Der Alte Friedhof ist das Brennglas der Arnstädter Geschichte. Im Dezember verlor er bei einer unangekündigten Fällaktion einen großen Teil seines historischen Baumbestands. Die Wunden sind noch sichtbar, aufgeräumt hat bisher niemand.
Nirgendwo in Arnstadt ist Stadtgeschichte auf so engem Raum erlebbar wie auf dem Alten Friedhof. Die Erinnerung an die große Bachfamilie, die Gräber von Alexis, Marlitt und der Fürstinnen und Fürsten, das einsame Tor auf der Wiese, das erst im Dorotheental und dann am Eingang dieses Friedhofs stand, die Himmelfahrtskirche, das Grab der Frau von Linsky, die durch einen Flintenschuss starb und durch einen Marlitt-Roman unsterblich wurde. Und schließlich die Mahnmale für die Opfer des Nationalsozialismus: Der Gedenkstein, der an die Brandstiftung an der Synagoge erinnert, der „Rufer“ und die Stele am Weg des Todesmarsches der KZ-Häftlinge.
Es ist eine Geschichtsinsel, ein Kleinod zwischen Bahnhofsstraße und Marienstift – und es war eine kleine grüne Lunge mitten in der Stadt mit einem Baumbestand, der scheinbar so alt war wie der Alte Friedhof selbst und nicht nur Experten in Staunen versetzte. Bis im Dezember plötzlich viele der alten Bäume gefällt oder verstümmelt wurden. Seitdem sieht es dort aus, als hätten die Holzfäller vor, eigentlich alles abzusägen und machten nur eben mal Mittagspause. Denn neben den Baumstümpfen liegen noch jede Menge zerkleinerte Stämme herum. Wer kann, meidet den Weg durch den kleinen Park. Es ist einfach zu deprimierend.
Bäume sind in Arnstadt ein sensibles Thema. Über nahezu jede Baumfällung wird im Bauausschuss ausführlich diskutiert – und ich finde, das ist auch gut so. Zum Beispiel wurde über die Frage, ob auf dem Markt drei Linden am Ende ihrer Lebenszeit angekommen waren oder nicht, 2011 lange heftig gestritten – und zwar VOR der Fällung. Nur im jüngsten Fall, vor dem Kahlschlag auf dem Alten Friedhof, gab es keine solche Debatte. Es wurde einfach drauflos gefällt.
Ich kann nicht beurteilen, wie krank die gefällten Bäume waren und ob man sie vielleicht hätte retten können. Und ich weiß auch nicht, ob es einen Plan gibt, wie aus diesem nun so tristem Flecken wieder ein Park entstehen könnte, der dem historischen Umfeld gerecht wird und in dem man sich wieder wohlfühlen könnte. Ich hoffe es, aber ich bin da nicht besonders optimistisch.
Ich wünsche mir jedenfalls für 2020, dass Arnstadt künftig nicht noch mehr solche Wunden geschlagen werden. Es dauert einfach zu lange, bis sie verheilen.