Zum letzten Neujahrsempfang seiner Amtszeit gab sich der scheidende Arnstädter Bürgermeister Hans-Christian Köllmer wie gewohnt sehr angriffslustig. Seine Auslassungen über die Welt und seine politischen Gegner zu solchen Anlässen sind legendär. Andere Redner polarisierten diesmal weniger – und wurden dem Anlass damit wohl mehr gerecht.
Es gab eine Stelle in der Rede des Arnstädter Bürgermeisters, da erschien das Lächeln von Hans-Christian Köllmer besonders spitzbübisch. »Jetzt kommen wir zu dem Teil des Neujahrsempfanges«, sagte er am Mittwochabend in der Arnstädter Stadthalle, »auf den manche schon warten – meine persönlichen Gedanken«.
Ob wirklich viele auf diesen Teil der Ausführungen gewartet haben, war an der Reaktion des Publikums nicht klar abzulesen. Aber es waren zum letzten Neujahrsempfang Köllmers in seiner 18-jährigen Amtszeit so viele Menschen gekommen wie selten zuvor. Die Sitzplätze in der Stadthalle – einschließlich der Empore – reichten nicht.
Was die etwa 550 Gäste vom scheidenden Bürgermeister zu hören bekamen, war vor allem ein Satz: »Ich habe mich nicht geändert«. Die alte Lust an der Provokation, eines der Markenzeichen dieses Bürgermeisters, zog sich auch durch diese Neujahrsrede. Es gab fast unterhaltsame Bekenntnisse wie »Ich bin noch immer ein Macho und genieße das«, und es gab die Ausführungen über Vaterland und preußische Tugenden. Aber es gab auch wieder die pauschalisierende Schelte für alle, die irgendwie »links« sind – und deren Pakt mit der großen allgemeinen Medienverschwörung gegen rechtschaffene Menschen wie den Arnstädter Bürgermeister.
Nebenbei bekamen »die Politiker« als Kaste noch ihr Fett weg – und alles, was nach Europa aussieht. »Die stören nur, wenn sie was tun«, sagte er mit Blick auf die EU.
Es ist eine holzschnittartige Weltsicht, die Köllmer bei solchen Anlässen zum Besten gibt. Diese Art der angriffslustigen Argumentation hat er auch in all seinen Wahlkämpfen erfolgreich eingesetzt, manche Menschen gieren in schwierigen Zeiten nach einfachen Antworten. Doch mit dieser Herangehensweise stößt er zugleich jene vor den Kopf, die seine Weltsicht nicht teilen. Am Mittwochabend ließ seine Rede ein gespaltenes Publikum zurück.
Dass es auch anders geht, bewiesen der Erste Beigeordnete Ulrich Böttcher mit seiner kurzen, aber sehr herzlichen Begrüßungsrede – und der Unternehmer Martin Winter. Wie schon im vergangenen Jahr stellte der Geschäftsführer der Firma »Carpenter« und Vize-Chef der »Initiative Erfurter Kreuz« bei der Auszeichnung von Schülern und Azubis seine Qualität als Moderator unter Beweis und es gelang ihm, mit klugem Humor ein Wir-Gefühl zu erzeugen: Wir können es zusammen schaffen. Und wir haben in Arnstadt schon eine ganze Menge geschafft, um die Zukunft der Stadt braucht es uns nicht bange zu sein.
Das war ein Grundton, den viele sich auch von Hans-Christian Köllmer gewünscht hätten. Denn mehr noch als seine konservativ-aggressive ideologische Grundeinstellung hat etwas anderes dazu beigetragen, dass er 18 Jahre lang in Arnstadt ununterbrochen auf dem Bürgermeisterstuhl sitzen konnte: Seine Fähigkeit, die Stadt angemessen zu repräsentieren und in Sachfragen hinter den Kulissen Mehrheiten zu organisieren. In völlig unideologischen Gesprächen und zum Teil mit jenen Partnern, die er bei offiziellen Anlässen so gern zu beschimpfen pflegt.
Es wäre schön gewesen, hätte er seinen Auftritt zum Neujahrsempfang als Chance für eine Art allgemeine Standortbestimmung Arnstadts zum Ende seiner Amtszeit genutzt. Nicht ideologisch, sondern integrierend. Wie das gehen könnte, machte der Gurker Bürgermeister Siegfried Kampl in seinem Grußwort vor. Kampl gilt auch nicht gerade als Freund linker Ideen, aber seine Rede zum Neujahrsempfang war fast staatsmännisch und ein einziges Lob an Arnstadt und seine Bürger, bei dem sich niemand ausgeschlossen fühlen musste. Dass Köllmer auch diese Spielart beherrscht, zeigte er gegen Ende bei der Auszeichnung seines ehrenamtlichen Beigeordneten Horst Höhne (CDU) mit dem Ehrenring des Bürgermeisters. Aber eben erst dann.
Insofern erlebten die Gäste des Arnstädter Neujahrsempfangs ein Wechselbad der Gefühle, so ähnlich wie beim wieder hervorragend zusammengestellten Begleitprogramm der Musikschule Arnstadt-Ilmenau. Das begann mit »Also sprach Zarathustra« von Richard Strauss und endete mit »Halleluja« aus Händels »Messias«. Irgendwo dazwischen konnte sich jeder wiederfinden.
So hat das „System Köllmer“ jahrelang funktioniert: Einfavch sagen, dass Mann kein Nazi sein könne, weil im Natioslsozialismus zu viel Sozialismus steckt und dann, wenn der geschockte politische Gegner mit protestieren beschäftigt ist, bringt man Bebauungspläne für Tankstellen und Einkaufszentren auf der grünen Wiese ein…
Er hätte sich mit seiner letzten großen Rede ein Denkmal setzten können. Aber er hat sich nur ins rechte Licht gerückt!