Nur noch wenige Tage – dann ist Bürgermeisterwahl. Auf den letzten Metern wird’s in Arnstadt doch noch ein wenig schmuddelig, Aber davon sollte sich keiner abhalten lassen. Denn wichtig ist: Wir können wählen. Und sollten es auch unbedingt tun.
Zwischen 1894 und 1928 erlebte Arnstadt einen unerhörten Aufschwung. Das Stadtarchiv entstand, der Wasserturm, das Gaswerk am Anger, die Arnsbergschule und das Fürst-Günther-Gymnasium wurden gebaut, Arnstadt erhielt die Kreisfreiheit und es wurde viel für sozial schwache Bürger getan. Zu verdanken ist das in hohem Maße der Weitsicht und dem Gestaltungswillen eines Mannes: Harald Bielfeld, in dieser Zeit (Ober-)Bürgermeister der Stadt.
Wäre es nach einigen heutigen geschichtsvergessenen Arnstädtern gegangen, hätte so ein Mann nie an die Spitze der Kommune gelangen dürfen. Denn er war kein Arnstädter. Er kam in Sprottau auf die Welt, das heute in Polen liegt und „Szprotawa“ heißt, seine Frau heiratete er in Sanssouci und seine letzte Anstellung vor der Wahl zum Arnstädter Bürgermeister hatte er in Schleswig.
Angesichts dieser Erfolgsstory hätte man es nicht für möglich gehalten, das die Bio-Frage heutzutage tatsächlich im Arnstädter Wahlkampf eine Rolle spielen würde. Aber es gibt tatsächlich Leute, die bei der Beurteilung der Kandidatinnen und Kandidaten nicht ins Wahlprogramm, sondern den Personalausweis schauen. Am übelsten wird dabei einem Mann mitgespielt, der sogar in Arnstadt geboren ist: Frank Spilling. Nur weil er gegenwärtig in Erfurt wohnt, wird ihm jede Eignung als Kandidat abgesprochen. Zeitgenossen, die dieser Religion anhängen, empfehle ich einen Betritt zu einem der Arnstädter Geschichtsvereine. Dort kann man sie sicher über die segensreiche Rolle des „Zugereisten“ Harald Bielfeld aufklären.
Spilling scheint auch in anderer Hinsicht am meisten unter einem an Unsachlichkeit zunehmenden Wahlkampf zu leiden. Man hat seine Internet-Seite manipuliert, es gab falsche Telefonanrufe, dass er angeblich seine Kandidatur zurückziehen würde und ähnliche unschöne Dinge. Auch andere Bewerber berichten von einem gelegentlichen Abrutschen des Wahlkampfs unter die Gürtellinie, aber alle betonen, dass sie sich von solchen Versuchen distanzieren.
Tatsächlich kann man die Atmosphäre untereinander getrost als freundlich bezeichnen. Das war nicht nur bei der TA-Podiumsdiskussion am 5. April in der „Henne“ mit allen Kandidaten zu spüren, sondern ist auch jeden Dienstag am Hopfenbrunnen zu erleben, der sich in Wahlkampfzeiten zur Arnstädter „Speakers Corner“ gemausert hat. Der Wähler kann innerhalb einer halben Stunde mit allen Kandidaten sprechen. Und manchmal sprechen die Kandidaten sogar miteinander.
Aber wen sollte man denn nun wählen?
Mein wichtigster Rat ist: Man sollte unbedingt wählen. Auch ich habe dienstags am Hopfenbrunnen das Argument gehört, es sei doch egal, wer in Arnstadt im Rathaus sitzt. Die wichtigen Fragen werden ohnehin woanders entschieden. Das stimmt zum Teil, bei Hartz IV, den Umgang mit Asylbewerbern oder die Höhe der Rente kann eine Bürgermeisterin oder ein Bürgermeister wenig bewegen. Aber ob diese oder jene Brücke saniert, der Jugendtreff geschlossen, die Straße öfter gereinigt oder die Parkgebühr erhöht wird, das ist Sache der Kommune und geht uns auch alle an. Ob es in Arnstadt aufwärts geht, stagniert oder sogar schlechter wird, daran hat der Bürgermeister einen wesentlichen Anteil. Wer die Chance vergibt, sich an der Auswahl des richtigen Kandidaten für das Bürgermeisteramt zu beteiligen, macht deshalb einen Riesenfehler.
Aber wer ist den nun am besten geeignet?
Das muss schon jeder selbst entscheiden. Ich kann nur ein paar Entscheidungshilfen anbieten.
