Am 24. Januar müssen die Arnstädter entscheiden, ob Bürgermeister Alexander Dill abgewählt wird oder nicht. Weil diese Frage derzeit ziemlich heftig und teilweise auch unsachlich diskutiert wird, möchte ich aus meiner Sicht versuchen, einige Argumente in Ruhe näher zu beleuchten. Anspruch auf Vollständigkeit oder Objektivität wird natürlich nicht erhoben, das wäre vermessen. Und seine Meinung muss sich ohnehin jeder selber bilden.
Um sich dem Thema zu nähern, ist es wohl am zweckmäßigsten, sich mit dem im Stadtrat verabschiedeten Abwahlantrag zu beschäftigen. Und der beginnt so:
Ich finde das rührend. Der Bürgermeister soll abgewählt werden, weil „wesentliche Inhalte seiner Wahlaussagen …. keine Umsetzung fand(en)“. Wünschen wir uns das nicht alle ein bisschen, dass jeder Politiker, der seine Wahlversprechen nicht einhält, sein Amt verliert? Wenn man heute in das Wahlprogramm von Alexander Dill schaut (ich habe es nur noch auf den Seiten seiner Kritiker bei „Arnstadt – wohin“ gefunden), dann liest man tatsächlich vieles, das sich hübsch anhört, aber bisher nix geworden ist. Er und seine Leute haben sich das damals etwas einfacher vorgestellt. Wenn das ein Grund für eine Abwahl wäre, hätten wir wohl schon bald keine Politiker mehr. Oder nur noch solche, die lediglich aalglatte und nichtssagende Formulierungen absondern.
Zum Kern kommt der Abwahlantrag im nächsten Absatz:
Dazu muss man etwas weiter ausholen.
Arnstadt müsste es eigentlich gut gehen, die Stadt hat höhere Steuereinnahmen als viele andere vergleichbare Gemeinden. Dass es trotzdem immer wieder finanzielle Probleme gibt, liegt sowohl an zu hohen Ausgaben wie auch in stark schwankenden Einnahmen, zum Beispiel der Gewerbesteuer. Das hat schon lange vor der Amtszeit des aktuellen Bürgermeisters immer wieder zu brenzligen Situationen im Stadthaushalt und Debatten über notwendige Einsparungen geführt. Eine wirkliche Strategie zur Lösung des Problems wurde aber nie entwickelt. Ziel muss es sein, die Ausgaben so zu senken, dass Schwankungen bei den Einnahmen nicht mehr den Haushalt gefährden. Fließt dann doch mehr Geld als erhofft (was in den vergangenen Jahren immer mal der Fall war), kann man es ausgeben. Aber nur dann.
Weil es ein solches langfristiges Konzept nie gab, drohen in schwächeren Einnahmejahren kurzfristige schmerzhafte Einschnitte, wenn man Pech hat, sogar die Zwangsverwaltung. Das ist völlig unabhängig vom amtierenden Bürgermeister oder dem Stadtrat. Diese Situation würde sich auch nicht verändern, wenn ein anderer Bürgermeister ins Rathaus einzöge.
Alexander Dill hat die Notwendigkeit des Sparens schon bald nach Amtsantritt und seitdem immer wieder thematisiert. Aber er hat zwar zum Sparen aufgerufen, aber kein schlüssiges Gesamtkonzept zur Lösung des Problems vorgelegt. Es gibt kein funktionierendes Frühwarnsystem für mögliche Steuerausfälle durch guten Kontakt zu den steuerzahlenden Firmen und es gibt auch keine öffentlich bekannten Versuche, Firmen dazu zu bringen, in Arnstadt Steuern zu zahlen und nicht woanders. Ein positives Bespiel dafür kann man gerade im Nachbarort Ichtershausen besichtigen: Dort plant die Firma Born-Senf eine Investition am Erfurter Kreuz und möchte, dass eine Straße nach der Firma benannt wird. Die Gemeinde ist nicht abgeneigt, will dazu aber einen Vertrag mit der Firma schließen und dabei auch über Steuern reden. So stand es jedenfalls in der Zeitung.
In Arnstadt hat man hingegen den Eindruck, dass Finanzpolitik im Rathaus zwar einen hohen Stellenwert besitzt, aber ziemlich chaotisch betrieben wird. Ziemlich oft muss der Bürgermeister zugeben, von irgendwelchen Veränderungen bei den Einnahmen überrascht worden zu sein. Und zu oft kommt es vor, dass die Verwaltung ihre eigenen Zahlen korrigieren muss oder sich Kämmerer und Bürgermeister in ihren Aussagen widersprechen. Da ist noch reichlich Luft nach oben. Nicht erst unter Alexander Dill.
