Bachs Welthit

Sein berühmtestes Werk hat Johann Sebastian Bach mit ziemlicher Sicherheit in Arnstadt geschrieben. Selbst wenn es daran Zweifel gibt: Es ist ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem man mehr Touristen locken könnte.

Es gibt Musikstücke, die sich mit wenigen Silben beschreiben lassen. Bei „Dadada-da“ fällt einem sofort die fünfte Sinfonie von Ludwig van Beethoven ein. Und „Dididi“ steht für den Eingangs-Triller der Toccata und Fuge d-Moll von Johann Sebastian Bach. Dieses Werk kennen nicht nur Klassik-Fans, es taucht in zahlreichen Filmen als musikalisches Thema auf und wird auch gern in Computerspielen verwendet. Es ist das wahrscheinlich bekannteste Orgelstück der Welt. Und es entstand wohl in Arnstadt.

Nach der Faktenlage ist das nicht sicher, denn von Bach selbst ist  kein Notenblatt der „Toccata“ erhalten. Es gibt nur eine Abschrift von Johannes Ringk aus dem Jahre 1750, in der aber ausdrücklich auf die Autorenschaft Bachs hingewiesen wird. Ringk, der in Frankenhain geboren wurde, war ein Schüler des zumindest hier in der Region bekannten Gräfenrodaer Komponisten Johann Peter Kellner. Deshalb gibt es auch Vermutungen, die Toccata stamme gar nicht von Bach – sondern von Kellner oder aus seinem Umfeld. Darüber streiten sich seit einiger Zeit die Musikwissenschaftler. Es ist ein Streit über Stile, Einflüsse und Entwicklungen des jungen Bach, der auch vor dem Hintergrund geführt wird, dass die Toccata und Fuge d-Moll unter Experten nicht sonderlich beliebt ist. Ähnlich wie bei Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ rümpfen manche ob der enormen Beliebtheit des Stücks die Nase: Was so populär ist, kann keine Kunst sein. Und am besten auch nicht von Bach.

Allerdings wird dieser Streit nur von einigen geführt. Die Mehrheit der Bachforscher ist sich einig: Bach hat die Toccata und Fuge  d-Moll geschrieben. Und zwar in seiner Arnstädter Zeit zwischen 1703 und 1707.

Diese Erkenntnis wirft ein völlig neues Licht auf diese Zeit – und auf Arnstadt. Mit dem „Soundtrack“ der Toccata läuft der Film von Bachs Arnstädter Jahren ganz anders ab. Plötzlich schrumpfen seine Auseinandersetzung mit dem „Zippelfagottisten“ Geyersbach oder seine unbefugte Urlaubsüberschreitung zu Momentaufnahmen. In den Vordergrund tritt ein junges lebenslustiges Genie, das alles aufsaugt, was seiner musikalischen Entwicklung dienlich sein kann. Ein Komponist, der Erfahrungen wie die der Reise zu Dietrich Buxtehude  nach Lübeck zu wunderbarer eigener Musik destilliert. Wild und klar. So wie die Toccata.

Auch Arnstadt wird anders, wenn man bei einem Gang durch die Stadt dieses Musikstück hört. Das Kleinliche, manchmal Zänkische verschwindet, die Gesichter erscheinen heller, die Häuser noch selbstbewusster und prächtiger.

Arnstadt sollte das Geschenk der Toccata annehmen und etwas daraus machen. Alle Zweifel an der Urheberschaft werden wohl nie  beseitigt werden können, aber davon sollten wir uns nicht abhalten lassen. Und außerdem bliebe uns dieses Musikstück auch, wenn es nicht von Bach wäre. Denn die älteste Abschrift stammt von einem Frankenhainer. Und das ist gleich um die Ecke.

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