Mit dem Marienstift ist es wie mit unseren Enkeln“, sagt Heinrich Behr, „sie sind auch größer geworden, als wir anfangs dachten“. 20 Jahre ist es schon her, dass der Kirchenrat die Leitung der Einrichtung an Jürgen Friedrich übergab. Am 5. August feierte Heinrich Behr seinen 85. Geburtstag.
Seit 1929 ist die Familie Behr mit dem Marienstift verbunden. Damals, Heinrich war gerade einmal drei Jahre alt, erhielt sein Vater Friedrich einen Ruf als Direktor nach Arnstadt, die Familie zog aus der Schleizer Gegend in die Bachstadt. Hier besuchte Heinrich die Grund-und Oberschule, dann kam der Krieg, er konnte 1944 nur ein „Notabitur“ ablegen. Nach Einberufung, Verwundung und amerikanischer Kriegsgefangenschaft holte er das richtige Abitur nach und wurde Grundschullehrer, erst in Arnstadt, dann in Siegelbach. Ab 1947 dann studierte Heinrich Behr Theologie und trat eine Vikar- und Pfarrerstelle in Ebersdorf an – bis 1958 sein Vater starb und er als dessen Nachfolger gewählt wurde.
Über 30 Jahre stand er dem Marienstift vor. Es war eine schwierige Aufgabe, in der DDR eine kirchliche Einrichtung zu führen und sogar auszubauen. Er hat diese Herausforderung bestens gemeistert. Unter seiner Leitung wurde 1962 am Marienstift die erste Werkstatt für Behinderte in der DDR überhaupt eingerichtet, drei Jahre später führte er regelmäßige Elternseminare für Eltern mit Behinderten ein und betrat damit ebenfalls Neuland. Heinrich Behr wurde auch dadurch ein gefragter Experte, nahm an internationalen Tagungen teil und wurde auch Dozent.
Doch im Mittelpunkt seiner Arbeit standen immer das Marienstift und die großen und kleinen Patienten. Er lenkte die Einrichtung durch alle Schwierigkeiten – über die Wende hinaus. 1991 ging der 1972 zum Kirchenrat ernannte Pfarrer in den Ruhestand.
Was im Marienstift und in Arnstadt passiert, verfolgen die Behrs noch immer sehr aufmerksam. Natürlich sind die Rahmenbedingungen für eine Einrichtung der Diakonie der evangelischen Kirche, die sich mit der Behandlung und Rehabilitierung Körperbehinderter beschäftigt, wesentlich besser geworden. Was seit der Wende dort erreicht wurde, wäre zu DDR-Zeiten kaum denkbar gewesen. Aber Heinrich Behr ist es zu verdanken, dass diese Entwicklung auf eine solide Vorarbeit aufbauen konnte.
Heute leben Hannelore und Heinrich Behr, die seit 1952 verheiratet sind, in einer kleinen Wohnung in der Gothaer Straße in Arnstadt. Wenn es etwas gibt, dass er bedauert, ist es die Tatsache, „dass die Familie so weit verstreut ist und man sich so selten sieht“, sagt Heinrich Behr. „Es gibt zwar hier Arbeit, aber sie wird immer noch schlechter bezahlt als in den alten Bundesländern.“
Zum Geburtstag allerdings waren alle drei Kinder und die sechs Enkel da, mittlerweile gibt es auch das erste Urenkelchen. Und der jüngste Enkel, der gerade in London Theologie studiert, hielt die Predigt zum Festgottesdienst in der Oberkirche.
Was sich Heinrich Behr noch wünschen würde? „Eine nette altersgerechte Wohnung vielleicht in ein paar Jahren“, sagte er. Aber das hat gegenwärtig noch Zeit. Denn er ist ja gerade erst 85 geworden.
Update: Im Januar 2015 ist Heinrich Behr gestorben.
Ein Gedanke zu „Steuermann in schwierigen Zeiten“