Frühlingsstrahlen

Nach den Ereignissen im japanischen Atomkraftwerk Fukushima ist auch die Verunsicherung über mögliche Folgen für Deutschland groß. Und Messungen scheinen diesen Sorgen Nahrung zu geben: Nach der Katastrophe stieg die Strahlenbelastung an der Messstelle Gehlberg nahezu auf das Doppelte an.

2000 Messstationen betreibt das Bundesumweltministerium in ganz Deutschland, um die radioaktive Strahlung zu messen. Allein im Ilmkreis gibt es solche regelmäßigen Messungen in Ilmenau, Altenfeld, Gehlberg und Stadtilm.

In normalen Zeiten wird ihnen von der Öffentlichkeit kaum Beachtung geschenkt, aber nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima klicken viele Menschen diese Messreihen im Internet an. Und bei den Debatten um mögliche Auswirkungen auf Deutschland wird in den Foren immer wieder auf die Messstelle in Gehlberg verwiesen.

Auch in der TA-Lokalredaktion fragten mehrere Leser an, was es mit dem eigenartigen Verlauf der Kurve auf sich habe. Denn die so genannte Gamma-Ortsdosisleistung, die in Gehlberg im Februar bei 0,09 bis 0,1 Mikrosievert pro Stunde lag, stieg ab Mitte März 2011 plötzlich überraschend stark an und erreichte Werte von etwa 0,17 Mikrosievert.

Das ist fast doppelt so viel wie im Februar. Und der Anstieg der Kurve beginnt nach dem 11. März, als ein Erdbeben und der folgende Tsunami auch die japanischen Atomkraftwerke mit heute noch nicht absehbaren Folgen heimsuchten.

Eigenartig ist allerdings, dass die Zunahme der Strahlung nur an der Sonde in Gehlberg in dieser Intensität gemessen wird. Die Werte in Stadtilm und Ilmenau haben sich zu diesem Zeitpunkt kaum verändert. Dort gab es zwar auch eine leichte Zunahme, aber bereits Anfang März. Mit Fuku-shima kann das also offenbar nichts zu tun haben.

Hat es auch in Gehlberg nicht, sagt Anja Schulte-Lutz, Sprecherin des Bundesamtes für Strahlenschutz in Salzgitter. Die zeitliche Übereinstimmung des Anstiegs in Gehlberg mit dem Reaktorunglück sei rein zufällig. Verantwortlich dafür sei keine weit entfernt austretende Radioaktivität, die über die Luft nach Deutschland kommt. Was die Messreihen gerade im Mittelgebirge immer ein wenig aus der Fassung bringt, ist der Frühling.

Jeder Mensch ist in seiner natürlichen Umgebung ständig einer ionisierenden Strahlung ausgesetzt, sagt die Sprecherin, und die stammt zum Teil von überall im Boden vorkommenden natürlichen radioaktiven Stoffen. Zwar wurden durch den Reaktorunfall in Tschernobyl 1986 auch radioaktive Stoffe wie Cäsium auf dem Boden abgelagert. Dessen Strahlung trägt jedoch laut Bundesamt nur noch wenig zur gemessenen Gamma-Ortsdosisleistung bei. Die meiste Strahlung ist natürlichen Ursprungs.

Diese so genannten Radionuklide können allerdings davon abgehalten werden, aus dem Boden auszutreten, wenn darauf mehr oder weniger viel Schnee liegt.

Und so staut sich praktisch in der Winterzeit radioaktive Strahlung im Erdreich an und entweicht nach der Schneeschmelze in etwas höherer Dosis – bevor sich die Strahlung dann wieder auf das Jahresmittel einpendelt.

Das lässt sich auch an den Messreihen gut erkennen. In Stadtilm schmolz der Schnee früher als in Ilmenau, entsprechend früher gab es einen kleinen Anstieg. Und in Gehlberg fiel die Schneeschmelze eben mit dem Unglück in Japan zusammen. Und dass der Anstieg der Strahlung dort deutlicher als in Stadtilm ausfiel, hängt damit zusammen, dass auf dem Rennsteig viel länger und viel mehr Schnee lag.

Das ist eine Entwicklung, die wir jedes Jahr beobachten können, sagt Anja Schulte-Lutz. Eine Gesundheitsgefahr gehe selbst von diesen leicht erhöhten Werten aber nicht aus. Auch durch die Radioaktivität, die jetzt in Japan austritt, haben wir hier keine gesundheitlichen Konsequenten zu befürchten, fügt die Sprecherin an.

Obwohl man natürlich nicht weiß, wie sich die Lage in Japan entwickelt, kann man bisher feststellen: Was eventuell aus Japan zu uns kommt, ist so wenig, das zeigen Messstellen wie Gehlberg gar nicht an.

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