Die Bäckerei Fischer hat nach über 300 Jahren für immer geschlossen. Es ist nicht die einzige Hiobsbotschaft aus der Innenstadt. Und die Händler, die bleiben, sehen mit Skepsis in die Zukunft, denn es drohen mehrere Baumaßnahmen, über die nur bekannt ist, dass sie lange dauern.
Als Georg Conrad Fischer 1713 seine Bäckerei am Holzmarkt eröffnete, war es nur ein Umzug, schon seit 1694 gibt es Backwerk von Fischers in Arnstadt zu kaufen. Damals stand das Schloss Neideck noch, das heutige Schlossmuseum war noch nicht gebaut. Mit etwas Fantasie kann man sich vorstellen, wie der junge Bach bei Fischers Brot gekauft hat. Den Umzug zum Holzmarkt hat er nur um ein paar Jahre verpasst, 1713 war er leider schon wieder weg. Aber man kann sicher sein: dieser Laden hätte ihm gefallen.
Es war ein Stück lebendiges Mon Plaisir, in das man bis zum 17. März 2023 in der Arnstädter Innenstadt eintauchen konnte. Die Szenen der berühmten Puppensammlung stammen aus der gleichen Zeit, als Georg Conrad Fischer am Holzmarkt zu backen begann. Und eigentlich war die ganze Bäckerei bis zuletzt ein Puppenstube.
Der Verkaufsraum in der Größe eines Fahrkartenschalters war so herrlich aus der Zeit gefallen. Die Jugendstil-Folien auf den Glasscheiben, der streng abgeteilte Bereich für Verkäuferin und Ware – so sahen früher viele Krämerläden in Arnstadt aus. Aber nur bei Fischers blieb das so bis zum Schluss.
Man kaufte dort das gute Sauerteigbrot, aber besonders Kuchen und Plätzchen. Es gab in Arnstadt Plätzchen und Fischer-Plätzchen. Mehr musste man dazu nicht sagen.
Nun, nach über 300 Jahren, hat die Bäckerei Fischer für immer geschlossen. Es hat wohl auch mit der Gesundheit zu tun, aber auf dem Schild, das seit einigen Tagen im Schaufenster hing, werden die „wirtschaftlichen Umstände“ als Grund angegeben. Man will es kaum glauben, weil es doch fast immer eine Schlange vor dem kleinen Laden gab. Aber Backwaren sind teuer geworden, besonders die guten vom richtigen Bäcker. Die Leute aber müssen immer mehr auf ihr Geld achten. Und der Kohle-Backofen, in dem die Fischer-Brote gebacken wurden, hat schon über 100 Jahre auf dem Buckel.
Die Bäckerei Fischer ist für immer verschwunden. Über 300 Jahre hat das kleine Unternehmen am Holzmarkt zu Arnstadt gehört wie das Rathaus oder das Riedtor. Gegenüber strömten früher die Leute in den Filmpalast, 1972 führte hier die Friedensfahrt vorbei und 1989 fand vor ihrer schmalen Tür die erste Wende-Demonstration in Thüringen statt. Alles das hat die Bäckerei Fischer überlebt, doch nun ist sie selbst Geschichte.
Die Schließung ist eine schlechte Nachricht für die Innenstadt, besonders für den Holzmarkt. Und es ist nicht die Einzige. Nicht weit von Fischers, im ehemaligen Geschäft von Max Henneberg, hatte sich seit einigen Jahren das „StrumpfKafé“ von Ute Engelbrecht-Lauer etabliert. Eine tolle Idee, wie nicht nur viele Arnstädter fanden. Doch nun ist auch hier bald Schluss. Ab Mitte April, so ist im Schaufenster zu lesen, wird es das StrumpfKafé „in der jetzigen Form“ nicht mehr geben.
Auch „Zobels Zweirad-Shop“ in der Zimmerstraße trägt sich mit Schließungsgedanken. Wenn sich kein Nachfolger findet, sei wohl im Sommer Schluss, heißt es auf Nachfrage im Laden. Von anderen Schließungsplänen wird vorerst nur gemunkelt. Aber es gibt sie.
Es herrscht schlechte Stimmung unter den Händlern in der Innenstadt. Die meisten sind zwar mit Ach und Krach durch die Unbilden der Pandemie gekommen, aber sie erholen sich nur langsam. Was jetzt nötig wäre: Etwas Zeit, mehr Touristen und Unterstützung durch die Stadt. Doch stattdessen droht ein neuer Stolperstein, von dem niemand weiß, wie groß er ist: die Schlossstraße.
Die Schlossstraße ist wichtig für den Zugang zur Innenstadt, Zimmerstraße (und damit Erfurter Straße) hängen wie der Holzmarkt hauptsächlich am „Tropf“ der Schlossstraße. Die Totalsanierung dieser Verkehrsader war eigentlich schon für das vergangene Jahr vorgesehen, nun steht sie für 2023 im Plan. Es soll viel gemacht werden, das wohl auch nötig ist, von dem man hinterher aber kaum etwas sieht. Und es soll lange dauern, etwa ein Jahr, wenn alles gut geht.
Aber wie wird eigentlich saniert? Wann sind die Läden in der Innenstadt für Zulieferer und Kunden erreichbar? Und wann geht es eigentlich los?
