Ein Erfurter, den vor zwei Monaten in Arnstadt kaum einer kannte, hat die Bürgermeisterwahl gewonnen. Das sagt viel über die Stimmung in der Stadt und im Rathaus aus.
Der Arnschter nölt gern über die Zustände – aber er mag keine Veränderungen. Diesen Spruch habe ich erst kürzlich wieder gehört, als es um eine Prognose für die Stichwahl ging. Offenbar hat es diesmal nicht ganz gestimmt. Knapp zwar, mit nur 330 Stimmen Vorsprung, hat die Veränderung gewonnen. Der Veränderer von 2012 muss das Bürgermeisterzimmer wieder räumen.
An der Wahlbeteiligung hat es wohl nicht gelegen. Die war zwar mit 43 Prozent nicht berauschend, aber gemessen an den 29,9 Prozent bei den Landratswahlen in Gotha oder den 35,8 Prozent bei der Erfurter Oberbürgermeister-Stichwahl auch wieder gar nicht so schlecht. Man muss den Leuten einfach zugestehen, dass sie bei zwei Kandidaten keinen finden, dem sie ihr Vertrauen schenken möchten. Ich halte jedenfalls Publikumsbeschimpfung ob der schlechten Wahlbeteiligung für keine gute Idee.
Woran es aus meiner Sicht auch nicht gelegen hat: An den Wahlempfehlungen vor der Stichwahl. Da hatte sich die SPD für Alexander Dill entschieden, ebenso wie der eine FDP-Stadtrat und die 3,5 Mitglieder des „Bürgerprojekts“. Die Linke wollte niemanden vorschlagen, was ihren Kandidaten Jens Petermann nicht davon abhielt, Frank Spilling zu favorisieren. Auch Angelika Stiel, die im ersten Wahlgang das drittbeste Ergebnis erzielt hatte, sprach sich für Spilling aus. Lars Oschmann, der oberste Thüringer Feuerwehrmann und CDU-Stadtrat in Plaue, ließ sich mit Spilling fotografieren. Hochsprung-Altmeister Hubertus Triebel auch. Einige Stimmen mögen solche Empfehlungen gebracht haben, aber viele dürften es nicht gewesen sein.
Ich glaube, es war das fehlende Vertrauen in den Willen und die Kraft von Alexander Dill, in dieser Stadt gewünschte und notwendige Veränderungen voranzutreiben. Natürlich weiß niemand, ob Frank Spilling diese Kraft und das nötige Geschick aufbringen kann, aber die Mehrheit fand, er solle eine Chance bekommen. Wie schon 2012 wurde einer gewählt, den man nicht kannte. Die Arnstädter sind gegenüber Veränderungen gar nicht so abgeneigt.
Wie Alexander Dill 2012 trifft auch Frank Spilling auf einen ziemlich diffusen Stadtrat. Offiziell tragen ihn CDU und Pro Arnstadt als Bürgermeister, zusammen haben beide 14 von 30 Stimmen, das reicht nicht für Mehrheitsentscheidungen. Aber die SPD ist keineswegs geschlossen gegen Spilling. Und wie sich das für und von Alexander Dill ins Leben gerufene Bürgerprojekt orientiert, wenn der alte Bürgermeister nicht mehr da ist, wird sich zeigen. Andererseits ist Pro Arnstadt lange nicht so geschlossen wie es scheint. Fraktionsvize Stefan Buchtzik ist zugleich stellvertretender Sprecher des AfD-Kreisverbands Arnstadt-Gotha, was einigen in der Fraktion gar nicht gefällt. Es könnte sein, dass es irgendwann zum offenen Bruch kommt.
Aich die Linke ist als geschlossene Fraktion in jüngster Zeit kaum noch erkennbar, was sich nicht zuletzt in der fehlenden Empfehlung für die Stichwahl gezeigt hat. Ihr Kandidat Jens Petermann, der Spilling empfohlen hatte, hat zwar (aus mir bis heute nicht erklärlichen Gründen) für den Wahlkampf sein Stadtratsmandat niedergelegt, aber die offizielle Linke-Position war seit Jahren: Dill muss weg. Wenn man den, der dieses Ziel nun umgesetzt hat, als Bürgermeister nicht wenigstens in Sachfragen zu einer Mehrheit verhilft, gibt das kein gutes Bild ab.
Frank Spilling hat also eine Chance. Ob er sie nutzen kann, wird sich zeigen. Er zieht zwar erst am 1. Juli ins Rathaus ein, aber muss jetzt schon Zeichen aussenden, was er vor hat und wie er zu agieren gedenkt. Die Kommentare in den sozialen Medien am Wahlabend haben gezeigt, dass er es dabei nicht leicht haben wird. Es geht sehr ruppig zu in Arnstadts Wählerschaft. Und es gibt im politischen Raum genügend Leute, die glauben, die besseren Rezepte zu haben. Auch wenn sie zur Bürgermeisterwahl gar nicht angetreten sind.
Von Frank Spilling wird erwartet, dass er viele Wünsche erfüllt. Auch unerfüllbare. Er muss es schaffen, ein Aufbruchsgefühl in der Stadt zu verbreiten und nicht voreilig Türen zuzuschlagen, die nur einen Spalt breit geöffnet sind. Und er muss mit Eitelkeiten umgehen lernen, die keinesfalls immer auf Fähigkeiten beruhen. Er ist wahrlich nicht zu beneiden.
Ich bin mir sicher, dass er Arnstadt wieder aufbaut und nach vorne bringt.
Zumindest weiß ich eines genau – er wird nicht cholerisch mit hochrotem Kopf durch das Rathaus rennen und den Krankenstand der Verwaltung erhöhen.
Ich freue mich einen neuen Bürgermeister mit Sachverstand zu haben, der Beschlüsse umsetzt, eine Stadt nicht kaputt spart und keine Fördergelder verschenkt / verfallen lässt.
….und in Zukunft die Einwohner mit wahren Zahlen über den Finanzhaushalt der Stadt informiert.
Einfach einen Bürgermeister der für seine Stadt agiert und nicht für seine persönlichen Interessen.
Anmerkung:
Ein Bürgermeister der selbst einen Beschlussantrag zur Sitzung des Stsdtrates einbringt, letztendlich gegen seinen eigenen Antrag stimmt weil der Stadtrat zugestimmt hat – Hallo- gehts noch?
Die Wähler haben nach und mitgedacht und gut gewählt.
Ich glaube einfach gut und klug analysiert aber auch kommentiert.
Ich denke, A. Dill hat verloren aus anderen Gründen:
1. U.U. stand ihm nicht sein komplettes Beratungsteam wie bei seiner Erstwahl zur Verfügung.-
2.- Wohl auch deshalb war er nicht in der Lage, der im angeblich so fairen Wahlkampf in den sozialen Medien gegen ihn geführten Hetze mit Halb- und Unwahrheiten entgegen zu treten.
3. Er wandte sich an die Wähler mit Vernunft und Einsicht und übersah dabei, dass die anderen in der Mehrheit sind.
4. Dies korrespondiert damit, dass der Mensch , vor alllem der schlicht strukturierte Mensch, lieber bequeme Unwahrheiten denn unbequeme Wahrheiten vernimmt.
5. Er hätte in der Tat aggressiver auftreten und die Platitüden des Herrn Spilling als solche entlarven sollen., nämlich als ein wortreiches Nichtssagen.