlag wurde einstimmig angenommen. Der Ritter an sich verschwand damit aber keineswegs aus Arnstadt: Der Ritterstein blieb als Felsen und als Gaststätte, das Hotel „Zum Ritter“ behielt seinen Namen und auch der Ritter auf dem Hopfenbrunnen blickte weiter hinab in die Zimmerstraße. Die Austreibung des Adels aus Arnstadt war eben eine schwierige Angelegenheit.

Aber die Gemeindevertreter blieben dran. In der Aussprache um die Ritterstraße hatte der SED-Stadtverordnete Hertel schon die Linie für die Zukunft vorgegeben: „Wenn wir die Abstellung eines Übels vornehmen, so muss die Durchführung weiterer folgen. Es muss schnellstens die Umbenennung der Gräfingasse und der Herzog-Hedan-Straße erfolgen“.

Kampf dem Adel! (aber nur ein bisschen)

Die Gelegenheit dazu ergab sich schon bald. Am 30. März 1950 erließ die DDR-Regierung eine „Verordnung zur Umbenennung nicht mehr tragbarer Benennung von Straßen, Wegen und Plätzen“. Danach sollten alle Straßen und Plätze bis 31. Juli 1950 einen neuen Namen bekommen, die „nach Personen, Orten oder anderen Begriffen benannt sind, die mit militärischen, faschistischen oder antidemokratischen Handlungen in Verbindung stehen“.

Eigentlich hätten sich die Arnstädter zurücklehnen können: Schon 1945 waren alle solchen Namen aus dem Stadtbild verschwunden, nicht nur die nationalsozialistischen, sondern auch die Militärs und Politiker aus dem alten Preußen. Aber wie Stadtrat Hertel im Februar bemerkt hatte, gab es da ja auch noch die Sache mit der Gräfin, dem Herzog und eben überhaupt mit dem Adel.

Also legte Arnstadts Oberbürgermeister Hermann Steudner alsbald eine Liste vor, welche Straßen noch umbenannt werden müssten:

Herzog-Hedan-Straße
Marlittstraße
Gräfingasse
Schlossbezirk (im Schlossgarten am heutigen Landratsamt)
Schlossplatz und
Fürstenberg (heutiger Weg zur Fasanerie)

Alle Straßen hatten mit Adelstiteln oder fürstlichen Behausungen zu tun – außer der Marlittstraße. Dass die Schriftstellerin Marlitt auf dem revolutionären Straßenindex gelandet war, hängt mit der sozialistischen Abneigung gegenüber ihren Werken zusammen. Kurz vorher hatte man schon ihr Denkmal in der Bahnhofstraße entfernt. 

Es ging bei der ganzen Aktion mehr um die Beseitigung plakativer blaublütiger Attribute als um die vollständige Tilgung der Erinnerung an Arnstadts adlige Vergangenheit.  Denn weder die Güntherstraße (benannt nach Graf Günther dem Streitbaren) noch die Karolinenstraße (sie erinnert an die wohltätige Fürstin Karoline) landeten auf der Vorschlagsliste des Oberbürgermeisters. Schon gar nicht die Karl-Marien-Straße, gewidmet der Silberhochzeit des Fürstenpaares Karl Günther I. und seiner Gemahlin Marie. Wo nicht Fürst, Herzog oder Graf draufstand, das war unverdächtig und durfte bleiben. Auch wenn Adel drin war.

Der Beschluss

Der Oberbürgermeister bat damals die Fraktionen um Vorschläge für neue Namen. Die ersten kamen von der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN). Danach sollte der Schlossplatz künftig an Jan Sverma erinnern, einen tschechischen Kommunisten und Nationalhelden. Für die Herzog-Hedan-Straße schlug der VVN den Namen der Widerstandskämpferin Liselotte Herrmann vor und der Fürstenberg sollte „Kowalski-Ring“ heißen, nach dem polnischen Kommunisten Edward Kowalski.

