Die Nachkriegsgeschichte der Arnstädter Bands begann im Jahr 1953. Damals brachten einige Oberschüler und ein rühriger Lehrer unter dem Namen „Caballeros Mexicanos“ den Jazz in die ostdeutsche Provinz. Einige der Musiker von damals sind noch heute aktiv.
1953 gab es in Arnstadt noch Lebensmittelkarten und viel zu wenig Wohnungen, hinter dem Friedrich-Ebert-Platz wurden gerade die ersten Neubaublöcke errichtet. Und in der Erweiterten Oberschule am Schlossplatz fanden sich einige 16-Jährige zusammen, die gern zusammen Musik machen wollten. Gerd Walther konnte Klavier spielen und ein wenig Blockflöte, Gerd Kahl spielte ebenfalls Klavier. Günther Hundertmarck versuchte sich auf Akkordeon und Trompete und Jochen Waldmann am Bass. Ihre Leidenschaft fürs Musizieren teilten sie mit dem jungen Lehrer Frithjof Thiele. Der hatte aus der französischen Kriegsgefangenschaft nicht nur die Liebe zum Jazz mitgebracht, sondern auch noch jede Menge Schallplatten. So saßen die Jungs so manchen Abend bei ihrem Lehrer und ließen sich anstecken. Der Jazz war in Arnstadt angekommen.
„Wir haben an den Kurzwellensendern wie AFN oder Radio Luxemburg gehangen und uns gegenseitig angestachelt“, erzählt Gerd Walther. Aufzeichnungsmöglichkeiten wie Tonbandgeräte gab es noch nicht, also mussten sie das Gehörte sofort in Noten umsetzen, um es selbst spielen zu können. Der Lehrer Frithjof Thiele war nicht nur Spiritus Rector der Band, sondern konnte auch Schlagzeug und Klavier spielen. Damit war die Besetzung komplett. Woran es noch mangelte, waren ein Name und eigene Instrumente. Frithjof Thiele fand, die Band könne doch „Caballeros Mexicanos“ heißen, was soviel wie „mexikanische Ritter“ bedeutet. Das hatte zwar mit Swing und Rock ’n‘ Roll kaum etwas zu tun, aber das Kind hatte einen Namen. Und der klang nicht englisch, was damals von gewisser Bedeutung war.
Die Sache mit den Instrumenten lösten sie mit Unterstützung des Vaters von Jochen Waldmann. Der war Direktor des Arnstädter Milchhofs und konnte Instrumente besorgen. Unter anderem auch ein Tenorsaxofon, das zwar noch niemand spielen konnte, das aber oft bei der Musik vorkam, die sie machen wollten. So brachte sich Gerd Walther eben auf einem geborgten Instrument selbst das Saxofonspielen bei. „Ich hatte eigentlich fast mein ganzes Musikerleben lang nur geborgte Saxofone“, sagt er heute. Das erste eigene Instrument kaufte er sich nach der Wende.
Zum ersten Mal sind die „Caballeros Mexicanos“ zum „Penneball“ aufgetreten, so hießen damals die offiziellen Schulfeste. Aber auch bei den Ernteeinsätzen der Schüler in den benachbarten Dörfern 1954/55 spielte die Band. Sülzenbrücken war eine der Hochburgen der „Caballeros Mexicanos“. Bei einem Auftritt lernte Gerd Walther übrigens die Frau kennen, mit der er bis heute verheiratet ist.
Geprobt wurde in der Aula der Oberschule am Schlossplatz, bis die Schüler die „Penne“ verließen. Dann suchten sie sich eine neue Probenmöglichkeit im Jugendklubhaus in der Karolinenstraße. Dort wurde nicht nur geübt, sondern danach auch zusammen Bier getrunken. „Die Atmosphäre war richtig schön dort, unvergesslich“, sagt Gerd Walther.
Die Besetzung wechselte, einige gingen nach dem Abitur aus Arnstadt weg, Ulli Schmidt, Manfred Seeber und Hans-Jürgen Starke, der später durch seine Karikaturen bekannt wurde, kamen in die Band. Und es war die Zeit des Rock ’n’ Roll von Elvis Presley, Bill Haley und anderen. Auch diese Entwicklung fand Eingang ins Repertoire. Die neuen Titel kamen bei den Fans im Chema-Klubhaus oder in der Karolinenstraße an und steigerten die Popularität der Band noch weiter.
Getanzt wurde schon damals nicht nur am Abend, sondern es gab auch den beliebten „Tanztee“ am Sonntag um 15 Uhr für das etwas jüngere Publikum. Etwa ab 1956 nannte die Band sich „Arnstädter Tanzrhythmiker“.
