Rathaus

Was sollte man in Arnstadt gesehen haben? Für eine Broschüre zum Stadtrechtsjubiläum habe ich dazu einige Texte geschrieben. Auf jeden Fall gehört das Rathaus dazu.

An diesem Rot kommt keiner vorbei. Es gibt viele sehenswerte Häuser am Markt, doch der erste Blick geht unweigerlich zu einer Überdosis Renaissance. Seit der Sanierung noch roter, goldener und prächtiger, scheint das Rathaus ein wenig zu edel geraten für die Stadt. Das stärkt das bürgerliche Selbstbewusstsein: Prunk macht stolz, Nachbarn neidisch und hoffentlich Stadtväter ehrfürchtig. Wer hier auf Zeit einzieht, möge in Demut und weise regieren.

Arnstadt verdankt sein jetziges Rathaus einem Bürgermeister, dem es an Demut und Weisheit mangelte. Hans Nebel ließ vor bald 500 Jahren an einem heißem Augusttag trotz mahnender Stimmen seine Dachrinne mit Pech ausgießen und verursachte so den größten Brand in der Geschichte der Stadt. Als ein Jahr später der Bau des neuen Rathauses begann, kam auch noch die Pest. Es war eine finstere Zeit. Wer keine Gegenwart hat, baut für die Zukunft.

Wenn die Mittagssonne auf die Marktseite des Rathauses fällt, strahlt es besonders prächtig. Golden die mechanische und die Sonnenuhr, golden der Balkon des großen Ratssaals. Die Ziergiebel des Rathauses ähnelten damals denen des Schlosses Neideck, der bürgerliche Bau stand dem des Fürsten in nichts nach. Heute ist vom Schloss nur noch eine Ruine übrig. Das bürgerliche Selbstbewusstsein steht konkurrenzlos auf dem Markt.

Das Rathaus hat viele Wandlungen erfahren. Einige Gebäudeteile stammen noch aus der Zeit vor dem großen Brand – wie die Kapelle im Keller oder die Balken im Trauzimmer. Anderes wurde erst im 19. Jahrhundert gebaut. Wenn der Platz knapp war, kamen Nachbarhäuser dazu. Es finden sich mitten im Haus Reste einer kleinen Gasse, die einst zwischen den Häusern verlief. Äußerlich ist davon nicht viel zu sehen, aber in den Büros, Treppenhäusern und Gängen begegnet man von Renaissance bis zum Jugendstil so ziemlich allen Epochen.

Mit der Sanierung kam die Moderne hinzu. Nicht nur die Fassade wurde aufgefrischt. Auf der Rückseite entstand ein Neubau mit viel Glas. So bleibt der Blick auf die alte Fassade frei, aber man konnte neue Technik unterbringen und Rollstuhlfahrer kommen nun in alle Räume. Außerdem ist Platz für einen Empfangsbereich, Veranstaltungen oder Ausstellungen. Obwohl der Arnstädter eher das Traditionelle schätzt, wurde über diesen „Glasverbinder“ wenig gemeckert. Es gab auch einen Denkmalschutzpreis dafür.

Das Beste an der Sanierung: Es ist kein Museum geworden. In vielen Rathäusern findet man nur noch das Bürgermeisterzimmer und Repräsentationsräume, die Verwaltung zog in langweilige Zweckbauten. In Arnstadt ging man den entgegengesetzten Weg, holte sogar einige ausgelagerte Abteilungen wieder zurück. Denn in diesem alten Haus kann man gut arbeiten.

Das Rathaus hat fast fünf Jahrhunderte auf dem Buckel. Aber es bietet beste Voraussetzungen, um in Demut und weise zu regieren.

Man sollte sie nutzen.

(zu meinen „Arnstädter Perlen“ gehören auch das Schlossmuseum, die Bachkirche und der Spittel)

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