Ein brutaler Mord mit einem Hirschfänger in einer höchstens halblegalen und ziemlich zwielichtigen Gartenkneipe in Weimar? Gab es so was in der DDR? Es gab so etwas. Und es gab sogar ein Buch eines bekannten Schriftstellers aus Weimar darüber. „Der letzte Gast“ erschien 1968 im Verlag „Das Neue Berlin“ – und erlebte nur eine Auflage. Die Gruselgeschichte, die das Leben schrieb, passte nicht so recht in das Bild des neuen sozialistischen Menschen. Denn der Täter – wie auch mancher, den man vor der Auflösung dafür hält – war nicht vom Klassenfeind gedungen oder von Nazi-Eltern falsch erzogen worden, sondern einfach nur ein ziemlich mieser Typ.
Dass dieses Buch nun über 40 Jahre später erneut auf den Markt kommt, hat mit der Verlagsarbeit von Michael Kirchschlager aus Arnstadt zu tun. Denn der hatte im vergangenen Jahr schon den ehemaligen Kriminalpolizisten Klaus Dalski aus Weimar zu dem mittlerweile sehr erfolgreichen Buch „Der Kopf in der Ilm“ überredet (darin auch der bislang ungelöste Fall des Krankenschwester-Mordes in Sömmerda). Dalski wiederum ist mit Wolfgang Held bekannt. Und so gibt es nun, pünktlich zur Leipziger Buchmesse, das Taschenbuch „Mord in der Distel-Bar“.
Bis auf den Titel ist gegenüber der ersten Auflage von 1968 nichts verändert worden, es gibt aber ein Gespräch mit dem Autor über die Entstehungsgeschichte. Denn Wolfgang Held war damals nicht nur Gerichtsreporter für die Zeitung, sondern dank glücklicher Umstände auch sehr nahe dran an den Weimarer Ermittlern, die den Fall bearbeiteten. Und deshalb gelang es ihm, die Figuren der Kriminalisten im Buch sehr individuell zu zeichnen. Doch man merkt dem Aufbau der Story auch sonst wohltuend an, dass ein richtiger Schriftsteller am Werk war. Wolfgang Held, der unter anderem auch das Drehbuch zu dem Erfolgsfilm „Einer trage des anderen Last“ schrieb, ist ein spannender und abwechslungsreicher Krimi gelungen, der sich zwar sehr stark an den wirklichen Fall anlehnt, aber den Leser durch wenige Kunstgriffe noch mehr mitfiebern lässt. Zudem ist es nicht nur für Weimarer eine interessante Zeitreise zurück in die DDR der 60er Jahre, die weder nostalgielastig ist noch den Zeigefinger der pauschalen Verurteilung zum Einsatz bringt. Es ist ein Blick in den Alltag zwischen Parteiversammlungen, Fußball-Länderspielen, Schattenwirtschaft und Kriminalität, in dem sich viele wiederfinden dürften. Auch wenn der Fall doch ein besonderer ist.
„Mord in der Distel-Bar“ kostet 9,90 Euro und ist beim Verlag sowie in einigen Buchhandlungen in Arnstadt und Weimar erhältlich
Ein Gedanke zu „Ein Mord – Neu aufgelegt“