Am 27. April 2010 gab es in der Stadtbrauerei Arnstadt eine Debatte über die Zukunft der Bach-Weihnacht. Ein streitbares Gespräch, das gleichermaßen Hoffnungen wie auch Befürchtungen zu nähren in der Lage war. Im Folgenden ein paar Anmerkungen zu dem, was stattgefunden hat. Denn die Debatte sollte weiter gehen. Konstruktiv und ohne Befindlichkeiten.
1. Was lief gut 2009?
Was im Musikkeller Konsens war: Besonders die Sachen in den Privathäusern kamen hervorragend an – bei Gastgebern und Gästen. Auch der Markt der Oberkirche lief – wie immer – gut. Nicht optimal waren die Besucherzahlen der Konzerte, ausgenommen der Jazz-Abend. Das heißt, alles, was auf Stammpublikum basierte, persönlichen Kontakten oder Mundpropaganda, lief gut. Das hat sicher mit der kurzen Vorbereitungszeit zu tun, aber man sollte es unbedingt verinnerlichen, denn es könnte ein Ansatz sein für die Fortführung. Warum in einer so kleinen Stadt nicht auf Mundpropaganda bauen? Natürlich nicht ausschließlich, aber als Grundstock. Größere Brötchen kann man später backen.
2. Das räumliche Konzept
Die Veranstaltung 2009 hat im wesentlichen im „Kirchendreieck“ stattgefunden, mit dem Markt als Mittelpunkt. Aber von den drei Kirchen war nur eine richtig eingebunden (Oberkirche), auf dem Markt war gar nichts. Aus eigener Erfahrung würde ich sagen: Wenn man ein Dreieck bespielen will und nicht dessen gesamte Fläche (wie bei einem Rummel) füllen kann oder will, muss man entweder die Mitte als Ausstrahlungsort betonen und dafür sorgen, dass die Menschen von dort an alle Punkte, wo man sie haben will, geleitet werden – oder ich muss die am weitesten entfernten (Eck)punkte so attraktiv machen, dass sich der Besucherstrom von allein zwischen ihnen bewegt. Das hat 2009 nicht wie gewünscht funktioniert, aber auch für 2010 deutet sich in dieser Frage bisher keine Lösung an. Es gibt eine klare Absage der Kirchgemeinde an ein „Drei-Kirchen-Fest“ im Advent, das zweifellos ein Arnstädter Alleinstellungsmerkmal sein könnte, nach dem alle sich so sehnen. Aber auch eine Kopplung mit dem Weihnachtsmarkt (der in etwas veränderter Form als ausstrahlender Mittelpunkt dienen könnte) ist nach der Debatte in der Brauerei nicht in Sicht. Darüber, etwas anderes auf dem Markt zu machen, wurde nicht geredet. Dafür ist eine Erweiterung der zu bespielenden Fläche bis zum Spittel, zum Ried und zur Neideck und Schlossmuseum im Gespräch. Um das einigermaßen ausfüllen zu können, ohne dass sich die Besucher irgendwann beim Versuch der Überquerung der Ritterstraße ziemlich unromantisch in den Alltag zurückgeholt fühlen, bräuchte man besuchermäßig Stadtfest-Dimensionen. Ist das wirklich ein Ziel bei so einer Veranstaltung?
3. Inhaltliche Ausrichtung
Abgesehen von der Frage, ob man das Ganze unbedingt an Bach festmachen sollte, habe ich wenig Strittiges gehört. Ich würde das, was sich die meisten wünschten, als eine entschleunigt-unaufdringliche Atmosphäre bezeichnen, in der man weniger nur bespielt oder bespaßt wird, sondern der Genuss erst durch die eigene Beteiligung (oder Entscheidung) entsteht. Man sehnt sich nach etwas, das den Charakter unserer Stadt vorteilhaft betont – und vielleicht kleine Probleme auch ein wenig kaschiert. Wie bei einem guten Kleidungsstück: Es muss nicht nur gut, möglichst einmalig und vorteilhaft aussehen, es muss auch passen. Sonst hält man es nicht lange mit ihm aus. Hoch- oder Bürgerkultur ist dabei nicht die Frage. Es wäre aber schön, wenn es irgendwas gäbe, mit dem man auch Leute aus Weimar oder Erfurt locken könnte, weil sie es selber nicht bieten können. Da dort andere Summen zur Verfügung stehen, sollte man zumindest für die kommenden mageren Jahre nicht auf die teure Hochkultur schielen, sondern eher nach der Nische. Die Kulturarena in Jena hat auch so angefangen.