Zumindest auf die letzte Frage gibt es mittlerweile eine inoffizielle Antwort: Wohl nicht vor dem Stadtfest im September. Aber offiziell gibt es noch gar nichts. „Zu gegebener Zeit“ werde informiert, heißt es aus dem Rathaus. Für die Händler heißt „zu gegebener Zeit“: Dann, wenn alles zu spät ist. „Wir haben für unsere Bestellungen einen Vorlauf von einem Dreivierteljahr“, sagt Stefanie Meier, Inhaberin der Boutique „Seidensprung“ am Holzmarkt. Nicht nur sie hätte sich gewünscht, dass schon in der Planungsphase mit den Innenstadt-Händlern gesprochen worden wäre. Welcher Laden ist wann für Zulieferer und Kunden nicht erreichbar? Könnte man durch geschickte Einteilung in Bauabschnitte die Sperrungen vielleicht verkürzen? Welches Umleitungs- und Parkkonzept ist am „schmerzärmsten“ für die Beteiligten?
Eine solche Absprache mit den Händlern hat es leider nie gegeben. Und so ist zu befürchten: Wenn „zu gegebener Zeit“ miteinander geredet wird, gibt es nichts mehr miteinander zu reden, weil alle Planungen abgeschlossen sind. Es geht nur noch darum, Anwohner und Händler vor vollendete Tatsachen zu stellen. Und das ärgert viele. Die Händler, aber auch die Anwohner.
Zumal im Hintergrund ein weiterer Stolperstein lauert: Die Sanierung des Arnstädter Marktplatzes. Zwar weiß noch keiner, was dort eigentlich genau gemacht werden soll, aber es soll „nachhaltig, barrierefrei und klimaresilient“ sein, heißt es in einer Mitteilung der Stadtverwaltung. Und die Bauarbeiten sollen Mitte kommenden Jahres beginnen. Zu einem Zeitpunkt also, wenn die Schlossstraße garantiert noch nicht fertig ist. Was das für die Innenstadt bedeuten könnte, mag sich noch niemand ausmalen.
Zumindest stellt Bürgermeister Spilling für den Marktplatz noch in diesem Jahr „Workshops und Einwohnerbeteiligungen“ in Aussicht. Außerdem läuft endlich die Ausschreibung für einen Arnstädter „Citymanager“, der für eine „dauerhaften Belebung der Innenstadt“ und „die Vernetzung aller Akteure“ sorgen soll.
Wenn der Citymanager sein Amt antritt, dürften allerdings mindestens für die „Baumaßname Schlossstraße“ alle Messen gelesen sein. Und für manchen Innenstadthändler wohl auch.
Die Kommunikation der Stadtverwaltung lässt nicht nur bei der Schlossstraße zu wünschen übrig. Auch bei Planung der anstehenden Baumaßnahme in der Kita Marlishausen wurden die Eltern, entgegen der Aussagen der Stadt im Stadtrat, nicht einbezogen. Selbst der Elternbeirat wusste bis zu den Artikel in der TA im Januar nicht wie lange die Bauarbeiten dauern würden.
Im letzten Jahr sollte die Kita für eine Woche geschlossen werden, um den Kindern die lärmintensivsten Arbeiten zu ersparen. Nach dieser Woche hätten die Baufirmen während der Mittagszeit nur leisere Arbeiten gemacht. Von dieser Schließung haben wir als Eltern wenige Wochen vorher erfahren, hätten sich aber mehrheitlich gut arrangieren können. Diese Baumaßnahme wurde kurzfristig ohne Begründung abgesagt und in 2023 verschoben. Bei der kürzlichen Elternversammlung wurde das Bildungsministerium als Grund für die Absage vorschoben, nur weiß man dort auf Nachfrage nichteinmal von der Baumaßnahme.
Nun soll ab August für 11 Wochen gebaut werden, wovon die Kinder 6 bis 7 Wochen in die Kita Schillerstraße umziehen müssen. Die Firmen haben dieses Jahr keine Zeit länger zu bauen und Mittags leise zu sein.
Die Eltern haben in der Zeit die Wahl die Kinder länger in Betreuung zu lassen oder eine andere Lösung zu finden (Urlaub nehmen, verkürzt zu arbeiten usw).
Nur auf Drängen der Stadträte fand überhaupt ein Elternabend statt, bei dem über die Maßnahme informiert wurde. Die Mitarbeiterin der Stadt war dabei sichtlich genervt ob der Nachfragen und dass sie da sein musste.
Mir als Exil-Arnstädter tut es weh, das lesen und gerade auch miterleben zu müssen. Heute nämlich wollte ich bei Fischer Plätzchen kaufen … 300 Jahre, da bricht eine Tradition weg, ein Teil von Arnstadt, das, was diese Stadt ausmacht. Wenn es so weitergeht, was zu befürchten ist, wird es diese Stadt bald nicht mehr geben. Was nützt ihr dann noch, sich Bach-Stadt zu nennen, wenn in ihr zwar Klimaneutralität herrscht, sich jedoch nur noch Barbershops an Dönerbuden reihen?
Hinsichtlich der bürgernahen Politik, die in Arnstadts Rathaus so fein praktiziert wird, lässt sich nur sagen: in Berlin ist es nicht anders. Da werden ebenfalls Bauvorhaben vor den Bürgern verheimlicht, Widerstand im Keim erstickt, da werden Hinhaltetaktiken aufgefahren, Sand in die Augen gestreut – und das gerade bei offensichtlichen Problemfeldern, wie der verkehrlichen Infrastruktur, die so marode ist, dass sie dem Boom an Neubauten nicht standhalten kann und zwangsläufig zur Ghettoisierung und Verelendung ganzer Stadtteile und -bezirke, wie etwa Köpenick, führt. Partizipation? Ebenso wie in Arnstadt geben sich die Politiker nicht einmal mehr den Anschein, demokratisch zu handeln.