Als ich kürzlich einen Beitrag über die Zunahme des Verkehrs auf der Autobahn A 71 schreiben wollte, erinnerte ich mich an einem Freitagabend im Dezember 1998, als ich dort ganz allein unterwegs war. Die Freigabe des ersten Teilstücks dieser neuen Trasse sollte erst am Sonnabend am Vormittag erfolgen. Aber ich wollte es unbedingt vorher schon ausprobieren: Auf einer Autobahn von Erfurt nach Arnstadt, das war schon eine kleine Sensation. Und so habe ich eben in Bindersleben die Sperren ignoriert und bin über das Erfurter Kreuz nach Arnstadt Nord gefahren. Niemand außer mir war sonst auf der Piste.
Dass es ein Freitag war, weiß ich deshalb noch so genau, weil am nächsten Tag ein SPD-Landesparteitag in Günthersleben-Wechmar stattfand, von dem ich berichten durfte. Danach fuhr ich noch ein Stück über die nun offene Autobahn, obwohl es ein Umweg war. Aber wie lautete das Datum?
Eine ganze Zeit lang war die Autobahn nur bis zur provisorischen Anschlusstelle Traßdorf zu benutzen. Nach drei Jahren kam zwar das Stück bis nach Ilmenau hinzu, aber es dauerte noch bis 2005, ehe man wirklich von Erfurt nach Schweinfurt durchfahren konnte – und damit der Anschluss im Norden und Süden an eine andere Autobahn gegeben war. Wann das genau passiert ist, ich weiß es nicht mehr. Nicht das Datum, nicht den Wochentag. Und die Uhrzeit oder die Namen der banddurchschneidenden Politiker schon gar nicht.
Dazwischen gab es die Sache mit dem Rennsteigtunnel, den man durchlaufen konnte, ehe er frei gegeben wurde. Es war ein Volksfest, dem auch ich damals für mich das Attribut „unvergesslich“ anheftete. Wann das war? Ich habe es vergessen.
Solche Daten findet man auch bei Wikipedia nicht oder auf den vielen Seiten, die den Autobahnbau am Anfang dokumentiert haben. Da stehen Jahreszahlen, manchmal noch Monate. Aber Datumsangaben? Es scheint, als wäre es mit solchen Dingen wie mit Weihnachten: Vorher fiebert man den Geschenken entgegen, aber wenn sie da sind, werden sie unwichtig. Normal eben. Deshalb war es eine kluge Entscheidung, Weihnachten auf den 24. Dezember zu legen. Da kann man wenigstens das Geschenk-Datum nicht vergessen.
Ich habe überlegt, ob man die Eröffnungstermine der einzelnen Bauabschnitte der A 71 dokumentieren sollte. Ganz akribisch, mit Uhrzeit und Teilnehmern. Man müsste ja nur mal richtig rumfragen und recherchieren, so lange ist das ja noch nicht her. Aber dann bin ich von dem Gedanken doch wieder abgekommen: Wahrscheinlich interessiert es einfach keinen mehr. Ich will ja auch nicht wissen, an welchem Wochentag die Eisenbahnstrecke Arnstadt-Ilmenau eingeweiht wurde. Hauptsache die Brücke bei Angelroda trägt sie noch.
Wir erinnern uns an den 11. September und den 9. November. Aber was werden unsere Kinder später noch mit diesen Daten verbinden oder deren Kinder? Und es gibt so viele Ereignisse, von denen wir glaubten, sie würden sich fest ins Gedächtnis einbrennen. Manchen ist es gelungen. Aber von den meisten blieb nur ein Gefühl, wie es uns damals ergangen ist. Und wahrscheinlich ist das auch das Wichtigste: etwas zu verarbeiten, um es für immer zu behalten.
Übrigens war ich an diesem Freitagabend im Dezember 1998 auf der A 71 dann doch nicht so ganz allein. Zwei Polizeiautos mit Blaulicht leisteten mir hinter dem Erfurter Kreuz Gesellschaft, schließlich war die Trasse noch gar nicht freigegeben. Und so endete meine erste Fahrt auf dieser Autobahn mit einer Polizei-Eskorte an der Abfahrt Arnstadt-Nord. Ohne Bußgeld übrigens. Es war eben wirklich eine besondere Fahrt.
Und ich werde sie bestimmt nie vergessen.