Es war wieder Kreistagssitzung in dieser Woche. Und es gab, wie immer, einiges zu reden. Es waren sogar Themen dabei, die die Leute interessieren. Aber auch Kreistagsmitglieder sind Politiker. Und reden eigentlich am liebsten über sich selbst. Und ihre Reden.
Manches, da so beredet wird, ist wirklich für den Bürger sehr interessant. Diesmal war es zum Beispiel die Frage, ob es nun besser für die Arnstädter oder schlechter für die Altenfelder ist, wenn der Kreis dem „Verkehrsverbund Mittelthüringen“ beitreten würde. So, wie ich es verstanden habe, wohl beides. Und es wäre wohl auch eine „Investition in die Zukunft“, das Argument kommt immer, wenn man wenig Geld hat und viel ausgeben will. Jedenfalls wird vorerst nicht beigetreten, beschloss mehrheitlich der Kreistag.
Ob bei der Abstimmung das Argument des Beitritts-Befürworters Matthias Schlegel (Grüne), dass der Ilmkreis nun mal „ein Vorort von Erfurt“ sei, zur Ablehnung wesentlich beigetragen hat, ist nicht belegt. Aber wenn man keinen Zaubertrank in der Tasche hat, sollte man in Gallien nicht den Römern huldigen. Und solange die Ilmkreis-Gallier noch die offizielle Lizenz zur Herstellung des den Zaubertranks „Erfurter Kreuz“ besitzen, dürften die Römer aus Erfurt umsonst gegen die wehrhaften Tore des stolzen Bergvolks anrennen. Da rücken sogar Ichtershausen und Arnstadt zusammen, obwohl man sich das eigentlich nun wirklich nicht vorstellen kann.
Doch die meiste Redezeit im Kreistag ging diesmal dafür drauf, um darüber zu reden, wie lange im Kreistag geredet werden darf. Anlass für die Geschäftsordnungsdebatte war eine ausufernde Sitzung über die Schulnetzplanung, in der Linke, SPD und Grüne aber nun wirklich alle Register der Sitzungsverlängerung gezogen hatten, um die sichere Abstimmungsniederlage einfach noch ein paar Stündchen aufzuschieben. Es war die Rache für die Muschebubu-Politik des Landrats und seiner Getreuen, die vorher tatsächlich nur hinter verschlossenen Türen abgesprochen hatten, welche Schule nach des Landrats Gnaden offen bleiben soll und welche nicht. Wer so verfährt, hat den letzten Zug im Stuttgarter Hauptbahnhof verpasst – und damit den Zug der Zeit. Aber das von der Opposition gewählte Mittel, die Mehrheit und die Zuschauer einfach mit mehrstündigen Anfrage- und persönlichen Erklärungsterror zu strafen, war auch nicht die feine Art.
So wurde nun von der Mehrheit gegen den erbitterten Widerstand der sich gewöhnlich in der Opposition zum Landrat befindlichen Linken, der SPD und der Grünen beschlossen, was in vielen Parlamenten, Kreistagen und Stadträten schon längst Alltag ist: Eine Redezeitbegrenzung auf maximal 5 Minuten für den ersten Redner jeder Fraktion. Jeder weitere muss sich mit drei Minuten zufriedengeben. Nur beim Haushalt darf es länger dauern.
Die psychischen Folgen für die Kreistagsmitglieder sind noch nicht vollständig abzusehen. Kein Mensch weiß, wie Menschen auf die völlig neue Anforderung reagieren, nun nachzudenken, bevor sie reden. Und sich auch noch auf das Wesentliche zu beschränken. Es ist ein Sozialisierungsversuch mit offenem Ausgang.
Kreistagsmitglied Ulrich Böttcher (FDP), zugleich Arnstädter Vize-Bürgermeister, sah die Sache hinterher allerdings gelassen. „Wir praktizieren seit vielen Jahren im Arnstädter Stadtrat schon eine Redezeitbegrenzung“, sagte er. „Und zwar relativ erfolglos.“