Es bleibt anders

Nach Ostern soll entschieden werden, ob die Kontaktverbote wegen der Corona-Pandemie gelockert werden können. Eine schnelle Rückkehr zur Normalität darf man aber nicht erwarten. Wenn kein Wunder geschieht, wird  uns Corona noch viele Monate beschäftigen.

Ostern wird wohl die bisher härteste Belastungsprobe. Keine Familienfeste, kein Essen außerhalb, der Osterspaziergang höchstens  mit der „Kernfamilie“ – und auch nur in gebührendem Abstand zu anderen. Und ansonsten soll man das tun, was viele schon seit Wochen machen: Zuhausebleiben.  Doch es gibt einen Lichtblick: Nach Ostern sollen „Lockerungen“ kommen, welche auch immer. Und ansonsten gehen die Infektionszahlen ja  auch zurück. Vielleicht wird schon bald wieder alles normal, hoffen derzeit wohl viele.

Doch die Fakten sprechen  dagegen. Egal, welchen Weg die Bundesregierung und die Länder nach Ostern einschlagen, es wird noch sehr lange dauern.

Grundsätzlich sind es drei unterschiedliche Strategien, die man in einer solchen Krise anwenden kann, wenn weder ein Impfstoff noch eine Therapie zur Linderung schwerer Fälle  zur Verfügung steht:

  • das Zulassen einer  weitgehend ungebremsten Ausbreitung der Seuche, um eine schnelle Immunisierung der Gesellschaft zu erreichen, um dann wieder zur Tagesordnung übergehen zu können
  • das kompromisslose Herunterfahren des öffentlichen Lebens   für möglichst kurze Zeit, um der Seuche die Ausbreitungswege zu versperren  und   sie  sie dadurch zu „besiegen“.
  • irgendwas dazwischen

Am Anfang, als Covid19 noch als recht ungefährliche Grippevariante gehandelt wurde,  gab es viele Befürworter der „ungebremsten Ausbreitung“. Auch heute noch hört man oft das Argument, es würde ja fast nur Leute treffen, die sowieso nicht mehr lange zu leben hätten.  Und überhaupt: Die Todeszahlen seien doch geringer als bei jeder Grippe und die Alten könnte man schließlich isolieren, damit alle anderen normal weiter leben und arbeiten könnten.

Abgesehen von der fragwürdigen ethischen Grundhaltung, die aus solchen Wortmeldungen spricht, gehen sie völlig am Problem und dem Charakter der Pandemie vorbei.  Es geht nicht darum, wer ein „echter Corona-Toter“ ist. Das Virus ist gefährlich nicht nur für Alte und Leute mit Vorerkrankungen. Eine weitgehend ungebremste Ausbreitung   führt zu einer existentiellen Überlastung des Gesundheitssystems, das kann man derzeit in Italien, Spanien oder New York besichtigen. Davon sind dann nicht nur Corona-Patienten, sondern alle betroffen, die irgendwelche gesundheitlichen Probleme haben oder bekommen.   Es würde einen völligen Kollaps der Gesellschaft bedeuten. Deshalb gibt es auch kein Land auf der Welt, das ernsthaft diesen Weg geht. Alle schränken irgendwie die Bewegungsfreiheit ihrer Bewohner ein, um die Ausbreitung zu verlangsamen.

Dabei gibt es große Unterschiede. Neuseeland macht es anders als die Türkei, Schweden anders als Spanien. Das hängt von der Lage und der Bevölkerungsdichte ab, aber   auch von den Ideen der regierenden Politiker.

Alle fahren dabei auf Sicht, denn es gibt für so etwas keine fertigen Pläne in der Schublade. Alle Viren sind anders , auch die SARS-Varianten. Mit einem, das nur in Maßen tödlich ist, aber im Verlauf unberechenbar, und das sich schon vor dem ersten merkbaren Anzeichen   auf weitere  Kontaktpersonen verbreitet, hat noch vor einem halben Jahr kein Mensch gerechnet. Alles andere sind Verschwörungstheorien.