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- Die Ideen
Hat der Kandidat/die Kandidatin eine Vision für die Stadt? Gibt es in seinem Programm etwas, was mir besonders gut gefällt? - Die menschliche Eignung
Ein Bürgermeister muss kommunikativ sein. Ohne Stadtrat und Verwaltung kann er keine Idee umsetzen, sei sie auch noch so gut. Deshalb ist es wichtig, dass er über eine positive Ausstrahlung verfügt, motivieren kann, bei Niederlagen nicht gleich aufgibt, aber auch andere Meinungen gelten lässt und nach Kompromissen sucht. Das ist viel verlangt, aber drunter gehts halt nicht. - Die fachliche Eignung
Es ist gut, wenn jemand Erfahrungen mit Menschenführung hat und sich in Gesetzen und Vorschriften auskennt. Es muss aber nicht zwingend Voraussetzung sein. Ein Bürgermeister kann auch einen kompetenten Menschen seines Vertrauens zum Beigeordneten machen. - Die Herkunftsfrage
Wo einer geboren ist und wie lange er in Arnstadt lebt, sollte bei der Wahlentscheidung keine Rolle spielen – siehe das Beispiel Bielfeld. Natürlich ist es gut, die Stadt und das Rathaus zu kennen, aber ein unvoreingenommener Blick von außen ist manchmal auch nicht schlecht. Es gab schon gute Bürgermeister, die aus Arnstadt stammten. Aber es gab eben auch Hans Bohn (oder Nebel), der wegen seiner Starrsinnigkeit für den großen Stadtbrand von 1581 verantwortlich war. Ich glaube, das war ein richtiger Arnstädter.
- Die Ideen
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Ich weiß nicht, ob meine kleine Entscheidungshilfe jemandem nützt. Mir hat sie jedenfalls geholfen, ich weiß nun, wem ich am Sonntag meine Stimme gebe. Wir sehen uns im Wahllokal.
sehr guter Artikel
Danke!
Sehr schön geschrieben, Herr Pfeiffer.-
Ein paar Anmerkungen gleichwohl.-
1.- Einen Dr. Harald Bielfeld wird Arnstadt nicht wieder bekommen; nicht, weil es einen solchen Menschen in dieser Komplexizität aktuell vielleicht gar nicht gibt, sondern weil die Thüringer Kommunalordnung die Direktwahl des Bürgermeisters vorschreibt.- Dr. Bielfeld musste sich nur dem damaligen Stadtrat vorstellen, der ihn dann erkor. Unter heutigen Gegebenheiten würde er es kaum schaffen, sich allen Bürgern entsprechend langfristig empfehlen zu können.
2.- Wahlkampf wird – mit Verlaub – egal auf welcher politischen Ebene – nur für – ich nenne es mal so: – Leichtgläubige gemacht. Schon die Wahlkampfregeln im antiken Rom, ich meine , von Cicero dargestellt, besagten: Versprich Allen Alles, lüge, so gut Du kannst, und beleidige Deine Gegner.- (Letztere zwei Positionen will ich keinem Anwärter unterstellen)
3.- In die eigene Wahlentscheidungsfindung gehört m.E noch:
– Welche Ankündigung bzw welches Versprechen fallen überhaupt in die Kompetenz eines Bürgermeisters bzw sind überhaupt kommunaler Belang?
-Welcher Beraterstab steht hinter dem Kandidaten ( auf welche – externen – Kompetenzen hat er Zugriff)?
– Wie belebt man eigentlich eine „Wirtschaft“? Und vor Allem: Womit?
– Was heißt Belebung der Innenstadt? Mehr Menschen, die tagsüber durch die Stadt flanieren? Die kann man zB mit kostenlosen Getränken locken. Oder doch eher: Kauft bitte in meinem innerstädtischen Laden ein! Kaufmännischer Erfolg der Geschäftsinhaber, so gern ich ihnen den gönne, ist KEIN kommunaler Belang!
– In Zeiten, in denen die geografische Herkunft zunehmend unbedeutender wird, ist es genauso sinnentleert, den Geburtsort zum Entscheidungskriterium zu erheben, wie ihn zu betonen ( „Arnschter Jung“).-
Aber Wahlkampf wird nun mal für , ich nenne es mal so, Leichtgläubige gemacht.-
Mit freundlichen Grüßen,
U.Kreienbrock
Besser kann man es nicht erklären. Hier spricht die Vernunft und Liebe zur Stadt !
Für mich kommt prinzipiell nur jemand als Bürgermeister in Frage, der oder die Wahlkampf mit eigenem Programm und Schwerpunkten macht, sich nicht auf Kosten anderer zu profilieren sucht, diese schlecht redet oder gar verleumdet. Dazu zähle ich dann auch die Verbündeten in den Fraktionen. Wichtig ist mir auch jene Haltung der Kandidaten, welche signalisiert, bei eigenem Nichterfolg das jeweilige Ergebnis und die erfolgreichere Person respektieren und mit ihr zusammenarbeiten zu können.