Angefangen haben sie als „Guitar Boys“ und entwickelten sich zu der wohl wildesten Band der damaligen Zeit in der Region. So war es nur eine Frage der Zeit, dass die Band schließlich verboten wurde. Aber es gibt sie heute noch.
1964 begann der Bau der großen Wasserleitung von der Ohra-Talsperre über die Alteburg und der Bahnhofsvorplatz wurde zum zentralen Busbahnhof. In einem Kinderzimmer an der Marienhöhe saß in dieser Zeit der damals 18-jährige Kesselbauer-Lehrling Karsten Ritze und hörte Instrumentaltitel von einem Tonbandgerät ab, das er sich von einer Freundin seiner Schwester ausgeliehen hatte. „Johnny Guitar“ war einer davon, den er auf seiner Sperrholzgitarre mit aufgeschraubtem Tonabnehmer probierte. Bei einem Tanzabend im RFT-Kulturhaus traf er den ein Jahr jüngeren Lokschlosser-Lehrling Günther Hedwig, der auch ein wenig Gitarre spielte. Der wiederum kannte den 16-jährigen Oberschüler Jörg Herzer. Und der hatte mit Arnd Hornickel einen Mitschüler, der Schlagzeug spielen konnte. Damit war die erste Besetzung komplett. Ein Schlagzeuger und drei Jungs mit Gitarre, also nannten sie sich „Guitar Boys“.
Geprobt wurde im Ichtershäuser Klosterhof, man kannte den Klubhausleiter. Im Klosterhof gab es zum Fasching auch den ersten Auftritt als Pausenfüller für die „Nadelwerker“. Sie hatten keine richtige Anlage, Jörg Herzer zum Beispiel spielte den Bass-Part auf einer tiefer gestimmten Gitarre. Und sie hatten nur drei Titel drauf. Aber die Leute wollten sie gar nicht wieder weglassen.
Die „Guitar Boys“ blieben nur bis 1965 zusammen, dann gingen Jörg Herzer und Arnd Hornickel zu den „Comets“. Doch der Schnitt war zugleich ein Neuanfang, denn es kamen nicht nur neue Leute, sondern es änderte sich auch der Name, das Repertoire und das Equipment. Die beiden Werkzeugmacher-Lehrlinge Wolfgang Hübner (17) und Horst Kühr (15) übernahmen Schlagzeug und Bass, über Karsten Ritzes jüngeren Bruder Detlef (16), von Anfang an mit der Band verbunden, kam dessen Mitschüler Udo Worbs (15) als Sänger dazu. Hausmeister Horst Pfeifer, mit 20 der älteste im Bunde, hatte verschiedene Talente: Er spielte Saxofon, kannte Sack und Seil und war ein guter Organisator, der Auftritte und Technik besorgen konnte. Einen „Regent“-Verstärker zum Beispiel, das war gegenüber der vorherigen Technik ein riesiger Fortschritt.
Zur bevorstehenden Einstufung sollte auch ein deutscher Bandname her. „Damals nannten sich ja alle nach irgendwas mit Weltraum“, sagt Karsten Ritze. So einigten sie sich auf den Namen „Arnstädter Satelliten“.
Sie probten in der Berufsschule am Plan, später im Jugendklubhaus und auch auf der Eremitage. Die Instrumentaltitel von Shadows, Spotnicks oder Franke-Echo-Quintett blieben zwar im Programm, aber es erklangen nun auch härtere Töne. Das lag besonders an Sänger Udo Worbs, der eine umfangreiche West-Plattensammlung besaß. Sein Motto noch heute: Musik muss weh tun. „Wir haben Kinks, Stones, Pretty Things und Trashman nachgespielt“, erinnert sich Worbs, „aber nur die Knüppelsachen“. Sein Lieblingstitel war „Surfin Bird“ von den „Trashmen“. „Da sind die Leute ausgerastet“.
Sie spielten in Arnstadt im Jugendklubhaus und im Hedan, Horst Pfeifer besorgte aber auch Auftritte in Ichtershausen, Dornheim, Langewiesen, Neudietendorf, Gehren, Geschwenda oder Königsee. Den Transport der Instrumente und der Band übernahm Eckehard Brey. Und manchmal wurde hinten im Transporter schon auf der Hinfahrt eine Kiste Bier ausgetrunken. „Alkohol hat schon eine Rolle gespielt“, sagt Karsten Ritze, „wir waren eben keine Söhne aus besseren Häusern, wir waren eher Proletariat“. Nach der Probe ging es regelmäßig ins Stadtcafe zum Biertrinken. Und auf den Dörfern bekam die Band bei ihren Auftritten manchmal so viel spendiert, dass sie gar nicht alles austrinken konnten.
Etwa 30 Titel hatten sie im Programm, hauptsächlich harten Beat und Instrumentals. Aber dank Horst Pfeifer und seinem Saxofon konnten sie auch Wünsche auf den Dörfern nach Stimmungsmusik befriedigen, „Nimm mich mit Kapitän auf die Reise“ oder den „Treuen Husaren“. Und wenn die Titelliste erschöpft war, improvisierte Pfeifer auch mal eine halbe Stunde auf dem Saxofon.
Zwei Jahre währten die wilden Zeiten der Satelliten in der zweiten Besetzung, dann mussten Gründer Karsten Ritze und Wolfgang Hübner im Frühjahr 1967 zur Armee. Aber es ging auch dann noch weiter, Günther Hedwig übernahm die Melodieparts auf der Gitarre und als Rhythmusgitarrist stieg nun endgültig Karstens jüngerer Bruder Detlef Ritze ein. Als Schlagzeuger kam der Kfz-Schlosser-Lehrling Albrecht „Ali“ Grimm neu in die Band.
Bis dahin gab es keine richtige Auftrittskleidung, man spielte in weißen Hemden mit Schlips oder auch im Rollkragenpullover. Doch nun glichen sich die Satelliten auch im Outfit ihren großen Vorbildern an und ließen sich zu ihren Schlaghosen aus Vorhangstoff bunte Hemden mit hohem Stehkragen schneidern, so wie die Kinks im Fernsehen. „Damit haben wir uns keine Freunde gemacht“, sagt Horst Kühr heute – und meint damit vor allem die Funktionäre und staatlichen Stellen. Die hatten die Satelliten wegen ihrer „unsozialistischen“ Auftritte schon länger auf dem Kieker. So war es nur eine Frage der Zeit, wann die Band verboten werden würde.
Passiert ist es dann Ende 1967 in Königsee. „Da saßen auf dem Rang ein paar ältere Herren und haben mitgeschrieben, was wir spielen“, erinnert sich Detlef Ritze. Und er weiß noch ganz genau, welche Kritikpunkte in dem Schreiben standen, das anschließend kam und das Auftrittsverbot verkündete:
Extreme Kleidung, Biertrinken während des Auftrittes, Nichteinhaltung des vorgeschrieben Verhältnisses von Ost- und Westmusik und das Spielen so genannter „VE-Titel“. „VE“ stand für „verbotene Einfuhr“ und umfasste alles, was in der DDR an Musik absolut nicht erlaubt war. „LSD“ zum Beispiel, ein Song der Band „Pretty Things“. Bei den Satelliten wurde er gespielt.
Silvester 1967 sollte es dann noch ein internes Abschlusskonzert der Band in der Triglismühle in Siegelbach geben, aber daraus wurde nichts. Das Auftrittsverbot wurde von den Behörden radikal durchgesetzt. Und so war die wilde Zeit der „Arnstädter Satelliten“ abrupt zu Ende. Günther Hedwig spielte später zum Beispiel bei „GT 73“ und „Golden Team“. Er ist heute noch bei der Ilmenauer Band „Just For Fun“ zu hören. Ali Grimm ging zu den „Phantoms“ nach Gräfenroda und später zu „Team 73“. Die anderen hängten ihre Instrumente zunächst an den Nagel.
Erst nach der Wende haben die beiden Brüder Karsten und Detlef Ritze manchmal bei Geburtstagen Simon und Garfunkel gespielt und gesungen. Dann kam für eine kurze Zeit Gitarrist Günther Hedwig wieder dazu, aber wegen seiner anderen musikalischen Verpflichtungen hörte er bald wieder auf und empfahl den Brüdern vor etwa zwei Jahren, doch wieder Kontakt zu Horst Kühr aufzunehmen. Seitdem spielen sie zu dritt unter dem Namen „Arnstädter Satelliten“ vor allem die Instrumentaltitel von damals. Mit Larissa Heyder ist nun auch eine Sängerin dabei.
Erster öffentlicher Auftritt der Reunions-Band war 2016 zum Arnstädter Stadtfest, der nächste ist am 1. Juli ab 19 Uhr in der Wiesendiele. Sie sind nicht mehr so wild wie damals, aber sie lassen sich nicht unterkriegen. Die Satelliten haben bisher noch jede Umbesetzung und auch ihr Verbot überstanden.
Hallo Horst (Kühr),
nach über 50 Jahren habe ich dich wieder entdeckt.
Ich denke oft an unsere ArmeeBand auf Rügen. Wir waren gute Freunde.
Freut mich, daß dein Herz auch immer noch für die Musik brennt.
LG vom Bodensee
Jürgen D.
Wir suchen das Bandmitglied der ehemaligen Band, Arnstädter Satelliten, Paul Hübner. Unser gemeinsame Dienstzeit war 1967bis1968 in Prora auf Rügen. In den 80iger Jahren haben wir uns aus den Augen verloren. Ein Lebenszeichen von Paul wäre sehr schön vielen Dank im voraus.