Deutschland ist bisher vergleichsweise gut durch die Krise  gekommen, was die gesundheitliche Situation betrifft. Im psychischen Bereich sieht es anders aus. Viele, gerade Freischaffende  oder Einzelhändler, fühlen sich in ihrer Existenz bedroht.  Die Mischung von Schulfrei und Homeoffice bekommt vielen Familien nicht gut. Und wer jetzt in Kurzarbeit geschickt oder gar gekündigt wurde, hat zu Recht Zukunftsangst.

Doch durch die recht rigide Beschneidung der Bewegungsfreiheit ist es gelungen, die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Seuche  tatsächlich zu verlangsamen.  Mit Stand Gründonnerstag haben sich in Thüringen gerade einmal  1354 Menschen mit dem Virus infiziert, bei 2,1 Millionen Einwohnern.  Und die Zuwachsraten werden geringer. Eine gute Nachricht, die aber auch eine Kehrseite hat: Es  ist nur ein ganz geringer Teil der Bevölkerung immun geworden. Ginge die jetzige Entwicklung so weiter, wären es in einem Jahr erst ein Prozent. Und gegenwärtig weiß niemand genau, wie lange die Immunität anhält. Solange aber nicht die Mehrheit der Menschen immun gegen die Seuche ist, kann man eigentlich nicht zum normalen Leben zurückkehren. Immun wird man nur durch  eine Impfung, die wir noch nicht haben – oder durch eine Erkrankung, die wir nicht wollen.

Deshalb gibt es gegenwärtig durchaus Stimmen, die noch drastischere Einschränkungen  für die Bevölkerung fordern, um das Virus dadurch „auszutrocknen“:  Wenn es sich so gut wie gar nicht verbreiten kann,  wird es irgendwie verschwinden. Das mag eine theoretisch sinnvolle Überlegung sein, aber praktisch halte ich sie nicht für durchführbar.  Das ginge vielleicht noch auf einer dünn besiedelten Insel, aber nicht mitten in Europa. Das Virus würde schneller wieder da sein, als es gegangen ist. Und alles ginge von vorne los.

Wir müssen wohl mit Einschränkungen leben, bis es einen Impfstoff und /oder  wirksame Therapien gegen die Seuche gibt. Ich kenne keinen Wissenschaftler, der diesen Impfstoff vor Jahresende erwarten würde. Es wird also noch lange dauern. Darauf müssen wir uns einstellen. In jeder Hinsicht.

Wir müssen uns darauf einstellen, dass unser Leben auch künftig nicht normal sein wird. Abstand halten, keine Konzerte , Parteitage oder Volksfeste besuchen, Händewaschen bis sie rissig werden und öfter als sonst zuhause bleiben . Aber  wir müssen auch die Maßnahmen neu einstellen, die gegen eine schnelle Ausbreitung des Virus  erfunden wurden. Einige haben sich bewährt, andere erschienen von Anfang an fragwürdig oder weitgehend wirkungslos.

Es ist höchste Zeit, das Verkaufsverbot für kleine und mittlere  Einzelhandelsgeschäfte aufzuheben und die Gaststätten wieder zu öffnen. Natürlich unter Einhaltung  aller Abstands- und Hygienegebote, das kann ein Buchhändler mindestens genau so  gut wie ein Bau- oder Supermarkt.  Aber wenn sich seine Kunden noch ein halbes Jahr an die Online-Bestellmöglichkeiten gewöhnen, kann er gleich zubleiben.  Auch für Friseure und Kosmetikstudios muss eine Lösung gefunden werden. Ich weiß zwar nicht genau wie,  aber das ist für viele ein dringendes Problem. Auch im Verhältnis der Geschlechter. Denn die Baumärkte haben schließlich geöffnet!

Natürlich muss der Schul- und Studienbetrieb wieder anlaufen. Für das Wie gibt es Experten, aber ich denke, über das Ob besteht weitgehend Einigkeit.  Sagen mir auch viele Eltern, die  ihre Kinder zu Hause im Homeoffice betreuen.

