Eigentlich lebt Bernd Licht seit vielen Jahren in Kanada. Doch das Herz des gebürtigen Angelhäusers schlägt nicht nur bei Bären und Elchen höher, sondern auch bei Tauben, besonders den Rassen aus der Region. Deshalb war er jetzt auf dem Arnstädter Friedhof auf der Suche nach dem Grabstein eines berühmten Züchters – leider vergeblich.
In der vergangenen Woche kam ein Mann in die Arnstädter Friedhofsverwaltung mit einer Fachzeitschrift über Taubenzucht in der Hand, darin eine Abbildung eines Grabsteins. Wo man diesen Stein denn finden könne, frage er. Denn er möchte gern das Grab dieses Mannes besuchen, den er sehr verehrt und dem die Region viel verdankt.
Der Mann, dem man seine 63 Jahre keinesfalls ansieht, kam aus Edmonton im kanadischen Bundesstaat Alberta. Man kann bei ihm auf die Elch- und Bärenjagd gehen, was besonders deutsche Touristen gern tun – denn er ist ein Landsmann. In Angelhausen geboren, hat Bernd Licht lange in der Wohnscheibe in Arnstadt gelebt und in Behringen gearbeitet, bis er in den 70er-Jahren mit Frau und Kindern einen Ausreiseantrag nach Kanada stellte. Warum gerade Kanada? Ein Bruder meiner Frau lebte bereits dort, sagt Licht. Was aus heutiger Sicht wie ein Wunder erscheint: Nach langer Wartezeit wurde der Antrag für die Familie tatsächlich genehmigt. Nach Kanada kamen sie aber so schnell nicht. Der Weg dorthin war auch von der Bundesrepublik aus kompliziert. Und als sie nach Jahren endlich in Kanada ankamen, war das Leben dort alles andere als einfach. Ich rate jedem, der dorthin auswandern will, sich diesen Schritt vorher gut zu überlegen, sagt Bernd Licht heute. Auch wenn er und seine Familie es schließlich doch geschafft haben.
Er vermisste dort vieles, was ihm in der Heimat wichtig geworden war. Zum Beispiel auch die Thüringer Tauben. Als ich nach Kanada kam, habe ich zunächst jeder Stadttaube mit Tränen in den Augen nachgeschaut. Und ich habe mir fest vorgenommen, mir wieder Thüringer Tauben zuzulegen, sagt Bernd Licht. Doch als er dann dafür genügend Platz gehabt hätte, musste er feststellen: Es gab in ganz Kanada keine Thüringer Rassen. Und deshalb tat er etwas, das mindestens genau so verrückt war wie der Ausreiseantrag aus der DDR: Er stellte einen Importantrag für solche Tiere. Das geht nicht, sagten alle, aber Licht ließ nicht locker: Nach zehn Jahren bekam er die Genehmigung. Und seitdem gurren auf seinem Anwesen im fernen Kanada richtige Thüringer Tauben.
Durch die Tiere blieb auch der Kontakt zu den heimischen Taubenfreunden bestehen, und ab und zu fand auch eine Fachzeitschrift den Weg über den Atlantik. In einer fand er einen interessanten Beitrag über Otto Friese, einen bekannten Taubenzüchter. Der Arnstädter Verein war in den 30er-Jahren eine Hochburg der Taubenzucht – und Otto Friese hat nicht nur diesen Verein gelei-tet, sondern zum Beispiel auch die seltene Rasse der Thüringer Goldkäfertauben gezüchtet, sagt Licht. Deshalb beschloss er, bei einem Besuch in Deutschland Frieses Grab auf dem Arnstädter Friedhof zu besuchen. Doch leider vergeblich. Undine Swatek von der Friedhofsverwaltung konnte ihm zwar die Grabstelle zeigen, aber seine Nachfahren hatten sie 1986 aufgegeben. Und der Grabstein, ein großer Findling, ist verschwunden.
Doch Bernd Licht will nicht locker lassen. Vielleicht gibt es den Stein doch noch irgendwo? Und wenn nicht, könnte man nicht mit Unterstützung der Thüringer Taubenfreunde einen neuen an der Friedhofsmauer aufstellen, der an diesen großen Züchter erinnert?
Es ist vielleicht eine verrückte Idee. Aber Bernd Licht hat schon oft gezeigt, dass keine Idee so verrückt ist, dass man sie nicht verwirklichen könnte.
Nachtrag im September 2011: Es kam tatsächlich so. Lesen Sie hier weiter.
Ein Gedanke zu „Taubenfreund aus Kanada“