Noch kurz zu der Tatsache, dass der Bürgermeister seit Jahren auf das Instrument der „Vorläufigen Haushaltsführung“ setzt:
Ich halte das für einen großen Fehler. Offiziell rechtfertigt das Alexander Dill mit der Tatsache, dass er wegen der Finanzlücken keinen ausgeglichenen Haushalt hinbekommt, aber er hat damit einen Trick ausgegraben, um ohne den ungeliebten Stadtrat Finanzpolitik zu betreiben. Das hört sich zwar schlau an, ist aber keine Dauerlösung und beraubt die Stadt jeglicher finanzieller Spielräume. Und es führt zu schlechter Stimmung, weil nicht einmal Vereine und Ortsteile ihre ohnehin mickrigen Zuschüsse bekommen.
Doch weiter im Text des Abwahlantrags:
Es gibt nur wenige Bereiche, in denen eine Kommune überhaupt finanzielle Spielräume hat. Das sind die so genannten „freiwilligen Leistungen“, unter die zum Beispiel alles fällt, was mit Kultur zu tun hat. Natürlich kann auch am Personal gespart werden, aber das geht meist nur langfristig. Deshalb hat der externe Haushaltssanierer Brodbeck in seiner Liste auch überwiegend kulturelle und soziale Kürzungen aufgenommen. Das ist zwar bitter, aber was besseres ist ihm eben nicht eingefallen. Das einzige Gegenmittel: Gar nicht erst so weit kommen lassen. Die gegenwärtige (für manche) unerwartet verbesserte Finanzlage der Stadt gibt die Möglichkeit, vielleicht doch gemeinsam über Trägerschaften und Strukturen von Tierpark oder Theater nachzudenken und Varianten zu entwickeln, sie sparsam weiterzubetreiben. Aber wenn man das JETZT nicht tut, ist vielleicht nächstes Jahr oder spätestens übernächstes Jahr endgültig Sense. Man hätte damit schon viel früher anfangen müssen, so wie bei der Stadtmarketing GmbH. Dann hätte man vielleicht deren Abwicklung aus Kostengründen verhindern können.
Und was die durch die Lappen gegangenen Landesfördermittel angeht: Um Fördermittel zu bekommen, muss man (meistens) einen Eigenanteil leisten. Und wenn man keinen Haushalt hat, kann man den eben nicht bezahlen.
Bei den „wesentlichen Investitionsvorhaben“, die Dill gestoppt hat, geht es vor allem um das Wohngebiet „An der Weiße“. Meine Meinung dazu habe ich schon früher hier aufgeschrieben. Ich halte es für legitim, das ein Bürgermeister ein Bauvorhaben auf Sinnhaftigkeit und Effizienz überprüfen lässt, zumal es eines ist, dass das Stadtbild entscheiden mitprägen soll, Was mir allerdings nicht in die Rübe will: Auch dieser Beitrag ist nun schon wieder fast ein Jahr alt – und die interessierte Öffentlichkeit wartet noch immer auf die Ergebnisse der Gutachten und ein schlüssiges Gegenkonzept des Bürgermeisters zu den Plänen der WBG. Falls er eines hat.
Weiter im Abwahl-Text:
Kommunikation gehört zweifelsohne nicht zu den Stärken des amtierenden Bürgermeisters. Obwohl er sich deutlich öfter als sein Vorgänger bei öffentlichen Festen zeigt und auch das Gespräch mit den Bürgern pflegt, wirkt er in seiner Amtsführung oft verschlossen und findet vor allem keinen Weg, zu einer sachlichen Zusammenarbeit mit dem Stadtrat zu kommen.
Was die Beliebtheit bei den Beschäftigten betrifft, da hört man dies und das. Einige finden, er mache seine Sache durchaus passabel und habe begonnen, mit dem Filz im Rathaus aufzuräumen, andere erzählen von jähzornigen Ausfällen und schlechtem Betriebsklima. Ich will mir da kein Urteil anmaßen. Dass die Leistungsfähigkeit der Verwaltung nicht gewährleistet sei, wage ich zu bezweifeln.
Nächster Abwahl-Punkt:
Die Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden ist sicher verbesserungswürdig, aber ob Arnstadt isoliert ist, weiß ich nicht. Sicher muss man jetzt hinter den Kulissen möglichst viele Gespräche führen, um auf die Gebietsreform vorbereitet zu sein. Das betrifft aber nicht nur den Bürgermeister, sondern vor allem die Arnstädter Landtagsabgeordneten.
Im zweiten Absatz wird der eigentliche Anstoß für das Abwahlverfahren deutlich: Die Stadtratsmehrheit fühlt sich vom Bürgermeister gemobbt und nicht ernst genommen. Das stimmt irgendwie und beruht auf Gegenseitigkeit. Ein Grund für die Abwahl des Bürgermeisters ist es für mich nicht. Denn mit dem alten Stadtrat und einem neuen Bürgermeister könnte uns dasselbe passieren.
Was nicht im Abwahlantrag steht
Soweit der Abwahl-Antrag. Aber man sollte zumindest noch einige Sätze dazu verlieren, was Alexander Dill auf die Reihe oder auf den Weg gebracht hat.