Gerd Walther ging 1958 zum Studium, die Band löste sich auf. Als er 1961 wiederkam, stieß er zu einer anderen Formation, die er schon aus seiner Schulzeit kannte: die „Arnstädter Teddys“. Damals spielten Musiker wie Klaus Orlovius, Georg Richtsfeld, Harald Wahl und Rudolf Richter in dieser Band, auch Herbert Dietze war gelegentlich dabei. Nach und nach verließen die alten Mitglieder die Band, dafür kamen bis 1962 Freunde aus früheren Zeiten zu den Arnstädter Teddys. Mit Günther Hundertmarck, Hans-Jürgen Starke, Ulli Schmidt, Arnd Effenberger, Gerd Kahl, und Gerd Walther bildete sich eine Stammbesetzung, die über Jahre außerordentlich erfolgreich war.
Die „Arnstädter Teddys“ wurden Sieger im Bezirksausscheid Erfurt der Laientanzkapellen und erreichten als erste Arnstädter Tanzkapelle eine Einstufung in der Sonderklasse sowie beim DDR-Ausscheid der Tanzkapellen 1962 das Prädikat „Sehr gut“. Der Lohn waren zahlreiche Rundfunkaufnahmen, eine Band aus Arnstadt war plötzlich bei Radio DDR zu hören. Damit hatten die „Arnstädter Teddys“ Maßstäbe für die Musikentwicklung der Region gesetzt. Wermutstropfen dieser Popularität war allerdings, dass Gitarrist Ulli Schmidt von eine Berliner Profi-Big-Band abgeworben wurde.
Die Bandnamen wechselten, später hießen die „Teddys“ „Gerd-Kahl-Quintett“ und Siegfried Foch kam zur Band. Der Erfolg blieb der Band treu und machte die Arnstädter Musikszene weit über die Kreis- und Bezirksgrenzen bekannt.
Vom Repertoire her fühlten sie nach wie vor dem Jazz verpflichtet, mit der neuen Musik der Beat-Ära konnten die Musiker nur wenig anfangen. „Der Verstärker-Sound war uns fremd“, sagt Gerd Walther. „Wir haben nie die Kurve gekriegt und wollten auch nicht“.
Das „Gerd-Kahl-Quintett“ existierte weiter und machte noch viele Jahre lang gute Musik. Inzwischen mehr und mehr als Band für Künstlerbegleitung, für Tanzstundenabschlussbälle und Tanzturniere für Standard- und lateinamerikanische Tänze. Aber die Bühnen in Arnstadt und Umgebung und die Herzen der jugendlichen Fans eroberten nun andere. Die Musik wurde lauter, die Haare wurden länger. Mit den „Comets“ kam der Beat in Arnstadt an.
Tonaufnahmen der Arnstädter Teddys, entstanden 1962 beim „Sender Weimar“:
(Gespräch mit Hans-Jürgen Starke)
(Titel „Honeysuckle Rose“)
(Vorstellung der Bandmitglieder)
(Titel „Ich hab Musik im Blut“)
Es gibt für mich drei Musiker, die die Arnstädter Musikszene bis in die „Neuzeit“ dauerhaft geprägt haben. Das sind die hier erwähnten Gerd Kahl und Gerd Walther von den „Teddys“ sowie der begnadete Multi-Instrumentalist Klaus Henniger, mit dem ich von 1973 bis Ende 1977 in der „CAER-Combo“ musizieren durfte. Bis in die Gegenwart hinein sind bzw. waren Gerd Walther (Sopransaxofon) und Klaus Henniger (Sousafon) noch bei den Dixie Syncopaters Arnstadt aktiv. Alle Achtung!
Natürlich sind die Gesichter einiger Musiker (besonders Gerd Kahl und Gerd Walther) bei den Musikfreunden bekannt. Sie waren ja lange Jahre in der Szene präsent mit vielen öffentlichen Auftritten.
Die meisten meiner Bekannten mochten genauso wie ich den Jazz in unserer Jugendzeit nicht so sehr. Wir waren eher der neu aufkeimenden Beat- und Rockmusik zugetan (und spielen sie bis heute – siehe „Satelliten“). Jazz war aus unserer Sicht schon die Musik der „älteren Generation“ und wurde von uns so gut es ging ignoriert.
Später reifte die Erkenntnis, daß die musikalische Leidenschaft alle Musiker verbindet unabhängig vom persönlich favorisierten Musik-Genre.