Es ist schon einige Jahre her, als das Abschleppen am Einkaufsmarkt in der Turnvater-Jahn-Straße in Arnstadt die Gemüter erregte. Zwar wurden nur unberechtigt abgestellte Autos abgeschleppt, aber zu horrenden Preisen: Um die 300 Euro sollten die Besitzer zahlen, bevor sie ihr Auto wiedersehen durften. Die juristische Aufarbeitung des Falles hat jetzt das Landgericht München I erreicht. Doch es geht wohl noch weiter.
„Der Angeklagte Joachim Klaus G. wurde vom Tatvorwurf der Erpressung, der versuchten Erpressung und der Beleidigung freigesprochen.“ So hat das Landgericht München I am 12. August entschieden, man kann es in einer Pressemitteilung nachlesen. Doch was hat das mit Arnstadt zu tun?
Arnstadt ist einer der Orte, an denen G.’s Firma „Parkräume KG“ in größerem Abstand tätig war, am Einkaufszentrum in der Turnvater-Jahn-Straße. Dieses Einkaufszentrum ist eine der wenigen Einrichtungen, die wirklich Kunden in die Innenstadt ziehen – und davon profitieren auch die anderen Händler. Das Parkplatzangebot würde wahrscheinlich reichen, wenn dort wirklich nur die Kunden für einen Einkauf parken würden. Aber da die Nutzung zwar zeitlich begrenzt, aber kostenlos ist (im Gegensatz zu anderen Stellflächen in der Nähe), stehen immer wieder mal Langzeitparker dort – und wer nur einkaufen will, findet oft keine Parklücke.
Deshalb machten die Verantwortlichen von ihrem Hausrecht Gebrauch und beauftragten eine Firma, die Falschparker abzuschleppen. „Parkräume KG“ mit Sitz in München ist auf solche Aktionen spezialisiert und führt sie im gesamten Bundesgebiet durch. Zum ersten Mal lernten die Arnstädter diese Firma 2008 kennen, darunter war auch ein prominentes Opfer: Der Beigeordnete Ulrich Böttcher wollte am Wochenende zu einer Festveranstaltung und hatte sein Auto auf dem Parkplatz vor dem Einkaufszentrum geparkt. Als er zurück kam, war die Schranke zu. So ging es auch einigen anderen. Denn am Sonntag ist dort Parken verboten. Wer sein Auto wiederhaben wollte, musste vorher um die 300 Euro bezahlen. Sonst erfuhr er gar nicht, wo es stand.
Die Sache schlug damals ziemliche Wellen in der Stadt, aber wie das so ist, mit der Zeit vergisst man sowas wieder. Und es wurde weiter wild geparkt. Bis dann 2011 die „Parkräume KG“ wieder in Aktion trat. Und wieder wurde es für eine Reihe von Arnstädtern sehr teuer.
Nicht nur in Arnstadt hatte man Kontakt mit den Kollegen von der Münchner Firma „Parkräume“. Die Weimarer erwischte es 2013, in auch in vielen anderen Städten wuchs der Unmut gegen die teure Abschlepp-Masche. Ein „Parkräume Watch Blog“ beschäftigt sich damit – und seit einigen Jahren auch die Justiz. Die Anzeigen von empörten Abschlepp-Opfern aus Thüringen landeten zunächst bei der Staatsanwaltschaft Erfurt. Da aber in vielen Bundesländern Anzeigen eintrafen, entschloss man sich bundesweit, die Verfahren in München zu bündeln – am Sitz der Firma „Parkräume“.
Dort wurden nun am „Landgericht München I“ insgesamt 29 Fälle verhandelt. Es ging hauptsächlich um den Vorwurf der Erpressung, 14 mal trat das Gericht zusammen und hörte über 100 Zeugen an. Das Gericht konnte keine Fälle finden, bei denen ordnungsgemäß abgestellte Autos abgeschleppt worden waren. Und zu den hohen Gebühren heißt es in der Presseerklärung:
„Maßgeblich für das Strafverfahren sei hier vielmehr gewesen, ob dem Angeklagten nachgewiesen werden könne, vorsätzlich einen so überhöhten Betrag verlangt zu haben, dass die Schwelle der Strafbarkeit überschritten sei. Dies habe sich aus der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung der Kammer ergeben, zumal der Angeklagte hinsichtlich der Zulässigkeit seines Geschäftsmodells von mehreren Anwälten rechtlich beraten worden sei.“
Also Freispruch.
Aber das war es noch nicht. Die Staatsanwaltschaft hat Revision angekündigt, also landet der Fall wohl vor dem Bundesgerichtshof. Und der bekannte Anwalt und Blogger Udo Vetter sieht den Fall längst nicht so einfach wie das Landgericht München I.
Was bedeutet das nun für die Arnstädter?
Ich würde künftig noch genauer nachschauen, ob die Parkuhr wirklich im Auto liegt, wenn ich in der Turnvater-Jahn-Straße vor dem Einkaufszentrum parke. Denn zum einen sind schon wieder einige Jahre ins Land gegangen, seit dort abgeschleppt wurde. Es wäre mal wieder so weit. Und die Firma dürfte durch dieses Urteil in ihrem Geschäftsmodell bestärkt worden sein.
Und außerdem sind die Wege in Arnstadt nicht so lang und die Parkgebühren nicht so hoch. Für 300 Euro (die Abschleppkosten) kann man auf dem Wollmarkt ein ganzes Jahr stehen. Am Wochenende sogar kostenlos.
Und vielleicht findet man zum Einkaufen in der Turnvater-Jahn-Straße dann auch öfter einen Parkplatz, ohne drei mal eine Ehrenrunde drehen zu müssen.