Wohlklang von oben


Am 6. September 1996 wurde das Glockenspiel im Jacobsturm am Riedpatz eingeweiht, es feiert also in diesen Tagen seinen 25. Geburtstag. Zu verdanken hat es die Stadt ihrem rührigen Altstadtkreis, der nicht nur die Idee hatte, sondern auch kräftig an der Umsetzung mitwirkte.

Täglich erklingt zwischen 11 und 19 Uhr im 2-Stunden-Takt das Glockenspiel im Jacobsturm. Man kann sich an Volksliedern erfreuen wie „An der Saale hellem Strande“, „Am Brunnen vor dem Tore“ oder „Kein schöner Land“, es gibt Kirchenmusik nicht nur von Johann Sebastian Bach, kleine Opernstücke und sogar Kompositionen, die extra für dieses Glockenspiel entstanden sind. Welches Programm an welchem Tag zu welcher Stunde läuft, ist auf einem kleinen Aufsteller auf dem Riedplatz zu erfahren. Für die Arnstädter sind diese musikalischen Intermezzi mittlerweile eine Selbstverständlichkeit, für Touristen immer wieder eine kleine Überraschung beim Stadtrundgang. Am 6. September feiert das Glockenspiel Geburtstag, denn vor 25 Jahren war es erstmals zu hören – wenn auch nur mit halb so viel Glocken wie heute.

Glocken gab es schon vor langer Zeit im Jacobsturm. Sie hießen Susanna, Anna und Margaretha und läuteten zu den Gottesdiensten der Jacobskirche, die seit 1369 dort stand. Doch die Jacobskirche wurde 1533 im Zuge der Reformation geschlossen und 1633 abgerissen, viele ihrer Steine fanden beim Bau der Neuen Kirche am Markt Verwendung, die heute als Bachkirche bekannt ist. Der Turm aber blieb stehen. Gemeinsam mit dem Riedturm bildet er bis heute ein einmaliges architektonisches Ensemble, das nicht nur von Touristen gern fotografiert wird.

Es gab regelmäßige Reparaturen am Jacobsturm, dazu hatte sich die Stadt verpflichtet, als sie das Areal 1559 von der schwarzburgischen Herrschaft übernahm. Als dann die Wende kam, waren endlich Mittel und Möglichkeiten da, um ihn grundhaft zu sanieren. Sogar die hohe spitze Turmhaube wurde abgenommen und auf einem Gestell neben dem Turm abgestellt. Der Turmknopf wurde neu vergoldet und mit einem „Knopffest“ fand die Sanierung am 30. Mai 1992 ihren Abschluss. Der Turm sah schmuck aus, der goldene Turmknopf leuchtete – aber Glocken gab es darin schon lange nicht mehr. Anna, die mittlere, tat wohl nach dem Abriss der Kirche noch ein paar Jahre im Schloss Neideck ihren Dienst und zog dann ins Waisenhaus am Plan um. 1822 wurde sie dann verkauft, als das Waisenhaus zur Irrenanstalt wurde.

An dieser Stelle kommt der „Altstadtkreis“ ins Spiel, jener rührige Verein, dem Arnstadt auch die „blauen Schilder“ an allen wichtigen Sehenswürdigkeiten, die Restaurierung der vier Figuren an der Rathausfassade oder die Sammlung für die Anschaffung eines neuen Rathausflügels verdankt. Es wäre doch schön, wenn der frisch sanierte Jacobsturm nicht einfach so herumstehen würde, überlegten die „Altstadtkreisler“ – und die Idee eines Glockenspiels wurde geboren.  Wer den Altstadtkreis kennt, weiß, dass er nicht nur tolle Ideen liefert, sondern sich auch um deren Verwirklichung kümmert. Sponsoren wurden gesucht und gefunden, Spenden gesammelt und Kontakte geknüpft. So kamen am Ende etwa 100 000 Mark zusammen. Genug Geld, um die ersten 13 Glocken in Karlsruhe gießen zu lassen. Die musikalische Umsetzung des Projekts kam aus den eigenen Reihen: Alwin Friedel, Kirchenmusikdirektor im Ruhestand und Ehrenmitglied des Altstadtkreises, wählte die Melodien aus, bearbeitete sie und steuerte sogar eigene Kompositionen bei. Jeden Tag kann man entweder das „Kleine Glockenspielkonzert“ oder die „Glockenspielvariationen“ aus seiner Feder hören, sonntags sogar beides. Und so konnte am 6. September 1996 das Glockenspiel eingeweiht werden.

Das war aber erst die halbe Miete. Innerhalb eines halben Jahres wurden weitere 13 Glocken gegossen und installiert – und seit März 1997 dringt der Wohlklang von 26 Glocken alle zwei Stunden aus den Fenstern des Jacobsturmes. Dank des Altstadtkreises, zur Freude der Arnstädter und ihrer Gäste.

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