Ein Jahr Harald Schmidt öffentlich-rechtlich: Alte Männer kommen nicht mehr pünktlich und jeden Tag
Heute vor einem Jahr ging Harald Schmidt erstmals wieder in der ARD auf Sendung, damals bärtig und langhaarig nach einer Weltreise. Mittlerweile ist der Bart aber längst ab.
Angela war bei Bush und Putin, die Vogelgrippe ist in Europa und der BND im Irak. Und das alles ohne Kommentar von Harald Schmidt. Wäre das früher vorstellbar gewesen? Natürlich. Auch bei Sat.1 gab es weihnachtliche Kreativpausen für das lästerliche Unterbewusstsein der Nation. Aber wenn Schmidt dann kam, kam er wenigstens öfter.
Vielleicht ist das eben so bei Männern, wenn sie in die Jahre kommen. Und bei solchen Sendungen auch. Denn so richtig anders als früher ist das alles nicht. Herr Andrack redet weniger, Zerlett heißt jetzt Nathalie und schweigt optisch auffälliger. Aber es sind wieder Gäste da, auch die kleinen Viva-Schlampen, wie sie der Meister gern nennt. Die Mittelklasse aus dem Unterschichtenfernsehen darf ihre neueste CD vorstellen und sogar die Werbepause hat überlebt. Wenn es etwas wirklich Neues gab in diesem einen Jahr, dann die Ungewissheit, wann der Meister eigentlich kommt. Nicht selten kam zum angeblichen Sendebeginn das Gesabber zweier Fußballegomanen über drittklassige Pokalspiele oder die vierte Zeitlupeneinstellung aus dem Qualifikationsspiel Andorra/Uganda. Die Schmidt-Show folgte dann nachts nach eins. Man konnte zwar auf allen dritten Programmen später die Wiederholungen angucken, aber eine wiederholte Schmidt-Show ist noch abgestandener als Delling und Netzer live.
Gelegentlich mischte sich der Meister nach angeblich wichtigen Spielen selbst in die Fußball-Welt ein. Während Andrack in solchen Sendungen noch irgendwie glaubhaft erscheint, wirkt Harald Schmidt dabei wie das personifizierte Product-Placement. Da die ARD für die Fußball-WM bereits Ausuferungen dieser Verirrung angekündigt hat, dürfte es ein schlimmes Jahr für jene werden, die Harald lieber über Viva-Schlampen reden hören.
Der ARD scheint das alles zu gefallen. Man sieht förmlich die alternde Riege schenkelklopfender Programmmacher aus den Kulissen grinsen: Jetzt haben WIR ihn. Sie gaben dafür ihr Bestes: jede Menge Fernsehgebühren für den derzeit Unersetzlichen. Es schleicht sich jedenfalls mehr als früher so ein Gefühl ein, Schmidt könne das alles vielleicht doch nur des Geldes wegen machen.
Der gemeine Fan hingegen ist bescheiden geworden in diesem öffentlich-rechtlichen Jahr. Er fiebert nicht mehr Kommentaren des Meisters zu diesem oder jenem Ereignis entgegen, denn die meisten Ereignisse ereignen sich an Tagen ohne Sendetermin. Er freut sich nicht mehr auf jede Show, sondern ist schon glücklich, wenn sie überhaupt pünktlich kommt. Man könnte an dem Mann verzweifeln. Wenn er manchmal, so er dann doch kommt, nicht so verdammt gut wäre.