Es ist Karneval. Ich finde, da kann man auch mal Märchen erzählen. Andere machen es schließlich auch. Nicht nur im Karneval. Mein Märchen spielt sogar in Arnstadt. Und ich wünschte, nichts davon wäre wahr.
Eines Tages in der närrischen Arnstädter Zeit, die seit einem Beschluss des obersten Elferrates auf Januar bis Dezember verlängert worden war, begab es sich, dass einige Narren zusammen in ihrem Vereinshaus nahe einer der schönen Kirchen des Städtchens saßen und wacker zechten. Sie hatten allen Grund, sich die Birnen zuzulöten, denn ein großer Kummer hatte von ihren Seelen Besitz ergriffen. Der teuflische Plan, im Handstreich das Arnstädter Rathaus durch die Hintertür zu erobern, war gerade kläglich gescheitert.
Die Narren, die da zusammen zechten, gehörten verschiedenen Karnevalsgilden an, die sich eigentlich nicht leiden konnten und in früheren Sessionen schon bissige Büttenreden aneinander vorbei geschleudert hatten. Gemeinsam war ihnen nur ein Makel: Alle drei Gilden waren bei der Prinzenwahl vor ein paar Jahren schmählich vom blöden Volke übergangen worden. Der gewählte Prinz zog – wegen der ganzjährigen Karnevalszeit in Arnstadt – für sechs Jahre ganzjährig ins Rathaus ein. Mit beiden Händen hält er seitdem tapfer die Stadtkasse zu. So hat er selten eine Hand frei, um sie jemanden zu reichen, es kann aber auch keiner seiner Untertanen sehen, ob die Kasse nun mit Gold oder doch nur mit Weihrauch und Myrrhe gefüllet ist.
Die Verlierer lungerten nach dieser erlittenen Schmach anno Domini 2012 eine Zeit lang auf ihren Ottomanen herum und nahmen mehr übel als am närrischen Treiben teil. Doch dann wurde ihnen die Zeit bis zur nächsten Prinzenwahl zu lang und sie ersannen allerlei Listen, um den Prinzen nach ihrer Fidel tanzen lassen oder ganz aus dem Rathaus zu vertreiben. Ehemals verfeindete Recken lagen sich plötzlich in den Armen. Rattenfänger schwärmten aus, um Getreue aus den Reihen der Prinzengarde zur Fahnenflucht zu bewegen. Und es hob ein großes Abwahl-Trara an, um das Volk zur Einsicht zu bringen, dass es sich einen falschen Prinzen erwählt hatte. Dazu wurden Herolde in alle Ecken der Stadt entsandt, die von Missetaten des Prinzen berichteten. Es wurden eigene Postillen manufakturiert und an einem Brunnen in der Stadt wurde das Volk an jedem Markttag zupalavert.
Doch als die Narrenschaft schließlich angehalten war, ihre Meinung zum Prinzen schriftlich kundzutun, blieb das blöde Volk einfach zu Hause und der Prinz im Rathaus.
So saßen die gescheiterten Narren also nach ihrer Niederlage in ihrem überparteilichen Vereinslokal und weinten bitterlich. Was sollte nun werden? Sollte es jetzt wirklich zum Allerschlimmsten kommen, zur sachlichen Zusammenarbeit mit dem Prinzen und seiner Gefolgschaft zum Wohle der Stadt?
Nein, das durfte nicht sein. Dann wäre ja alles umsonst gewesen.
Aber was dann?
Der erste Vorschlag ließ nicht lange auf sich warten. „Wir machen einfach genau so weiter, vergessen die Niederlage und sagen einfach nur noch, dass die meisten bei der Abwahl gegen den Bürgermeister gestimmt haben. Das ist nicht mal gelogen“. Die Idee traf auf breite Zustimmung. „Naja, wir müssen aber wenigstens den Schein wahren und mit dem Prinzen reden, als wären wir zur Zusammenarbeit bereit“, dämpfte einer die Stimmung. „Na gut, dann machen wir ihm doch ein Angebot, das er nicht annehmen kann!“, sagte ein anderer. „Wir machen zur Bedingung für eine Zusammenarbeit, dass er die Katen am alten Flusse Weiße so bauen muss, wie wir es wollen“, ergänzte ein Dritter, „das muss er ablehnen und dann können wir sagen, der Prinz hat schon wieder das Tischtuch zerrissen.“
Wahrlich ein genialer Plan. Mindestens so genial wie die Sache mit der Abwahl. Und weil die Koalition der Unwilligen dem Weine schon reichlich zugesprochen hatte, wurden gleich noch mehr Pläne geschmiedet. „Wir könnten doch am Faschingsdienstag ein Palaver für die Gazetten veranstalten und denen erzählen, dass uns der Prinz mal kreuzweise kann“, rief einer. „Ja, das ist kurz nach der Sitzung des obersten Rats der Geldnarren am Rosenmontag, wo eigentlich alle eine Einigung erwarten“, lallt einer, „das kommt gut“. „Schließlich sind wir ja 21 und damit fast zwei Elferräte“, ruft einer unter dem Tisch hervor. „Wir werden den Leuten schon noch zeigen, wer die größten Narren in der Stadt sind“.
Und so kam es dann auch. Das Palaver wurde für Faschingsdienstag angesetzt. Und noch bevor sich die Wagen des Arnstädter Karnevalsumzugs in Bewegung setzten, machte ein Pergament im Städtchen die Runde, in dem die Koalition der unwilligen Narren dem Bürgermeister übermitteln ließ, dass er sie mal kreuzweise kann.
Und wenn sie nicht zur Vernunft gekommen sind, stänkern sie immer noch. Egal, gegen welchen Prinzen.
Schön geschrieben,
leider ein trauriger Anlass…
Das euer schönes Arnstadt von den Machenschaften eines nichtlinken Politikers und seiner Gang kaputt gemacht wird macht nicht traurig.
Wie immer alles perfekt auf den Punkt gebracht.
Leider ist es aber kein Märchen.
Schade!