Im Arnstädter Schlossmuseum ist derzeit eine bezaubernde Jugendstil-Ausstellung zu sehen. Wer nicht genau weiß, was Jugendstil eigentlich ist und warum manche Leute sich die ganze Wohnung mit altem Zeugs vollstellen, sollte unbedingt hingehen. Die anderen tun’s sowieso.
Was ist eigentlich Jugendstil? Und warum sammeln manche Leute irgendwas? Solche Fragen standen am Anfang dieses Ausstellungsprojekts, wie man in einem Facebook-Chat zwischen Antje Vanhoefen und Christian Hühn nachlesen kann. Die Museumsdirektorin und ihr Fördervereinsvorsitzender, im Nebenjob familienvorbelasteter Sammelverrückter, haben dieses Chatprotokoll in einen liebevoll gestalteten kleinen Katalog aufgenommen, der nicht so heißen soll. Aber er lohnt sich.
Schon in den ersten Monaten kamen ungewöhnlich viele Besucher in die Ausstellung. Kein Wunder, denn Jugendstil kennt jeder, wenn auch nicht immer bewusst. Es ist das Lebensgefühl der Groß- oder Urgroßelterngeneration, dass sich in zahlreichen Einrichtungs- und Gebrauchsgegenständen, Büchern, Bildern und Schmuck der damaligen Zeit manifestierte. Als wir Kinder waren und die Großeltern besuchten, gab es eben nicht nur Omas Kartoffelpuffer und ihre Schürze, die nach Wäschestärke roch, sondern auch das traurige Gesicht über einem nackten Weiberhintern an der Wand, die Vase mit den sonderbaren Ornamenten und das alte Buch mit der melancholisch guckenden Dame auf dem Einband. Und so gucken wir viele Jahre später eben noch immer melancholisch, wenn wir einer solchen Vase ansichtig werden. Nicht nur, weil sie schön ist. Sondern sie riecht auch irgendwie nach Wäschestärke.
Manche belassen es nicht beim melancholisch Gucken, sondern erliegen dem Habenwollen-Reflex. Sammler nennt man diese eigenartigen Menschen, die wohl ähnlich schwer zu begreifen sind wie Fußballfans oder Nacktwanderer. Sie finden Erfüllung darin, gezackte Papierblättchen in Hinterzimmern auszutauschen, ungültige Zahlungsmittel für Mondpreise zu erwerben oder sich zu nachtschlafener Zeit auf den Weg zu einem Trödelmarkt am Rande der Zivilisation zu machen. So wie Udo Hühn, der Vater des oben schon erwähnten Fördervereinsvorsitzenden. Mit dem Geschmack des Goldschmieds, einem Wartburg-Tourist und einer Nase für Gelegenheiten jagt er seit Jahrzehnten nach Jugendstil. Ein Teil seiner „Beute“ ist nun in dieser Ausstellung zu sehen.
Ich werde wohl nie verstehen, was Menschen wie Udo Hühn dazu antreibt, schöne Dinge zu jagen, um sie zu besitzen. Aber ich bin sehr froh, dass er es getan hat. Und dass mit maßgeblicher Unterstützung seines Sohnes diese Ausstellung zustande kam. Nicht nur, weil so viele schöne Stücke aus den Sammlungen Hühn, Minner und dem Bestand des Museums zu sehen sind. Es riecht auch irgendwie nach Wäschestärke.
Wie damals.