4. Zeitliche Einordnung
Wenn man alle Argumente der Debatte auf einen Nenner bringen wollte, könnte der etwas überspitzt lauten: Die ungünstigste Zeit für die Bach-Weihnacht ist der Advent. Die Kirchen und die Musikschule haben eigentlich keine Zeit, die Händler dürfen höchstens am ersten Advent aufmachen, der Weihnachtsmarkt ist eigentlich im Wege und in den Höfen ist es auch zu kalt. Natürlich stimmt das nicht so pauschal, der Markt in der Oberkirche ist zum Beispiel vor Weihnachten bestens platziert, aber man sollte zumindest mal einen Schritt zurücktreten und fragen: Warum machen wir es eigentlich um diese Zeit? Könnte man es nicht im Frühling oder Sommer viel entspannter machen?
5. Ein paar Ideen
– Klein ist fein.
In der Brauerei fiel der Begriff „Filetstück Oberstadt“ – warum diesen Bereich nicht zum Zentrum erklären? Denn der Weg, bis in der Kirchgemeinde die Einsicht reift, dass sie bei einem echten Drei- Kirchen-Fest (meinem Favoriten) nicht die größte Last, sondern den größten Sympathiegewinn abbekommen würde, ist wohl noch lang. Und nötigen sollte man keinen.
Wenn die „Oberstadt“, die nicht mal die Arnstädter alle richtig kennen und die auch bei Auswärtigen einiges an Aha-Effekten auszulösen in der Lage ist, zum Zentrum erklärt wird, könnte man auch die Höfe und Häuser in der dann sanierten Marktstraße mit einbeziehen und bis zum Rathaus (Bachkirche) gehen. Dort denke ich an den Glasanbau des Rathauses: Ein wunderbarer Veranstaltungsort, besser als der Festsaal! In der Bachkirche würde mir übrigens ein übender Orgelspieler völlig als Programm genügen. Ich habe es schon oft an Nachmittagen vor Abendkonzerten dort so erlebt, es ist die Bach-Atmosphäre, die ich mir für diese karge Kirche wünsche. Vielleicht sollte man Karen McKinney mal fragen, ob sie noch da ist und wie lange… Auf weitere Ausdehnungen sollte aber zunächst verzichtet werden. So gern ich einen Besuch bei Hühns im Reklamemuseum oder in der Backstube von Nagels anregen würde, es ist eine Idee für später.
– Schauen, was wir noch so haben
Schon die erste Bach-Weihnacht baute auf Angebote, die es vorher schon gab und kombinierte sie: Kunst- und Handwerkermarkt, Künste in Haus und Hof. Man sollte mal schauen, was es sonst noch zu kombinieren gibt, ohne dass man es entwickeln muss. Die thematischen Stadtführungen zum Beispiel, die den Leuten die Veranstaltungsstätten zugleich nahe bringen würden: der Stadtführer als Veranstaltungsführer. Was ebenfalls in diesem Jahr toll war: die lange Nacht der Hausmusik. So etwas würde auch gut zu dem Fest – wie es auch immer heißt und wann es stattfindet – passen.
– Es muss überhaupt passen.
Nur, wenn man ein solches Fest auf starke Füße stellen kann, hat es eine Zukunft. Ob Bach-Weihnacht, Bechstein-Frühling oder Arnstädter Hof Art, es muss nicht allen passen. Aber es muss zu Arnstadt passen. Und, wie es in der Brauerei so schön gesagt wurde, es muss denen Spaß machen, die sich daran beteiligen. Wahrscheinlich muss man vorher ein paar Dinge, die dabei stören, noch offen austragen. Auf Dauer schweigend mitschleppen sollte man sie nicht.
So schön war die Bach-Weihnacht 2009 aus Sicht der Macher: