Schon seit etwa 20 Jahren hat Arnstadt kein Stadtgeschichtsmuseum mehr. Der älteste deutsche Ort diesseits des Limes versteckt seine reiche Geschichte in unzugänglichen Depots. So richtig zu stören scheint das kaum einen in der Stadt. Oder?
Ja, Arnstadt hat eine eigene Ausstellung zur Ortsgeschichte. Aber sie befindet sich im Ortsteil Wipfra und widmet sich leider auch nur diesem Ort. In Gräfenroda und Ichtershausen kann man sich über die Vergangenheit der Dörfer im Museum informieren. Gerade wurde in Ohrdruf das Schloss Ehrenstein wiedereröffnet. Mit einem großen, modern gestalteten Bereich, in dem man in die Stadtgeschichte eintauchen kann: Von der Zeit, als noch die Saurier durch Ohrdruf schwammen bis zur Entwicklung der Industrie in der Stadt. Auch Bach in Ohrdruf ist zu erleben, barrierefrei natürlich.
In Arnstadt kann man Bach ebenfalls erleben, wenn man vor dem Steigen vieler Treppen im Schlossmuseum nicht zurückschreckt. Ansonsten gibt es dort vor allem Dinge, mit denen sich der Adel im 18. Jahrhundert beschäftigt hat. Zugegeben: Es sind schöne Dinge. Aber was vorher war oder nachher kam, liegt im Depot und kommt höchstens für eine kleine Sonderausstellung ans Licht. Denn das Schloss- ist kein Stadtgeschichtsmuseum. Jedenfalls versteht es sich nicht so.
Es gab mal ein richtiges Stadtgeschichtsmuseum, im Haus zum Palmbaum unterm Markt, aber das fiel der Erweiterung der Musikschule zum Opfer. Schön für die Kinder und schlecht fürs Geschichtsbewusstsein, aber nach einer kurzen Trauerphase geriet das Stadtgeschichtsmuseum einfach in Vergessenheit. Niemand im Museum, Rathaus oder im Stadtrat kämpfte ernsthaft dafür, sondern jeder sah nur zu, dass für das eigene Hobby oder die eigene Lobby etwas Kulturgeld abfiel. Es war ja ohnehin nie genug da. Und was nur hinter vorgehaltener Hand gesagt wird: Uns reicht ein Schlossmuseum, das seit vielen Jahren Unsummen an Geld und Kapazitäten verschlingt. Ohne die Aussicht, dass es jemals fertig würde.
Und so schmoren die Zeugen der Arnstädter Vergangenheit ungesehen in dunklen Lagern: die archäologischen Funde, die von den Anfängen der Besiedelung berichten, Stücke aus dem Mittelalter, die Briefe von Willibald Alexis, aber auch die reiche Industriegeschichte – bis hin zu den Dokumenten über die Wende 1989 / 90. Keiner weiß, was da alles schlummert.
Vor einiger Zeit kam nun etwas Bewegung in die Sache. Der Arnstädter Verleger und Historiker Michael Kirschlager hat ein Konzept für ein modernes Stadtgeschichtsmuseum aufgeschrieben, eine Mischung aus Museum und Spielhaus, ein „Eventmuseum“, wie man auf Neudeutsch sagt. „Arneum“ sollte es heißen. Auch einen Ort dafür hatte Kirchschlager schon im Auge: den maroden und ungenutzten Südflügel des „Prinzenhofs“. Mit seiner Idee überzeugte er die Fraktion „Pro Arnstadt“, die dafür einen Antrag in den Stadtrat einbrachte und sogar erreichte, dass sich der Bauausschuss mit der Verwaltung zum Ortstermin im Prinzenhof traf.
Das Ergebnis war niederschmetternd. Weil das Gebäude zwar stark geschädigt ist, aber unter Denkmalschutz steht, könne man eigentlich gar nichts machen als immer wieder Geld für Sicherungsmaßnahmen hineinzustecken, ohne dass an eine Nutzung zu denken wäre. Das Erlebnismuseum müsse deshalb „eine gute Idee“ ohne Chance auf eine Realisierung bleiben, stand am 30. April 2022 in der „Thüringer Allgemeinen“ (leider nicht frei im Netz nachzulesen). Danach legten sich alle wieder hin. Schließlich hat man es probiert und kann das Projekt nun mit gutem Gewissen vergessen. Und viele dachten: Zum Glück wird es kein zweites Schwarzes Loch in Arnstadt wie das Schlossmuseum geben, das nur Geld verschlingt und kaum Besucherzahlen ausspuckt.
Aber könnte es nicht anders gehen? Der Südflügel des Prinzenhofes ist derart marode und eigentlich auch architektonisch völlig uninteressant. Ernsthafte Gespräche über den (Un-)Sinn einer Erhaltung mit der Denkmalpflege könnten eigentlich nur zu einem Ergebnis kommen: Abriss und ein architektonisch interessanter Neubau wären die beste und kostengünstigste Variante, bevor man noch auf Jahre immer wieder Geld bei fragwürdigen Sicherungsmaßnahmen verbrennt. Es wäre eine Chance für Kirchschlagers „Arneum“, wenn man es denn will.
Es gäbe auch andere Chancen in der Stadt für ein modernes Stadtgeschichtsmuseum. Das alte E-Werk an der Riedmauer zum Beispiel. Und wenn man suchte, fände man noch einige. Aber wollen müsste man. Und im Augenblick sieht es nicht gerade so aus, als ob man wollte.
Vielleicht ist es ja auch wirklich so, dass kaum einer in Arnstadt ein Stadtgeschichtsmuseum vermisst. Wenn man herumfragt, was so fehlt in der Kulturszene, werden Kino oder Ausgehmöglichkeiten genannt. Stadtgeschichte steht da nicht auf der Wunschliste.
Aber ich vermisse es schmerzlich. Einmal wieder in die Stadtgeschichte eintauchen, sich in eine Epoche einfühlen, vielleicht Neues entdecken. Es gibt mehrere Geschichtsvereine in der Stadt, deren Mitglieder den gleichen Wunsch haben. Und wenn man es geschickt anstellt, könnte man viele Besucher anlocken. Kinder, die spielend Geschichte entdecken und natürlich ihre Eltern mitbringen, Touristen, denen erst dort auffällt, in welch alten Ort sie da geraten sind. Es ist ein verlockender Traum. Und man wird ja wohl nochmal träumen dürfen.
Hmm, ja natürlich fehlt einer Stadt wie dieser das stadtgeschichtliche Museum. Ob es ein „Arneum“ sein müßte, darf befragt sein. Gleichwohl fehlt der Region eine regionales Geschichtmuseum, zumal es reiche Depot-Bestände und Archivalien nicht nur im Schloß oder bei der Stadt gibt. Arnstadt war nie nur auf sich selbst beschränkt. Und mit Sicherheit gibt es Möglichkeiten, bei einer professionellen Projektentwicklung, auch genügend Fördermittel zumindest für den Bau und die Einrichtung eines Regionalmuseums zu aquirieren. Was den Betrieb dann betrifft, ist das ein anderer Schnack…Da muss es die Stadt (und die Region?) dann auch „wollen“. Also: man sollte die Debatte eröffnen.