Auf Platz 20 der Tagesordnung für die Stadtratssitzung am 19. November steht ein interessanter Antrag: Der Stadtrat möge sich einen Vorsitzenden wählen. Der Antrag kommt von der „Linken“ und soll laut Begründung dazu dienen, den Bürgermeister zu entlasten. Das klingt nach einem vorweihnachtlichem Friedensangebot. Oder nach Plan B, falls die Abwahl scheitert.
Bürgermeisters Alexander Dill ist völlig überarbeitet, findet Frank Kuschel (Linke). Und er hat auch schon Ideen, wie man das ändern könnte. Die eine ist bereits auf den Weg gebracht, ein Abwahlverfahren gegen Dill, über das die Arnstädter am 24. Januar 2016 abstimmen müssen. (Aus Gründen sei an dieser Stelle darauf verwiesen, dass dieses Abwahlverfahren natürlich nicht auf dem Mist von Frank Kuschel gewachsen, sondern 21 einzelnen Stadträten quasi über Nacht zufällig gleichzeitig eingefallen ist).
Aber falls Dill doch nicht aus dem Amt gewählt werden sollte, hat Frank Kuschel auch einen Plan B, um ihm mehr Freizeit zu verschaffen: Es soll einen Stadtratsvorsitzenden geben, der statt des Bürgermeisters die Stadtratssitzungen leitet. „Dadurch wird der Bürgermeister von formalen Sitzungsaufgaben entlastet und kann sich somit stärker auf inhaltliche Fragen und Probleme konzentrieren“. So heißt es wörtlich im Antrag zur Wahl eines Stadtratsvorsitzenden, der am 19. 11. vom Stadtrat beraten wird. Ob so viel Fürsorge für einen Mitmenschen könnte man glatt vor Rührung jetzt schon die Amiga-Weihnachtsschallplatte auflegen.
Die Geschichte mit dem Stadtratsvorsitzenden ist nicht neu, auf ähnliche Art hat die „Linke“ schon versucht, Dills Vorgänger Christian Köllmer (Pro Arnstadt) zu „entlasten“. Auch zu Beginn von Dills Amtszeit gab es einen solchen Versuch, bisher hat es aber aus unterschiedlichen Gründen nie geklappt.
Jetzt könnte es aber klappen. Die Reihen zwischen Linke, Pro Arnstadt und CDU sind – landesuntypisch und zumindest bis zum Tag der Abwahlentscheidung – in Arnstadt fest geschlossen und es gab sogar noch die wundersame Konvertierung eines überzeugten SPD-Stadtrates zum völlig überzeugten Pro-Arnstadt-Anhänger. Ein solch flexibler Mensch wäre eigentlich wie geschaffen für das Amt eines Stadtratsvorsitzenden. Aber das ist nur so eine Idee.
So ganz sicher aber ist die Sache mit dem neuen Vorsteher nicht, trotz Mehrheit. In der Kommunalordnung steht nämlich, dass man diesen Posten nur relativ bald nach der Konstituierung des Stadtrats vergeben kann – und nicht irgendwann mittendrin. Das hat Frank Kuschel natürlich auch gelesen und deshalb vorsorglich in den Antrag geschrieben, dass es trotzdem geht – wegen der „Organisationshoheit“ des Stadtrats im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung.
Das wiederum hat Eleonore Mühlbauer (SPD) zu einer Frage im Landtag veranlasst. Sie ist in Erfurt mit Frank Kuschel in einer rot-rot-grünen Koalition in politischer Liebe verbunden, aber seine Arnstädter Aktivitäten werden von ihr selten mit „Gefällt mir“ markiert. Und deshalb nutzte sie die Fragestunde im Landtag in dieser Woche und wollte von der Landesregierung wissen, ob man einfach so mittendrin einen Stadtratsvorsteher wählen könne. Darauf antwortete Innenstaatssekretär Udo Götze: Nö.
Man müsse zwar den Einzelfall prüfen, aber laut Kommunalordnung sei ein solche Vorsteher „zu Beginn der Amtszeit“ zu wählen. Und sei nach Auffassung der Rechtsaufsicht im Landesverwaltungsamt spätestens vier Monate nach Konstituierung des Stadtrates. In Arnstadt sind seit der Konstituierung aber schon 18 Monate vergangen. Und auch als Frank Kuschel nochmal im Plenum nachfragte, blieb Götze bei seiner Meinung: Man müsse zwar den Einzelfall prüfen, aber eigentlich geht es nicht.
Man darf gespannt sein, wie es nun weitergeht. Denn falls der Antrag zur Änderung der Hauptsatzung und Installierung eines Stadtratsvorsitzenden von der kribbelbunten Anti-Dill-Koalition im Stadtrat durchgewunken wird, kann es gut sein, dass ihn die Rechtsaufsicht hinterher wieder kassiert. Und dass vielleicht hinterher jemand dagegen klagt.
Sicher ist jedenfalls, dass die Arnstädter weiterhin keine Angst zu haben brauchen, dass der Stadtrat ihre Probleme löst. Er hat viel zu viel mit sich selber zu tun.
Wer sich Frage und Antwort zum Thema aus der Landtagssitzung von dieser Woche selbst anschauen möchte, hier der Link zum Video. Das Thema beginnt bei 5:25 Minuten.