Das Prinzip Sankt Florian

Arnstadt bekommt eine Sankt-Florian-Straße. Das hat der Stadtrat beschlossen. Aber warum eigentlich? Darauf gibt es eine einfach Antwort: Weil die Feuerwehr das möchte. Und weil mittlerweile fast alle Städte eine solche Straße haben.  Auch wenn es eigentlich Quatsch ist, denn der Florian hatte mit Feuer und Löschen nix am Hut.

Außerhalb des gemeinen Feuerwehrwesens kennt man den heiligen Florian heutzutage vor allem  von einem nach ihm benannten Prinzip: „Heiliger Sankt Florian, schütz unser Haus, zünd‘ andere an“.  Es zeugt  nicht unbedingt  von einer vorbildlichen moralischen Grundhaltung, kommt aber im Alltag häufig zur Anwendung. In der großen Politik sowieso, aber auch im kommunalen Alltagsleben.  Sicher, Flüchtlingsheime, Atomendlager oder Schweinemastanlagen müssen irgendwie sein, aber doch nicht direkt in meiner Nachbarschaft.

Im Prinzip könnte man also sagen, dieser Sankt Florian hätte die Bürgerinitiative erfunden. Aber das ist nicht der Grund,  ihm in Arnstadt einen Straßennamen zu widmen.  Der Grund, warum das Teilstück des Obertunks  zwischen dem Elxlebener Weg und Dammweg künftig „Sankt-Florian-Straße“ heißen soll, ist die Feuerwehr, deren  imposante Hauptwache dort entsteht. Denn Sankt Florian ist ihr Schutzheiliger.

Warum er das geworden ist, weiß eigentlich kein Mensch.  „Während seines Lebens hatte Florian nichts mit Feuer zu tun“, schreibt der katholische Journalist  Roland Juchem.  Der Mann hieß eigentlich Florian von Lorch, lebte im 3. Jahrhundert  in Österreich und war Offizier der römischen Armee.  Zum Glück ist nicht überliefert, was er als  Soldat so alles  gemacht hat und ob und wie viele Sklaven er sein eigen nannte , denn solche Sachen sind heutzutage  nicht sonderlich  hilfreich, wenn man Straßennamensgeber werden oder bleiben will.   Dass wir heute überhaupt noch wissen, dass es den Florian gab, liegt an seiner Konvertierung zum Christentum, die damals bei den Römern gar nicht gut ankam.  Jedenfalls wurde er mit anderen Christen zum Tode verurteilt und ertränkt.   Aus seinem Grab soll später ein Brunnen entsprungen sein. Damit war allen Geschichtenerzählern klar: Der Florian und das Wasser, die beiden gehören unbedingt zusammen. Von Feuer oder Löschen allerdings war damals nie  die Rede.

Erst etwa 1000 Jahre später änderte sich das. Es war die Zeit, als  in Arnstadt ein durchgeknallter Bürgermeister namens Hans Nebel 1581 das Sankt-Florians-Prinzip etwas abwandelte  und darauf bestand, dass an einem heißem Sommertag das Dach seines Hauses am Markt mit heißem Teer repariert wurde. In der Folge brannte die gesamte Innenstadt nieder.  Im fernen Österreich schmuggelten sich in dieser Zeit irgendwie unter die Wasserkanne in  die bildlichen Darstellungen des heiligen Florian von Lorch ein paar kleine Flämmchen.  Der Mythos  vom feuerlöschenden Florian war geboren. Zur Untermauerung wurde noch die Geschichte erfunden, schon als Kind habe der Florian ein Feuer dadurch gelöscht,  indem er es einfach weggebetet hat.

Ich bin der Arnstädter Feuerwehr unendlich dankbar, dass sie sich diese Geschichte nicht zum Vorbild genommen hat und Brände erfolgreich mit anderen Mitteln bekämpft. Aber ansonsten hat sich auch die einheimische Wehr  nicht dagegen wehren können, dem Sankt-Florians-Rausch zu erliegen.  Dem Manne, der nie etwas mit Feuerlöschen zu tun hatte, huldigen heute Feuerwehrleute  auf der ganzen Welt.  Und in ganz Deutschland  schossen dort, wo die Feuerwehr ihren Sitz hat, die Sankt-Florian-Straßen aus dem Boden (eine Google-Suche nach  „Sankt-Florian-Straße“ bringt über eine Million Ergebnisse).   Die Feuerwehren allerorts haben ganze Arbeit geleistet, um sich dauerhaft in die Stadtpläne einzugraben.

Nun ist also auch Arnstadt dran.  Die Sache dürfte relativ glimpflich abgehen, denn gegenüber der neuen Feuerwache ist nur der Friedhof, da sind nicht so viele Adressenänderungen fällig.  Und in der Bärwinkelstraße, wo jetzt noch die Feuerwehr sitzt, können die Anwohner froh sein, dass es sie nicht  getroffen hat. Ganz nach dem Sankt-Florians-Prinzip.

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