Die CDU-Fraktion schlug vor, den Schlossplatz in „Platz der Freiheit“ und den Fürstenberg in „Goerdeler-Ring“ umzubenennen. Abgesehen davon, dass beide Fraktionen nicht so recht wussten, wie ihre Protagonisten richtig geschrieben wurden, überrascht vor allem, dass beide aus dem Fürstenberg, einer ziemlich geraden Straße zwischen großem Wehr und Kirschallee, plötzlich einen „Ring“ machen wollten – wenn auch mit unterschiedlichen Namensgebern.

Zuletzt legte die SED ihre Vorschläge vor. Das Schreiben ist eine erweiterte Mischung der beiden ersten Varianten und zeugt von hochgradiger Unsicherheit der Genossen. Sie hatten sich zuerst für den „Kowalski-Ring“ entschieden und dann handschriftlich „Goerdelerdamm“ darübergekritzelt. Aus dem „Schlossbezirk“ wollten sie eigentlich „Am Landratsamt“ machen, bis ihnen auffiel, dass die Zeit der Landräte eigentlich vorbei war. Also wurde in „Am Kreisamt“ geändert. Außerdem wurden zwei neue Namen für die Gräfingasse und die Marlittstraße vorgeschlagen: Berggasse und Ricarda-Huch-Straße.

Wie es die SED vorschlug, kam es auch: Am 4. Oktober 1950 stimmte die Stadtverordnetenversammlung über die Änderungen ab. Hier der Protokollauszug:

Der Beschluss – mit reichlich Schreibfehlern und umbenannter Karolinenstraße.

Schon in diesem Protokoll wird deutlich, dass die neuen Namen arge Probleme mit der Schreibweise bargen. Im Nachnamen von Liselotte Herrmann fehlte das zweite „r“, Goerdeler wurde fälschlicherweise mit „ö“ geschrieben und aus Ricarda Huch wurde „Riccarda“.

Es deutete sich an: Das kann ja heiter werden.

Wurde es auch. Aber es wurde auch unübersichtlich. Aus den Akten geht nämlich nicht genau hervor, wie es weiterging. Es gibt – außer beim Goerdelerdamm – keine weitere dokumentierte Beschäftigung mit diesen Straßennamen im Hauptausschuss oder der Gemeindevertretung, aber trotzdem wurde der Beschluss vom 4. Oktober 1950 nicht vollständig umgesetzt und zum Teil auch wieder revidiert.

Wie ging es mit den einzelnen Straßen weiter?

Karolinenstraße

Bei der Karolinenstraße ist die Sache eindeutig: Es passierte einfach gar nichts.

Während der Gemeinderatsbeschluss noch den Eindruck erweckt, der Zusatzantrag auf Umbenennung der Karolinen- in Mitschurinstraße sei gemeinsam mit den anderen Änderungen gebilligt worden, tauchte dieser Umstand in der Presseveröffentlichung nach der Sitzung gar nicht mehr auf.  Die Karolinenstraße blieb  Karolinenstraße. Bis auf den heutigen Tag.

Presseveröffentlichung vom 5. 10. 1950 ohne Karolinenstraße. Alle Schreibfehler aus dem Protokoll wurden übernommen – und beim Jan-Sverma-Platz noch einer hinzugefügt.

 

Von Herzog über Herrmann zu Hedan

 Schwieriger ist die Faktenlage bei der Herzog-Hedan-Straße. Wurde sie jemals in Liselotte-Herrmann-Straße umbenannt? Zunächst offenbar nicht, denn im „Volk“ erschien im Februar 1952 ein erstaunlich kritischer Leserbrief von einem „Dr. R. F.“ mit dem Titel „Um die Hedanstraße“, der sich gegen die geplante Umbenennung wandte, „denn bei der Hedanstraße handelt es sich nicht um die Verherrlichung eines Feudalherren, sondern um eine Erinnerung an die frühe Geschichte Arnstadts und Thüringen überhaupt“. Der Leserbriefschreiber machte sogar einen praktischen Vorschlag: Man könne doch einfach den „Herzog“ streichen und es bei „Hedanstraße“ belassen.