Ich denke, er hat mit der Besetzung der Direktorenstelle im Museum ein gutes Händchen bewiesen. Mit dem Spittel ist es in den vergangenen Jahren gut vorangekommen, die drei Sorgenkinder auf dem Ried (die alten Häuser Nr. 2, 7 und 9) sind offenbar in guten Händen, was lange Zeit niemand mehr für möglich hielt. Dass Sparen nicht immer Kahlschlag bedeuten muss, hat Dill beim Umbau der Bibliothek und schließlich beim Weihnachtsmarkt bewiesen: Der jüngste auf dem Neideck-Gelände war aus meiner Sicht der beste, den Arnstadt je hatte.
Update 6. 1. 15
Ich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Teil (die Erfolge des Bürgermeisters) einerseits unvollständig sei (so fehlt zB. die Auflösung des Obdachlosenheims mit der Resozialisierung vieler Bewohner), andererseits von mir aufgezählte Erfolge gar nicht direkt auf den Bürgermeister zurückgehen. Ich nehme diese Kritik gern an. Mir war nur wichtig, nicht einseitig nur Misserfolge oder fehlende Entscheidungen aufzulisten, wie das andere tun, sondern auch die Erfolge zu beleuchten. Ich möchte, dass die Arnstädter abwägen, wenn sie über die Abwahl entscheiden. Vielleicht kann man diese Debatte ja hier in den Kommentaren oder auf Facebook weiterführen.
Mein Fazit
Alexander Dill ist kein perfekter Bürgermeister. Er macht nicht nur typische Anfänger-Fehler, sondern manchmal steht ihm auch sein Charakter bei der Amtsführung im Weg. Er muss offener werden, kommunikativer – und diplomatischer. Aber ich finde, dass er eine volle Amtszeit Zeit haben sollte, aus seinen Fehlern zu lernen.
Ein „Weiter so“ darf es aber trotzdem nicht geben. Denn das ewige Gegeneinander zwischen Stadtratsmehrheit und Bürgermeister schadet der Stadt. Nur wenn die gegenseitigen Schuldzuweisungen aufhören und man sich endlich zusammenrauft, kann die Stadt ihre Probleme lösen – vor allen die finanziellen. Das sollte sich der Bürgermeister hinter die Ohren schreiben. Und die 21 Stadträte, die den Abwahlantrag unterschrieben haben, auch.
Kann man alles unterschreiben….sachlich, kompetent, versöhnlich. Genau das sollte das Motto sein : Schluss mit den gegenseitigen Schuldzuweisungen und zu einem vernünftigen „Hand in Hand“ übergehen. Auch im Interesse des Ansehens von Arnstadt nach außen sollte man in den Fraktionen des Stadtrates auch denen, die ständig Öl ins Feuer gießen, ihren Eimer aus der Hand reißen. Sie schaden damit vielleicht auch dem Ansehen ihrer Fraktion und bewegen mit ihrer „Ichweißwashaltung“ eh nichts. Ich meine damit auch die massenhaften „Roten Karten für Dill“. Das Geld für diese Aktion hätte mancher Einrichtung als Spende gut getan.
Sehr geehrter Herr Pfeiffer, nur eine Anmerkung: Mit der Besetzung der Direktorenstelle im Schlossmuseum hatte Herr Dill nichts zu tun. Die Auswahl durfte ich als ehemaliger Werkleiter begleiten, der Beschluss zur Besetzung erfolgte im Werkausschuss des Kulturbetriebes.
MfG Christoph Gösel
Hallo Herr Pfeiffer, auch wenn ich Ihr Fazit nicht teile, finde ich Ihrem Beitrag als wohltuend in der laufenden Abwahldebatte. Sie haben gut beobachtet und ausgewogen bewertet. Anerkennung.
Ich gestehe, als ich gefragt wurde, ob ich den Abwahlantrag unterstütze, bin ich davon ausgegangen, dass der Bürgermeister endlich das Signal erkennt und auf den Stadtrat zugeht. Dies hätte den Bürgerentscheid erübrigt. Zwischen den beiden Abstimmungen im Stadtrat lagen sechs Wochen. In dieser Zeit kein Signal vom Bürgermeister. Im Gegenteil, der hat an seinem Politikstiel festgehalten. 2012 bis 2014 hat die Stadt Überschüsse erzielt. Auch 2015 wäre ein Haushalt möglich gewesen, klar mit einigen Risiken. Arnstadt muss den Haushalt konsolidieren. DIE LINKE hat hierzu bereits 2014 zwölf Vorschläge zur Stabilisierung der Einnahmen unterbreitet. Vom Bürgermeister kam nur Verachtung. Jetzt hat DIE LINKE 34 Konsolidierungsmaßnahmen zur Diskussion gestellt. Drei hat der Bürgermeister aufgegriffen. Den Rest drückt er in die Tonne. Der Stadtrat ist nicht so zerstritten. Seit 2012 gibt es klare Mehrheiten und das ohne Zutun des Bürgermeisters. Doch Mehrheiten zu finden, ist eine zentrale Bürgermeisteraufgabe. Besteht die Chance, dass Alexander Dill seinen Politikstiel ändert? Ich habe diese Hoffnung aufgegeben und deshalb werbe ich für seine Abwahl.
Frank Kuschel