Man muss Wege finden, die demokratischen Wege wieder gangbar zu machen.  Landtag,  Gemeinderäte  und Kreistage müssen wieder tagen, in welcher Modifikation auch immer. Es sind zu wichtige Entscheidungen, die in diesen Tagen getroffen werden müssen. Die brauchen vorher Debatten und hinterher Kontrolle.

Die Produktion wird nicht so einfach anzukurbeln  sein. Es gibt Branchen, die auch jetzt boomen, aber nicht jeder kann auf Klopapier  umsteigen. In Arnstadt werden die Turbinen von Flugzeugen gewartet, aber die stehen fast alle am Boden. Und für Autos, die nicht gebaut werden, braucht man auch keine Metallteile, Turbolader oder Doppelkupplungen. In dieser Hinsicht wird es noch eine schwere Zeit, auch nach Corona.  Die Regierungen werden immer wieder nachsteuern müssen, sich dabei auch manchmal irren. Wenn das dann schnell wieder korrigiert wird, sollte man es ihnen nachsehen. Sie sind – wie wir – Corona-Anfänger.

Spielraum für sinnvolle Lockerungen der Einschränkungen  ist jedenfalls da. Selbst, wenn dadurch die Fallzahlen wieder etwas stärker ansteigen würden, das Gesundheitssystem  würde es verkraften. Aber es ist nötig.  Wenn es schon so lange dauert, bis der Impfstoff kommt,  sollten wir das Leben bis dahin so erträglich wie möglich gestalten. Und Verbote werden besser befolgt, wenn man sie als sinnvoll ansieht.

Ich denke, diese Krise wird auch grundsätzlich etwas verändern. Unser  Freizeitverhalten zum Beispiel, wie nachhaltig, ist offen. Wir werden Kreuzfahrschiffe  oder Bettenburgen meiden, da sind einfach zu viele Menschen beieinander. Wir werden, wenn es wieder geht, im Urlaub in kleine Orte fahren, wo es nicht so hektisch ist und sich die Leute nicht auf die Füße treten.   Und  wir werden das  mit dem eigenen Auto tun, auch wenn das nicht sonderlich umweltfreundlich ist. Denn man möchte ja nicht in der Bahn oder im Flugzeug vom Nebenmann angehustet werden.

Wenn nicht ein Wunder geschieht und das Virus plötzlich verschwindet oder sich herausstellt, dass man es mit Aromatique wirkungsvoll bekämpfen kann, müssen wir uns darauf einrichten, dass es  noch eine ganze Weile anders bleibt. Ich hoffe, wir haben die Kraft und die Nerven dafür  und die Gabe, freundlich zu bleiben.

Ich wünsche allen im Rahmen der Möglichkeiten frohe Ostern.

Update: In der ersten Fassung stand, dass u. a. der Arnstädter Schlossgarten Ostern gesperrt werden soll. Das ist offenbar nicht mehr geplant, deshalb wurde der Satz entfernt. Siehe Kommentare

4 Gedanken zu „Es bleibt anders“

  1. Also meine netten Nachbarn feiern ständig Party mit mehr als drei Personen .
    Da ist halb Bulgarien zu Gast juckt keinen, auch nicht das die schön zusammengerottet an der Ecke Hersfelder auf den Treppenstufen sitzen vom Kleinkind bis zur Oma.
    Aber Hauptsache uns das Leben schwer machen und sogar den Stadtpark absperren. Aber ist egal da geht ja eh kein Deutscher mehr hin.

  2. Hallo Manuela,
    Ich glaube, Sie bringen da was durcheinander. Nach meinen Informationen wurde der Stadtpark gar nicht von Bulgaren abgesperrt. Aber ich wünsche Ihnen frohe Ostern.

  3. Ich hatte diese Info aus einer Presseerklärung der Landrätin. Da die mittlerweile geändert wurde, gehe ich davon aus, dass die Info von Oliver Lang als Mitarbeiter der Stadtverwaltung richtig ist: Der Schlossgarten bleibt offen.

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