Dass der Leserbrief in der SED-Zeitung damals abgedruckt wurde, könnte zu dem Schluss führen, man sei direkt dem Rat des Schreibers gefolgt, schließlich gab es in späteren Jahren der DDR die „Hedanstraße“. Aber es gibt Indizien, dass die Idee mit der „Liselotte-Herrmann-Straße“ doch eine Zeit lang in die Tat umgesetzt worden ist. Denn in einer Liste mit Straßen, die der örtliche Strom- und Gasversorger als Anzeige im „Volk“ im August 1952 veröffentlicht hat, taucht dieser Straßenname auf. Und in einer Ankündigung für eine Modenschau innerhalb der Dahlienschau im September 1952 wird die Mitwirkung der Damenschneiderin Ida Friedrich aufgeführt. Adresse: Arnstadt, L.-Herrmann-Straße 23.

Ankündigung Modenschau von 1952 – mit Liselotte-Herrmann-Straße.

Es gab sie also, die Liselotte-Herrmann-Straße in Arnstadt, wenn auch meist falsch geschrieben. Aber wohl nur für wenige Jahre. Schon ab 1954 findet sich in Adresseinträgen die „Hedanstraße“. Wann genau und warum es doch noch zu dieser an sich vernünftigen Abänderung des ursprünglichen Beschlusses kam, war nicht herauszufinden. Es gibt aus dieser Zeit leider keine Arnstädter Adressbücher oder amtliche Straßenverzeichnisse.

Nach der Wende bekam der Hedan auch seinen Titel wieder zurück. Es gibt sie wieder, die gute alte Herzog-Hedan-Straße.

Marlitt mit Zwischenspiel

 Ähnlich kompliziert ist die Quellenlage bei der Marlittstraße. Wurde sie überhaupt umbenannt? Schließlich hieß sie spätestens ab 1960 wieder „Marlittstraße“. Ist denkbar, dass es eine Rückbenennung gab? Und wenn ja, mit welcher Begründung? Ricarda Huch war eine antifaschistisch eingestellte Schriftstellerin und die Marlitt eine in der DDR misstrauisch beäugte Person. Aber dennoch muss es so gewesen sein, auch wenn in den Akten der Stadt darüber nichts verzeichnet ist.

Denn die Heimatforscherin Anneliese Wahl, die damals am Fuhrmannsweg wohnte, erinnert sich noch genau an das Straßenschild „Ricarda-Huch-Straße“ in den 50er Jahren. In einer Amtlichen Bekanntmachung der Stadt von Dezember 1953 ist die „Ricarda-Huch-Straße“ ebenso aufgeführt wie in einer offiziellen Wahlkreiseinteilung vom Mai 1957 und einer Bekanntmachung der Arnstädter Schuleinzugsbereiche aus dem gleichen Monat:

Registrierung von Schulanfängern 1957- mit der Ricarda-Huch-Straße.

In der Aufforderung zur Anmeldung von Schulanfängern vom April 1959 gibt es aber schon keine „Ricarda-Huch-Straße“ mehr, sondern wieder die „Marlittstraße“.

Die „Ricarda-Huch-Straße“ gab es also, sie ist aber zwischen 1957 und 1959 wieder zur „Marlittstraße“ geworden. Warum das geschah, darüber kann nur spekuliert werden. Ein Grund könnte die veränderte Sicht der DDR-Geschichtsschreibung auf Ricarda Huch gewesen sein. Sie war zwar eine ausgewiesene Antifaschistin, aber ihre Werke trugen auch konservative Züge. Und in der Nacht, nachdem sie 1947 als Ehrenpräsidentin beim Schriftstellerkongress in (Ost-)Berlin aufgetreten war, floh sie nach dem Westen. Andererseits hingen die Arnstädter an „ihrer“ Marlitt – und auch in den offiziellen Reden wurde sie nicht mehr pauschal verurteilt. So könnte in aller Stille die Umbenennung wieder rückgängig gemacht worden sein.

