Von jeder Laterne wird man angestarrt. Mal freundlich, mal bemüht-nett, manchmal auch etwas grimmig – aber immer mit der unmissverständlichen Aufforderung: WÄHLE MICH! Oder uns. Aber nicht die anderen. Wir wollen doch nur nur das Beste. Deine Stimme.
Man kann in diesem Arnstädter Wahlkampf so einiges lernen. Man erfährt, bei wem jetzt die Kattas wohnen, die früher mal im Tierpark „Fasanerie“ zu sehen waren und wie viele Wahlplakate hinter eine Schaufensterscheibe passen. Man bekommt mit, wie schwer es ist, ansehnliche Videos zu produzieren oder Plakate so festzumachen, dass die Kabelbinder nicht ins Auge gehen. Man lernt, dass die ziemlich teuren Großplakate, die zum Beispiel vor dem Landratsamt stehen, „Wesselmänner“ heißen und dass es wohl keine gute Idee ist, schon vor der Wahl einen ausgefüllten Wahlzettel zu fotografieren und ins Netz zu stellen. Manche Plakate geben allerdings auch Rätsel auf. Warum bloß soll man Grünflächen nur vor Betonflächen anlegen und nicht auch dahinter?
Die Plakat-Flut ist üppig, differiert aber stark. Während von einer Bewerbergruppe noch so gut wie gar nichts zu sehen ist, hat eine andere offensichtlich die Laternen in Arnstadt abgezählt und dann fünf Mal so viele Einzelplakate der antretenden Kandidaten bestellt und gehängt. Andere treten plakatmäßig sparsamer und eher in kleinen Gruppen auf. Eine Partei will ausschließlich mit dem Spitzenquartett werben , dem die bisherigen Spitzenleute nicht angehören. Allerdings ist auch vom Spitzenqartett noch nicht viel im Stadtbild zu sehen. Und eine Liste machts ganz ohne Einzelköpfe oder Kleingruppen. Sie ist werbemäßig nur als Gesamtkunstwerk zu haben, an Litfaßsäulen und auf Wesselmännern.
Musikalisch ist im Wahlkampf von Tino Standhaft über Housemusic bis zu Scherbe kontra Bass für Jugendliche und Altrocker einiges dabei, das Helene Fischer-Klientel wird aus meiner Sicht allerdings etwas vernachlässigt. Daran änderte auch das kürzlich veranstaltete Event „Brumm und Summ“ nichts. Es war dann doch keine Veranstaltung für Schlagerfreunde, sondern eine Aktion gegen die allgemeine Wohnungsknappheit bei Insekten.
Sozialmedial ist wahlkampfmäßig bei Facebook am meisten los. Dort kann man sich bei Bürgerprojekt, CDU, SPD, Grünen, AfD, Linke und FDP über Kandidaten und Programme informieren. Manche haben zusätzlich Webseiten, die man bei den Facebook-Auftritten unter „Info“ findet.
Was neu ist in diesem Wahlkampf: die missverständliche Verkleidung. Man druckt den Namen der Liste auf schwarz-gelbe Warnwesten und zieht damit in den Straßenwahlkampf. Das kann man wahlweise als Zorn gegen das Establishment wie in Frankreich oder als unverbrüchliche Solidarität mit allen Schülerlotsen und Gleisbauarbeitern deuten. Die Westenträger selbst haben auf Nachfrage eine andere Deutung parat: Schwarz und Gelb seien doch die Arnstädter Stadtfarben. Verbal mag das stimmen. Aber optisch ist die hellere Arnstadt-Farbe das Gelbe vom Ei, was man von der Warnweste nicht behaupten kann.
Zum Schluss noch ein Lesetipp: Die endgültigen Kandidatenlisten kann man jetzt auf der Arnstadt-Seite nachlesen. Das ist ganz lustig, denn dort erfährt man nicht nur das Alter der Kandidatinnen und Kandidaten, sondern auch die vollständigen Namen und den Beruf. So heißt Judith Rüber (Linke) eigentlich „Rüber-Lachenmann“, während Martina Lang innerhalb der Legislatur zwei Vornamen eingebüßt hat. 2014 bewarb sie sich als Martina Helga Irene, diesmal ist nur noch die Martina übrig geblieben, als die sie allgemein bekannt ist. Bei den Berufen gibt jeder an, was ihm gefällt. Mancher das, was er jetzt macht, mancher das, was er gelernt hat. Und mancher ist eher stolz auf seinen sozialen Status als Angestellter oder Beamter, Steigerungsform „Ministerialrat i.R.“.
Schauen Sie doch einfach mal vorbei und suchen Sie sich einen, zwei oder drei Kandidaten aus. Es ist nicht mehr lange hin bis zur Wahl.