Wenigstens einmal im Jahr gibt es bei uns Gänsebraten mit selbst gemachten Thüringer Klößen: am ersten Weihnachtsfeiertag. Die Herstellung ist ein über Jahre eingeübtes Ritual, das sicher in einigen Details etwas altmodisch anmutet – auch, was die verwendeten Gerätschaften betrifft. Aber warum soll man etwas lieb gewordenes unbedingt ändern? Mit dieser Grundhaltung gelingen nicht nur Thüringer Klöße immer. Und wer etwas anderes behauptet, wird einfach nicht mehr eingeladen.
Was braucht man für Thüringer Klöße und wie geht das eigentlich?
Zunächst ist die familiäre Arbeitsteilung wichtig. Wenn es, wie in diesem Jahr, heftigst geschneit hat, muss ein Teil der Familie für die Erreichbarkeit des Objektes für potenzielle Gäste sorgen. Außerdem sollte unbedingt während der Essenszubereitung jemand auf den Weihnachtsbaum aufpassen, man weiß ja nie.
Die Vorbereitung beginnt schon am Heiligabend, denn dann muss der Vogel (wird schon seit vielen Jahren bei Geflügel-Schmidt in in Ermstedt gekauft, aktuelles Gewicht 2010: 5,2 kg) in die Röhre geschoben. Außerdem muss ein ganzer Eimer Kartoffeln geschält werden, was sich die Seniorin der Familie, von der wir das Rezept und die Zubereitungsart übernommen haben, nicht abnehmen lässt. Am Morgen beginnt dann die Zubereitung der Klöße in Omas Küche – während sich die Hausfrau in der Wohnung darüber um die Gans, das Rotkraut und den Zimtschaum mit Orangenspalten, den es zum Nachtisch gibt, kümmert.
In Omas Küche werden zuerst die Kartoffeln in kleine Stücke geschnitten. Etwa ein Drittel dieser Kartoffelstücke werden zu einem Brei gekocht. Außerdem werden Brötchen in Würfel geschnitten und zu den berühmten „Bröckchen“ geröstet, die später in die Klöße kommen.
Nun kommt eine Fruchtsaftzentrifuge Marke „Malina“ aus bulgarischer Produktion zum Einsatz, die wir schon zu DDR-Zeiten erworben haben. Früher haben wir die Kloßmasse mit der Hand gepresst, aber das war auf die Dauer zu mühselig. (Es gibt mittlerweile auch wieder ganz gute Fruchtpressen zu kaufen, die sich für die Kloßherstellung eigenen, aber wir haben uns nun mal an die Malina gewöhnt). Die Bedienung ist Anna vorbehalten, denn dieser Schritt erfordert Fingerspitzengefühl: Die Kartoffelstücke müssen so lange geschleudert werden, bis der Schab schön trocken ist – und es dürfen keine Kartoffelstücke überleben!
Der geschleuderte und trockene Schab kommt dann in eine Schüssel, wird nach Kartoffelresten durchsucht, mit der Hand zerkleinert (zerbröselt) und zwischendurch immer kräftig gesalzen. Man kann auch, um die Farbe der Klöße etwas aufzuhellen, etwas wie „Onewe“ hineintun. Aber für den Geschmack ist das nicht nötig. Zumindest mit unserer guten alten „Malina“ muss man für eine ordentliche Kloßmahlzeit 5 – 6 Durchgänge schleudern.
Wenn die Schab-Prozedur abgeschlossen ist, sollte man den Kartoffelbrei im Topf auf dem Herd nochmal kurz aufkochen lassen, ehe man ihn mit einem großen Quirl in den Schab einrührt. Das ist die gefährlichste Stelle bei der Kloßproduktion – denn der Kartoffelbrei ist höllisch heiß und spritzt manchmal, weil man ja ziemlich kräftig rühren muss. Und einer muss den Topf festhalten. Da sind Topflappen als Arbeitsschutz unbedingt zu empfehlen.
Man muss so lange rühren, bis alles ordentlich vermischt scheint.
Wieviel Brei man in den Schab rührt, ist Gefühlssache. Das Ergebnis muss sich von der Schüssel ablösen, dann ist der Teig richtig. Also nicht gleich allen Brei reinschütten, sondern in Schüben. Und dazwischen kräftig verrühren! Wenn man meint, die Sache ist fertig, sollte der Teig per Hand nochmal kräftig durchgewalkt werden. Eigentlich wie bei einem Kuchen.
Der Rest ist Kür. Man formt aus dem Teig Klöße, deren Größe relativ egal ist. In die Klöße macht man jeweils 3 – 4 Bröckchen (die gerösteten Brötchenstücke) rein und gibt sie in einen Topf mit kochendem Wasser. Zunächst sinken sie auf den Boden. Dann lässt man sie etwa 20 Minuten ziehen und probiert zwischendurch mal, ob sie vielleicht am Topfboden festgebacken sind – dann leicht ablösen. Denn wenn die Klöße oben schwimmen, sind sie fertig!
Aktuell haben wir in diesem Jahr 16 Klöße hergestellt – und aufgegessen. Zusammen mit der Gans waren sie wieder das beste Weihnachtsgeschenk, das wir uns als Familie gemacht haben. Und wirklich alle Familienmitglieder waren beteiligt, auch wenn sie hier nicht alle im Bild zu sehen sind.
Und die Katze hat natürlich, als alle satt waren, auch etwas von der Gans abbekommen. Dass sie nichts von den Klößen wollte, versteht eigentlich keiner…