Vom Fürstenberg zum Weg zur Fasanerie

Die Umbenennung des „Fürstenbergs“ in „Goerdelerdamm“ wurde nach 1950 vergleichsweise problemlos vollzogen, allerdings hielt sie auch nicht sehr lange. Am 22. Juni 1962 beriet die Stadtverordnetenversammlung einen Antrag, in dem es hieß: „Auf Wunsch von verschiedenen Bürgern der Stadt Arnstadt (…) wurde der Vorschlag unterbreitet, den Gördeler Damm in Weg zur Fasanerie umzubenennen“. Es ist zwar nicht ersichtlich, wer diese „verschiedenen Bürger“ waren, aber wahrscheinlich saßen sie ziemlich weit oben in der DDR-Hierarchie. Denn Carl Goerdeler war zwar ein Antifaschist, der in Zusammenhang mit dem Hitler-Attentat 1944 hingerichtet worden war, aber der Oberbürgermeister von Leipzig gehörte klar dem bürgerlichen Lager an. Das passte nicht zur offiziellen DDR-Sicht, nach der hauptsächlich Kommunisten den Widerstand gegen die Nazis geprägt hatten.

Die neue Umbenennung verlief nicht ganz problemlos, weil die Reichsbahn Einspruch erhob. Ihre Blockstelle an der Gera hieß auch „Goerdelerdamm“ und eine schnelle Umbenennung sei nicht möglich, hieß es in dem Einspruch. Daraufhin beschlossen die Stadtverordneten, dass die Blockstelle auch weiter „Goerdelerdamm“ heißen darf, auch wenn es den nicht mehr gibt. Die Reichsbahn zog übrigens daraus Konsequenzen und koppelte den Namen der Blockstelle einfach vom Straßennamen ab. Sie hieß später „Lohmühle“ – bis zu ihrem Abriss vor einigen Jahren.

Ansonsten freundeten sich die Arnstädter recht schnell mit dem neuen Straßennamen an, der bis heute Bestand hat. Schließlich hat sich die Fasanerie seit ihrer Gründung 1956 zu einem beliebten Naherholungsziel entwickelt. Und dass der Weg dorthin nach dem Tierpark heißt, ist doch keine schlechte Idee gewesen. 

Der widerspenstige Schlossplatz

Vergleichsweise reibungslos lief die Umbenennung des Schlossplatzes in Jan-Sverma-Platz. Doch auch, wenn die Straßenschilder aufgestellt und der neue Name öffentlich bekannt gemacht wurde, er wollte sich nicht so recht durchsetzen. Alte Namen haben immer ein gewisses Beharrungsvermögen. So ist ein Zeugnis der damaligen EOS von 1972 erhalten, das einen Schulstempel mit der Adresse „Schloßplatz 2“ trägt. In den Telefonbüchern der DDR findet man für Museum und Schule mal die Adresse „Schlossplatz“, mal „Sverma-Platz“. Allerdings mit wechselnden Vornamen: mal französisch (Jean-Sverma-Platz), mal an den alten Turnvater erinnernd (Jahn-Sverma-Platz). Sverma war einfach zu unbekannt.

Als nach der Wende der Schlossplatz seinen alten Namen zurückbekam, wunderten sich deshalb viele in Arnstadt: Hatte er jemals anders geheißen?

Schlossbezirk – Am Kreisamt

Die wenigsten Arnstädter dürften wissen, wo die Straße „Schlossbezirk“ lag, die 1950 in „Am Kreisamt“ umbenannt wurde. Fragt man die bekannten Online-Kartendienste, dann ist es der Weg hinter dem Landratsamt vom Gärtnerhäuschen bis zum Fischtor. Dass er damals umbenannt wurde, dürfte auch kaum jemand mitbekommen haben, weil es laut Adressbuch von 1948 nur drei Anlieger gab. Auf jeden Fall hatten es die damaligen Gemeindevertreter nicht verinnerlicht. Denn nur wenige Monate nach dem Umbenennungs-Beschluss von 1950 diskutierte der Hauptausschuss im April 1951 schon wieder über Umbenennungen im Schlossgarten. Weil der Name des Gartens das böse Wort „Schloss“ enthielt, sollte er künftig anders heißen. „Park der Freundschaft“ hatte der Kulturausschuss vorgeschlagen, im Hauptausschuss einigte man sich dann lieber auf „Stadtpark“. Außerdem gab es Namensvorschläge für die zwei Hauptwege. Für den von der Straßburg-Kreuzung bis zur Theaterbrücke hatte man sich „Weg der deutsch-sowjetischen Freundschaft“ ausgedacht, für den vom heutigen Modell des Erfurter Tors bis zum Fischtor „Weg der deutsch-polnischen Freundschaft“. Dass man damit der gerade erst umbenannten Straße „Am Kreisamt“ schon wieder einen neuen Namen verpassen würde, fiel offenbar keinem auf. Irgendwie scheint die Sache mit den Hauptwegen aber im Sande des Schlossgartens verlaufen zu sein, ebenso wie die Idee, den Theaterplatz in den „Platz der Einheit und des Friedens“ zu verwandeln.

In der gleichen Sitzung des Hauptausschusses am 27. April 1951 wurde übrigens eine weitere Umbenennung behandelt: Der Kulturbund hatte vorgeschlagen, die Zimmerstraße zur „Johannes-R.-Becher-Straße“ zu machen. Dazu kam es ebenfalls nicht. Noch so eine missglückte Umbenennung.

Aber die Straße „Am Kreisamt“ gibt es heute noch, auch wenn sie keiner kennt.

Die vergessene Gräfingasse

Die beständigste Umbenennung des Jahres 1950 betraf eine schmale Gasse neben dem „Prinzenhof“ (der 1952 selbst „entadelt“ wurde und für die Restzeit der DDR „Haus Thomas Müntzer“ hieß). Aus der „Gräfingasse“ wurde die „Berggasse“ – und blieb es bis heute. Denn während viele andere Umbenennungen nach der Wende von einer Kommission untersucht und überwiegend rückgängig gemacht wurden, spielte die ehemalige Gräfingasse in dieser Kommission keine Rolle. Zeitzeugen, die damals dabei waren, berichten, sie sei einfach vergessen worden.

Fazit

Von den 1950 beschlossenen Änderungen von Straßennamen haben nur zwei bis heute Bestand, die Berggasse, weil ihre Rückbenennung vergessen wurde – und „Am Kreisamt“, weil die Straße kaum einer kennt. Die restlichen Umbenennungen hielten nur wenige Jahre oder wurden gar nicht erst umgesetzt. Die Gründe dafür mögen vielfältig sein, aber es lassen sich auf jeden Fall drei Lehren daraus ziehen:

Man meide Namen mit schwieriger Schreibweise. Man meide Personen, die niemand hier kennt. Und man beherzige den Rat, den „Dr. R. F.“ in seinem Leserbrief zur Hedanstraße den Stadtoberen schon 1952 erteilt hat: „Bei Umbenennungen von Straßennamen ziehe man in Zukunft mehr als bisher auch Geschichtskundige zu Rate!“

Anmerkung
Bei den Straßennamen wurden die in den Quellen gefundenen Schreibweisen verwendet. So finden sich in den Dokumenten sowohl die Bezeichnungen „Schloßplatz“ und „Schloßbezirk“ als auch „Schlossplatz“ und „Schlossbezirk“. Offizielle Bezeichnung war und ist bis heute „Schloßplatz“ (trotz Rechtschreibreform). 

Danksagung 
Ich möchte mich herzlich bei Gudrun Baer, Andrea Kirchschlager und Anneliese Wahl für die Unterstützung bedanken. Mein besonderer Dank gilt Manfred Biester, der mir großzügig sein Archiv öffnete und wichtige Hinweise für die Recherche gegeben hat.

3 Gedanken zu „Missglückte Straßenumbenennungen“

  1. Hallo,zum Thema Straßenumbenennungen.Ich wuchs in der Ernst-Thälmann Straße auf auch unweit der benannten Herzog Hedan Strasse.Umso erstaunter war ich als nach der Wende ein Herr Willibrordzugange war ein angelsächsischer Missionar, der das Kloster Echternach gründete. Oftmals wird er als „Apostel der Friesen“ bezeichnet. Was hat das mit Arnstadt zutun,ich weiß das im norddeutschen Raum er durchaus bekannt ist.

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