Mein Markt – ein Abgesang

Die Stadt Arnstadt fragt gerade ihre Bürger, was sich bei der Neugestaltung des Marktplatzes  alles ändern soll. Ich finde: möglichst wenig. Aber damit stehe ich ziemlich allein. Dass die Linden gefällt werden und alles anders wird, ist wohl nicht mehr aufzuhalten. 

Gerade jetzt, wenn es draußen zunehmend ungemütlich und viel zu früh dunkel wird, erinnere ich mich gern an die sommerlichen Sonntagnachmittage auf dem Markt. Die Plätze vor dem Eiscafe „La Gondola“`und dem Cafe Marlitt waren meist gut gefüllt, bei Stachelbeerbaiser oder Erdbeereis saß man im kühlenden Schatten der Linden und genoss die Stille, nur ab und zu unterbrochen von der Rathausglocke.  

Laut und wuselig geht es – außer am Dienstag oder zu Festen – selten  zu auf dem Arnstädter Markt. Aber es ist ein liebens- und lebenswerter Platz mitten in der Stadt, mit seinem dreieckigen Grundriss und den schattenspendenden Linden, dem jungen Bach, der auf seine Kirche schaut, dem imposanten Rathaus, den manchmal stolzen, manchmal fast etwas verhuschten Bürgerhäusern und der verschieferten Galerie, die daran erinnert, dass der Thüringer Wald nicht weit ist. 

In seinem Umfeld hat sich in den vergangenen Jahren eine interessante Gastronomie-Szene entwickelt. Nach dem Cafe Marlitt kam Tanya Harding, die leider wieder ging, aber den Boden für eine gut nachgefragte Osteria bereitete. Fast nebenan kann man gut chinesisch essen, die Ratsklause bietet nicht nur sehr preiswerte deutsche Küche, sondern hat sich sogar einen kleinen Biergarten auf dem Bachkirchen-Plateau zugelegt. Für den schnellen Hunger gibt es neben „La Gondola“ einen Döner, nur ein paar Schritte vom Markt hat sich am Pfarrhof die Kaffeerösterei „Bohnenstolz“  niedergelassen – natürlich mit Kaffee im Ausschank. In der Nachbarschaft  des Marktes liegen außerdem das  Waffelstübchen mit inzwischen chinesisch-deutscher Speisekarte, der Burgkeller oder die 12 Apostel. Sicher gibt es bei den Öffnungszeiten noch Luft nach oben, aber wer das bemängelt, sollte solche Angebote öfter nutzen. Denn wenn es mehr Nachfrage gibt, ist auch öfter und länger offen.   

Der Markt ist kein Touristenmagnet, so wie Arnstadt (noch) kein Touristenmagnet ist. Aber er ist eine Perle. Noch keiner der Touristen, die ich durch die Stadt führen durfte, hat an diesem Platz irgendwelche Defizite ausgemacht. Sie alle ließen sich von seiner Atmosphäre und den Geschichten, die mit ihm verbunden sind, gern in den Bann ziehen. Natürlich gibt es Dinge, die man verändern könnte: Der Stromkasten an der Litfaßsäule passt da nicht hin, einige noch vorhandene Bordsteine könnte man mit geringem Aufwand verschwinden lassen, den Durchgangsverkehr könnte ein einfacher Poller verhindern.  Aber sonst? ich mag ihn, wie er ist.  

Aber so wird er nicht bleiben. Weil Arnstadt wieder mal in der Fördermittel-Lotterie gewonnen hat und der Bismarck-Brunnen unbedingt auf den Markt soll,  bleibt wohl kein Stein auf dem anderen. Alle Linden sollen verschwinden und alles soll nachhaltiger, klimagemäßer und überhaupt zeitgemäßer werden. Für den Bismarck-Brunnen gibt es schließlich einen Stadtratsbeschluss, so das Argument. Aber den gibt es für die Linden auch, er ist schon  14 Jahre alt und gilt bis heute: 

Als 2009 bekannt wurde, dass für eine grundlegende Marktsanierung  alle Linden auf dem Markt gefällt werden sollten, gab es einen Aufstand und 5000 Unterschriften dagegen. Das ist heute wohl nicht zu erwarten, eine Woche nach Bekanntgabe der Pläne ist noch kein Protest dagegen öffentlich geworden. Alle, die sich bisher geäußert haben, finden es gut. 

Also wird es wohl zum großen Marktumbau kommen. Ich kann uns nur wünschen, dass der neue Platz wenigstens annähernd so schön wird wie der, den wir jetzt haben. Dass sich der Bismarck-Brunnen so in das Marktbild einfügt, wie es die Befürworter versprechen. Und dass die Gaststätten, die sich dort und im Umfeld befinden, die lange Umbauphase überstehen. 

Aber ich finde schade, dass es so kommt.

Ein Gedanke zu „Mein Markt – ein Abgesang“

  1. Bäume werden gefällt, damit der Markt klimagemäßer wird. Finde den Fehler. (facepalm)
    Wer organisiert mal schnell noch den Aufstand? Ich (in Leipzig) schaffe es gerade nicht wegen Familiennotfall, aber ich unterschreibe und kann vielleicht noch ein paar Unterschriften organisieren …

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