Zum Tod des Liedermachers Gerhard Gundermann
Manchmal handelten seine Lieder auch vom Tod. Einmal, so sang er kurz nach der Wende in einem Duett mit Tamara Danz, bleiben meine Schuhe leer. Nun sind sie leergeblieben. Gerhard Gundermann starb in der Nacht zum Sonntag überraschend an Herzversagen. Er war gerade 42 Jahre alt.
Tamara Danz, der er damals versprach, als schwarze Katze durch die offene Kellertür zurückzukommen, ging schon vor ihm. Vielleicht waren es die kurzen heftigen Jahre der Zusammenarbeit zwischen der schönen Frau des Rocks und dem fast unscheinbaren Baggerfahrer im Fleischerhemd, die Gerhard Gundermann heraushoben aus der Masse der weltverbessernden Liedermacher. Denn Gundi – keiner seiner Fans nannte ihn anders – schrieb die Texte zum Silly-Album »Februar«. Erschienen 1989, war es das Wende-Werk ansich nicht nur für DDR-Intellektuelle: Alles wird besser, aber nichts wird gut. Das Gespenst, dem auch Gundermann sein Leben verschrieben hatte, ging nur noch in der Mitropa um.
Er fing an wie viele andere: in einem Singeklub. Sang Lieder über den Aufbau, aber auch schon »Papa hat Geburtstag«. Es war der Beatles-Song »Birthday« in seiner ganz eigenen Fassung. Das paßte nicht so gut zum Singeklub, also gründete er 1978 die »Brigade Feuerstein«.
Tagsüber oder in der Nachtschicht saß er auf einem Bagger im Tagebau bei Hoyerswerda und holte Braunkohle aus der Erde, Feuersteine eben. Und auch, als sich ein gewisser Erfolg einstellte für den Sänger, wollte er das Baggerfahren nie lassen. Dort, lächelte Gundi, hätte er die besten Ideen und auch Zeit dafür.
Er verließ als einer der letzten seine Grube, als sie dichtmachte. Der Bagger sorgte dafür, daß er nie abhob. Trotz unverkennbarem Hang zum Philosophen in sich, sollten die Leute aus dem Tagebau verstehen, was er da sang. Und er erfand Bilder, die hängenblieben. Die grüne Armee, den siebenten Samurai. Dazwischen liegt das Spannungsfeld des Pazifisten, der gegen Geyers schwarzen Haufen kämpfen wollte bis zum Umfallen.
Robin Hood und Jesus tauchen in den Texten auf und die kleine Mücke, die er nicht erschlägt, wenn sie es ihren Kumpels nicht weitersagt. Das bißchen Blut ist doch locker mit Rotwein aufzufüllen.
Nach der Wende war es nicht lange ruhig um den gebürtigen Weimarer. Als bekannt wurde, daß von ihm nicht nur eine eigene Stasi-Akte existierte, sondern auch Freunde und Bekannte seinen Namen unter alten Berichten fanden, machte er ein Lied daraus. Und die Fans kamen weiter in die Konzerte.
Singen konnte er eigentlich nicht. Seine Stimme wäre eine Herausforderung für jeden Musikpädagogen gewesen. Aber wenn er so dastand im Fleischerhemd und sang, war es einmalig. Denn seine ruhige Unzufriedenheit tat vielen gut.
Man muss wohl jetzt die Kellertür immer einen Spalt offen lassen.